Tichys Einblick
Philipp Nimmermann

Ein „Durchdenker“ fürs Wirtschaftsministerium: Habeck bekommt eine neue Führung

Der Nachfolger des geschassten Staatssekretärs Graichen steht fest: Philipp Nimmermann, bislang Staatssekretär in Wiesbaden. Bei den Angelegenheiten des anderen Staatssekretärs Udo Philipp bleibt Habecks Ministerium seiner Transparenzlinie treu: Verschweigen, Verharmlosen, Vertuschen.

Philipp Nimmermann ist noch Staatssekretär im Wirtschaftsministerium von Hessen, demnächst im Bundeswirtschaftsministerium

IMAGO / Chris Emil Janßen

Tarek Al-Wazir, der in Hessen Wirtschaftsminister ist, aber im Herbst sehr gern der erste grüne Ministerpräsident Hessens werden möchte, dürfte sich angesichts Habecks Performance und einer Krisenkommunikation, die im wahrsten Sinne des Wortes eine Krisenkommunikation ist, nämlichen eine Kommunikation, die eben die Krise vertieft, anstatt sie zu bewältigen, die Haare gerauft und seine Felle in Hessen schwimmen gesehen haben. So dürfte es auch in den letzten Wochen manch anderen Grünen ergangen sein. Jedenfalls hat nun die Partei, nachdem Robert Habeck sich dazu als unfähig erwies, die Reißleine gezogen und einen neuen Staatsekretär für den strauchelnden Minister besorgt. 

Es dürfte jedenfalls kein Zufall sein, dass der Nachfolger für Patrick Graichen aus dem Umfeld des hessischen Wirtschaftsministers Tarek Al-Wazir stammt. Al-Wazir schickt nach Informationen der Süddeutschen Zeitung seinen Staatssekretär Philipp Nimmermann nach Berlin, wahrscheinlich auch, um in Habecks Ministerium aufzuräumen. Habeck selbst hat das bereits bestätigt und kommentiert: Nimmermann werde die Verfahren im Ministerium „neu durchdenken“, unterschiedliche Perspektiven einbinden sowie „die Energiewende, die Wärmewende und die Transformation voranbringen“, so Habeck.

Nimmermann, promovierter Ökonom, Finanz- und Verwaltungsfachmann, erfahren im Umgang mit Apparaten und im geräuschlosen Regieren, wechselte 2014 von der Frankfurter Privatbank BHF in das Finanzministerium von Schleswig-Holstein. Dort lernten sich Habeck und Nimmermann kennen. Im Jahr 2019 ging allerdings Nimmermann nach Hessen zu Tarik Al-Wazir.

Nimmermann, steht zu vermuten, dürfte wohl nicht nur den Bereich von Patrick Graichen übernehmen, sondern vor allem die Chaosmonate im BMWK beenden sollen. Denn der überforderte Robert Habeck braucht dringend Führung.  

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TE hatte bereits in der vorigen Woche und noch einmal am Wochenende darüber berichtet, dass Habecks Staatsekretär Udo Philipp an vier Firmen beteiligt ist. Das Bundeswirtschaftsministerium hat heute Morgen, verspätet und erst nach der Berichterstattung durch TE auf die diesbezügliche Presseanfrage geantwortet: „Es ist im BMWK durch interne Regelungen Vorsorge getroffen, dass Udo Philipp – sollte es Berührungspunkte zwischen dem BMWK und den Unternehmen geben –keine Entscheidungen trifft, von denen spezifisch diese Unternehmen finanziell profitieren könnten. Das heißt konkret, dass im Büro von Herrn Philipp sichergestellt ist, dass Herrn Philipp keine Entscheidungen vorgelegt werden würden, die diese Unternehmen betreffen.“ 

Ist es wirklich so einfach? Haben nicht weiterführende, strategische Politikentscheidungen durchaus Einfluss auf die Rentabilität der entsprechenden Firmen?

Bei einer der vier Firmen, der Africa GreenTec AG, die auch in der Amtszeit des Staatsekretärs vom BMWK gefördert wird, bestehen bspw. Berührungspunkte zur Nordafrika-Strategie des Habeck-Ministeriums. Konkret geht es darum, dass Robert Habeck über die Veränderung der Förderrichtlinien der KfW ein Projekt des Bundeskanzlers zur Sicherung des deutschen LNG-Bedarfes zu torpedieren gedenkt, um stattdessen grüne Projekte im Rahmen seiner Wasserstoff-Utopie in Nordafrika zu fördern, die in einem Gutachten des Wuppertal Institutes skizziert worden sind.  

Die Africa GreenTec AG ist in der Sahelzone tätig. Zwar berühren die konkurrierenden Projekte des Bundeskanzlers und seines Wirtschaftsministers sich nicht unmittelbar mit den Projekten der Africa GreenTec AG, die sich mit dem Aufbau einer dezentralen Energieversorgung beschäftigt, dennoch wirkt sich die Entscheidung, ob sich Deutschland über die KfW bei der Erschließung von Erdgasfeldern vor der Küste des Senegals und Mauretanien beteiligt, auch auf die Aktivitäten der Africa GreenTec AG aus, da der Senegal mit dem Gas-Projekt Pläne zur Industrialisierung und Elektrifizierung verbindet. 

