Tichys Einblick
Wahlen: Nicht mehr gleiches Recht für alle

Brandenburg schafft freies Wahlrecht mittels Gender-Mainstreaming ab

In Brandenburg haben SPD, Linke und Grüne ein Gesetz verabschiedet, das alle Parteien zwingt, ihre Wahllisten im Lande von bestimmten Bedingungen abhängig zu machen. Falls diese Regelung vor Verfassungsgerichten Bestand hat, wird in Brandenburg das allgemeine, gleiche Wahlrecht, das durch die friedliche Revolution von 1989 erkämpft worden war, schwer beschädigt.

© imago/Martin Müller

Per Gesetz soll in Brandenburg festgelegt werden, dass auf den Kandidatenlisten jeder Partei abwechselnd ein Mann und eine Frau stehen müssen. Wobei nichts, aber auch gar nichts dagegen einzuwenden ist, dass Frauen zu 50, 70 oder mehr Prozent auf Kandidatenliste vertreten sind. Es geht ums Prinzip. Dies ist ein Eingriff in das freie, allgemeine und unmittelbare Wahlrecht. Auch, wenn es im guten Wollen geschehen wäre, was fairerweise nicht ausgeschlossen werden soll: Hier wird die Axt an das Allerheiligste der Demokratie gelegt. Doch das stört offenkundig die linke Mehrheit im Potsdamer Landtag nicht: SPD, Grüne und SED-Fortsetzer haben dem Gesetzesentwurf zu einer Mehrheit verholfen.

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Die SPD-Abgeordnete Klara Geywitz fand im Potsdamer Landtag passende Worte: „Wir machen etwas Unerhörtes.“ Das stimmt wohl, aber vielleicht anders, als Frau Geywitz sich das vorstellt. Sie gehört zu denen, die – vielleicht unabsichtlich, vielleicht mangels Wissen – die Demokratie im Lande einschränken wollen. Ihr unmittelbarer Grund ist dabei eigentlich nicht zu beanstanden: „Wir wollen, dass der Anteil der Frauen im Parlament dem Anteil der Frauen in der Bevölkerung entspricht.“ Wer wollte das nicht? Das Problem liegt im Bereich des Prinzipiellen, im eingeschlagenen Weg dorthin. Mit Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit müsste es gelingen, dieses Ziel der Gleichheit zu erreichen. Mit einer gesetzlichen Einschränkung des allgemeinen Wahlrechts, und sei sie noch so klein, darf nicht experimentiert werden. Einer Wahl, die mit Einschränkungen der Freiheit durchgeführt wird, und seien diese noch so klein, ist von vornherein die demokratische Legitimation entzogen.
Erfolgte ein Aufschrei der Opposition?

Nein, nicht wirklich. Die CDU lehnt als größte Oppositionsfraktion diese Gesetz ab, gewiss, vorsichtig äußerten ihre Redner zudem „verfassungsrechtliche Bedenken“. Treuherzig versicherte die christdemokratische Abgeordnete Kristy Augustin, sie sei auch für Parität, und richtig stellte sie fest, diese könne durch gesetzlich verankerte Reissverschlussverfahren nicht erreicht werden. Doch dann – folgte ein windelweiches Appeasement: Die Christdemokraten schlugen allen Ernstes vor, die Regelung prinzipiell passieren zu lassen und in einem neuen Antrag die Änderung aufzunehmen, dass es auf eine Soll-Vorschrift statt einer verbindlichen gesetzlichen Regelung hinauslaufe. Weichgespülter CDU O-Ton: Bei der Aufstellung von Listen „sollen nach Möglichkeit Frauen und Männer gleichermaßen berücksichtigt werden.“ Gelächter und Ablehnung bei Mehrheit aus Rot und Grün und Wendehals-Kommunisten.

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Die Vorschläge, die zaghafte Kritik der CDU in Brandenburg kommt faktisch einer Kapitulation gleich. Denn wer könnte gegen Frauenrechte sein? Die Chance, auf den prinzipiellen Bruch des freien Wahlrechts hinzuweisen: vertan. Ob es politisches Kalkül war, aus den Reihen der vereinigten Linksdreher und -extremisten einzelne Stimmen herauszubrechen? Falls dem so war, ist das Experiment kläglich gescheitert.

Wenig einfallsreich, wenn auch näher am Gefühl des Bürgerlichen, waren die Äußerungen der AfD-Abgeordneten Birgit Bessin: „Nach dem Gender-Wahnsinn folgt der Quoten-Wahnsinn.“ Immerhin konfrontierte Bessin die SPD, die SED-Linke und die Grünen damit, dass sie sich mit diesem Gesetz über die eigene Verfassung hinwegsetzen. Immerhin zitierte sie ein Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes im Brandenburger Landtag, nach dem eine gesetzliche Quote für Bewerberlisten zu Wahlen nicht mit der Landesverfassung vereinbar ist. Das war etwas mehr Substanz als bei der Union, aber natürlich verpuffte angesichts der Mehrheiten auch diese Attacke.

