Tichys Einblick
Bündnis Sahra Wagenknecht

Der Streit um die fett dotierten Posten

Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist angetreten, um eine ganz neue Politik zu machen. Doch neu ist nur die Partei. Ansonsten geht es um das gleiche wie bei den etablierten Parteien: um Geld und Positionen.

IMAGO
Das „Chez Sahra“ ist derzeit der exklusivste Club in Berlin. Anfang Januar hat sich das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ mit 44 handverlesenen Mitgliedern als Partei gegründet. Vorläufig sollen nur 450 weitere Mitglieder dazu kommen. Wagenknecht begründet das damit, dass sie „nicht so produktive“ Mitglieder aus der neuen Partei draußen halten will und auch solche, die nicht auf Wagenknechts politischer Linie seien.

Doch es zeichnet sich ein weiteres Motiv ab: So bunt auch Sahra Wagenknecht ihre eigene Medienpräsenz zelebriert, so eisgrau und althergebracht ist der übliche Karriereklüngel, der sich da gerade hinter ihrem charismatischen Rücken einnistet. Dabei erweist sich ihre Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali als besonders gewitzte Strippenzieherin.

Eher als Notlösung mit mäßiger Redekunst und Ausstrahlung war diese im November 2019 als Linksfraktionsvorsitzende Nachfolgerin von Wagenknecht geworden. Nun hat Wagenknecht nach Gutsherrenart Ali als Co-Vorsitzende bei der BSW-Gründung am 8.Januar inthronisiert. Ein durchaus schlauer Zug. Mit Ali an ihrer Seite würde ARD, ZDF, Süddeutsche und Co der Versuch schwerer fallen, die neue Partei hinter die Brandmauer für vermeintlich Rechtsextreme zu verbannen.

Nun werden im Bündnis Sahra Wagenknecht aber interne Stimmen lauter, die verlangen, dass die Wahl der einzelnen Vorstandsmitglieder satzungsgemäß vom gesamten Parteitag an diesem Samstag, 27. Januar, auf demokratisch breitere Füße gestellt werden müsse. Das aber scheut Ali, wie TE exklusiv erfahren hat. Sie will es lieber en Block. Ähnlich wie in der SED: Sie will „kollektiv“ mit einem einzigen Kreuz für sich und Wagenknecht „bestätigt“ werden. Ali muss die Basis des Bündnisses fürchten – so exklusiv diese auch noch ist.

Unmut hatte Ali nämlich intern ausgelöst, als bekannt wurde, dass sie ihren Lebensgefährten Holger Onken am Samstag auf den aussichtsreichen Listenplatz elf fürs EU-Parlament boxen möchte. Von „Familienbande“ ist in der neuen Partei die Rede. Onken wacht von Oldenburg aus mit Argusaugen über sämtliche Neueintritte in das niedersächsische Bündnis, das sich angesichts der Umfragen auf einen Strauß neuer Mandate und Posten freut. Wozu aber erst recht die Vorab-Aussortierung von Unliebsamen und Mitbewerbern nötig wird.

Die Berliner Zeitung mutmaßte vergangene Woche sogar, es gebe eine „schwarze Liste“ bei Onken und Muhamed Ali. Auf dieser stünden zahlreiche „Personae non gratae“: alles Anhänger der einstigen niedersächsischen Bundestagsabgeordneten Pia Zimmermann und von Diether Dehm. Durch Indiskretion war der gemailte Unmut der beiden früheren Linken über Ali vor zehn Tagen an die Berliner Zeitung gelangt.

Zimmermann und Dehm waren früher engagierte Unterstützer von Wagenknecht, hatten Ali gar zu ihren Posten verholfen, könnten ihr nun aber in die niedersächsische Quere kommen. Also sucht Alis Lebenspartner Onken vorab, sich dieser Konkurrenten mit Eintrittsverboten zu entledigen. Dehm stammt aus Hessen, lebt mittlerweile in Niedersachsen und war einer der ersten, der sich öffentlich zur neuen Partei bekannte. Er ist ein quirliger Macher – aber auch einer mit einem eigenen Kopf.

Über die Kontrolle der Eintritte will Onken seiner Lebenspartnerin die Bundeskandidatur konkurrenzfrei halten. Und Ali will ihn dafür ins EU-Parlament nominieren lassen. Außerdem will sie alle Bundestagsnominierungen für September 2025 „ungewohnt früh“, nämlich bereits im Spätsommer 2024, in kleinster Parteibesetzung durchpeitschen; „solange die niedersächsische Mitgliederzahl noch unter 50 ist, damit da nix anbrennt“. So ganz neu und erfrischend wie Wagenknecht dürften Alis Ränkespiele im politischen Berlin also nicht werden. Wenn’s um Geld geht, sehen auch neue Parteien plötzlich recht alt aus.

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