Angriff auf die Demokratie: 1946 lässt grüßen

Freie, gleiche und geheime Wahlen, das ist das Kernstück der Demokratie. Und weil in dieser Freiheit der Wahlen kein spezifisches Merkmal eine Rolle spielen darf, sondern nur die politische Aussage, wird mit dem neuen Gesetz in Brandenburg zunächst einmal das abgeschafft, was im Herbst 1989 errungen wurde. Denn mit der Freiheit ist es wie mit dem Wasser: ein Tropfen Gift verdirbt alles. Damit ist, wenn kein Verfassungsgericht eingreift, Brandenburg ab sofort eine „gelenkte Demokratie“. Ein Bürger twittert denn auch sehr hellsichtig: „Als Brandenburger werde ich genau hinsehen, wer sich an der Zerstörung der Errungenschaft von 1989 beteiligt. 29 Jahre nach dem Ende der DDR schränkt Brandenburg das Wahlrecht wieder ein.“

Ein Blick sollte auch der alten Strategie des Wladimir Iljitsch Uljanow gelten, die zur Zerstörung der Demokratie gedacht war. Dieser Mann, der unter seinem Kampfnamen „Lenin“ heute noch das Idol der als „Die Linke“ getarnten SED sein könnte, man weiß es ja nicht – dieser Lenin also sah zur Zerstörung der Demokratie vor, dass sich die Leninisten Verbündete zu einzelnen Themen suchen, mit denen demokratische Grundregeln ausgehebelt werden können. Sind die Demokraten saumselig, weltfern oder selbstvergessen, wird es gelingen, die Demokratie von ihren Rändern her aufzulösen.

Dazu sind scheinbar kleine Themen durchaus geeignet. Die SED-Funktionärin Angela Marquardt zum Beispiel, die sich schriftlich bei der Stasi verpflichtet hatte, betätigte sich bald nach der Wende eifrig im „Komitee für Gerechtigkeit“, einer kommunistischen Vorfeldorganisation nach Lenins Lehrsätzen. Später stieg sie, vom Stasi-Kollegen Gregor Gysi nachdrücklich gefördert, in den PDS-Bundesvorstand auf. Für die SED-Fortsetzer war die im Bundestag, nach wie vor wird sie in der Wikipedia als Mitglied der linksextremistischen Organisation „Rote Hilfe“ gelistet. Und bei alledem ist sie seit 2006 als „Mitarbeiterin“ im Bundestagsbüro der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles tätig. Eine „rot-rote Bürogemeinschaft“ nannte der Fokus das.

Die Grundsätzlichkeit der Frage

Und nun also die Aushebelung der unbedingten Freiheit der Wahl über einen Hebel, der nicht auf den ersten Blick gar nicht relevant zu sein scheint. Es ist doch wohl wichtigstes, Gerechtigkeit zwischen Männern und Frauen herzustellen? Auch wenn dabei die Wahlfreiheit etwas eingeschränkt wird? Die Frage ist rhetorisch, und die Antwort kann nur „Nein“ sein. Denn natürlich sind Mann und Frau gleich viel wert, und natürlich steht eine Person, die als „divers“ zu bezeichnen ist, dem in nichts nach. Aber darum geht es nicht. Aus prinzipiellen Erwägungen darf vielmehr gar kein spezifisches Merkmal eines Menschen einen Einfluss darauf haben, ob er oder sie oder es auf eine Wahlliste kommt oder nicht. Wird dagegen verstoßen, ist das Wahlrecht nicht mehr intakt.

Für diejenigen Menschen, die das nicht gleich verstehen, und es soll davon eine ganze Menge geben, sei es gesagt: Wenn ab jetzt ausschließlich das Geschlecht einer Bewerberin dieser dazu verhilft, dass sie zu einer Wahl aufgestellt wird, kann das morgen zum Beispiel ihr Wohnort sein – und übermorgen ihre politische Gesinnung. Nach der aktuellen Entscheidung aus Potsdam ist damit das vornehmste Recht der Demokratie in Brandenburg beschädigt, Lenin lässt grüßen. Und so hält über Brandenburg die „Einheit der Arbeiterklasse“ klandestin wieder Einzug in Deutschland – aber anders als 1946 erfolgt sie diesmal freiwillig. In der „rot-roten Bürogemeinschaft“ der SPD-Vorsitzenden im Bundestag wird die Freude möglicherweise sogar ganz offensichtlich sein. Und worum ging es gleich?

Es wäre Honeckers posthumer Triumph

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Die Benachteiligten der Weltgeschichte, den Frauen also, sollen der freiwillig vereinte Arbeiterklasse in Brandenburg nun also als Vehikel dienen. Die großteils in der kommunistischen Szene wurzelnde Partei der Grünen, die mit dem alten „Bündnis 90“ wahrlich nichts mehr zu tun hat, ist natürlich ganz vorne mit dabei, wenn es etwas zu gendern und zu reglementieren gibt. Dass er auf diese Weise zu einem posthumen Triumph kommen würde, hätte sich Genosse Honecker zu Lebzeiten kaum träumen lassen.

Das Gesetz birgt indessen eine neue, große Ungerechtigkeit: Es legt die paritätisch zu wählenden Abgeordnetinnen auf das männliche oder weibliche Geschlecht fest. Die diversen Diversinnen (oder doch Diversen?) haben zwar garantiert gegenderte Toiletten, demnächst jedenfalls, aber keine garantierten Sessel im Landtag des schönen, neuen Genderlandes Brandenburg. Denn wer darf entscheiden, wer Mann oder Frau oder eine „diverse“ Person ist? Gut, beim Toilettengang ist das klar – da wählt ein Mensch seine Tür und tut, wozu die Not ihn oder sie oder „es“ zwingt. Wie aber wollen SPD, Grüne und Linke diese „Gerechtigkeit“ auf dem Wahlzettel abbilden? Wann wird der erste „diverse“ gegen das neue Gesetz klagen?

Die Opposition in Brandenburg hatte wenig anzubieten, um die Gender-Beschädigung des Wahlrechts abzuwenden. Nun wird ein Verfassungsgericht die Reisleine ziehen müssen, damit nicht 29 Jahre nach der friedlichen Revolution das Recht auf freie und geheime Wahlen durch die Altkommunisten im von Lenin propagierten Verbund mit anderen linken Parteien eingeschränkt wird.