Ob der Finanzexperte Philipp an der Veränderung der Förderrichtlinien für die KfW beteiligt ist, konnte zur Stunde noch nicht geklärt werden. Das Bundeswirtschaftsministerium ist angefragt.

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Ordentlich scheint indes Habecks Abteilungsleiter Christian Maaß gehandelt zu haben. Sehr verspätet allerdings erhielt TE vom BMWK die Auskunft: „Christian Maaß hat im Jahr 2019 seine (über seine private Verwaltungs GmbH gehaltenen, vormals firmierend unter Christian Maaß Consult GmbH, jetzt umfirmiert in CMLS Verwaltungsgesellschaft mbH) Anteile an der HIC Hamburg Institut Consulting an die Averdung Ingenieure und Berater GmbH verkauft. Im Gegenzug hat Herr Maaß damals eine Minderheitsbeteiligung an diesem Unternehmen erworben. Anlässlich seiner Berufung ins BMWK hat er die Unternehmensanteile an der Averdung Ingenieure und Berater GmbH Anfang Januar 2022 auf eigene Initiative verkauft. Christian Maaß ist damit seit Anfang Januar 2022 und somit seit Amtsantritt im BMWK weder Geschäftsführer noch Gesellschafter der HIC Hamburg Institut Consulting GmbH oder von deren Tochterunternehmen Hamburg Institut Research gGmbH, noch ist Herr Maaß unmittelbar oder mittelbar am Hamburg Institut beteiligt.“ Das soll gern an dieser Stelle entgegen anders lautenden Pressemitteilungen festgehalten werden. Die Umfirmierung der Christian Maaß Consult GmbH in CMLS Verwaltungsgesellschaft mbH erfolgte übrigens am 21. März 2023.

Zu Staatsekretär Udo Philipp erklärt das BMWK auf Anfrage von TE weiter: „Aufgrund seiner früheren Tätigkeit bei EQT ist Staatssekretär Philipp bei mehreren Private Equity sowie Venture Capital Fonds ohne die üblichen Mindestanlagegrößen für institutionelle Investoren investiert. Damit ist – analog zu den Regeln eines Vermögensverwaltungsmandats – keinerlei Einfluss auf die Anlagestrategie der Fonds verbunden. Das bedeutet, dass Staatssekretär Philipp weder über den Erwerb und die Veräußerung von Anlagen entscheidet, noch wann diese Anlagen wieder veräußert werden, noch kann Einfluss auf die Geschäftspolitik der Unternehmen ausgeübt werden.“ 

Zwar hat der Investor Udo Philipp in der Tat keinen Einfluss auf die „Anlagestrategie der Fonds“, doch der Staatssekretär Udo Phillip hat zumindest mittelbar durch strategische oder Personalentscheidungen Einfluss auf die Performance der Fonds. So kam am Wochenende heraus, dass Staatssekretär Udo Philipp die Berufung eines Mitglieds des Beirats „Junge Digitale Wirtschaft“ mitzuverantworten hat, der den Fonds First Momentum Ventures mitbegründet hat. Udo Philipp ist am Fonds First Momentum Ventures beteiligt, der Start ups mit Wagniskapital unterstützt. Sowohl die Digitalwirtschaft, als auch die Start ups gehören zum Verantwortungsbereich des Staatsekretärs Philipp. Das Ministerium erklärte auf Anfrage von Business Insider: „Wie üblich war daran der zuständige Dienstweg beteiligt, zu dem unter anderem Staatssekretär Philipp gehört.“

Unter Mitwirkung von Udo Philipp wurde einer der Gründer des Fonds, Sebastian Böhmer, in den Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“ berufen. Da der Beirat den Bundeswirtschaftsminister berät, besitzt er mithin mittelbar einen gewissen Einfluss auf Entscheidungen des BMWK, die dann auch Firmen der Mitglieder des Beirates betreffen könnten, die sich dann womöglich auch direkt auf die Performance des Portfolios des zuständigen Staatssekretärs Udo Philipp auswirken. 

Es wird eng für Habeck. Fast überall, wo man hinschaut, laufen die Dinge nicht so, wie sie eigentlich laufen sollten, haben enge Mitarbeiter Habecks eine sehr eigentümliche Auffassung über die Valeurs und Non Valeurs, darüber, was man tut und was nicht. 

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Eng wird es für Robert Habeck auch, weil es um ihn eigenartig still wird. Natürlich heben pflichtschuldig die Parteivorsitzenden der Grünen und die Fraktionsvorsitzenden zur Verteidigung ihres Ministers an. Der Alt-Grüne Jürgen Trittin greift in seiner Verzweiflung zu kruden Verschwörungstheorien: Es werde versucht, Habeck „sturmreif zu schießen“, sagte Trittin am Montag den Sendern RTL und ntv. Er behauptet eine „Kampagne“ gegen das Wirtschaftsministerium, die „ausgerechnet aus der Ecke“ komme, die in den letzten Jahren durch das Ministerium „für Milliarden Steuergelder vorm Konkurs gerettet“ worden sei. Natürlich bemühen sich Politiker der SPD um Schadensbegrenzung für die Koalition, doch weder vom Kanzler vernimmt man ein Wort in der Causa Habeck, noch von der Außenministerin Annalena Baerbock. Man versucht, Distanz oder besser Quarantäne zu wahren. Man möchte von dem möglichen Fall des Vizekanzlers nicht mitgerissen werden. Wahrscheinlich, weil niemand weiß, was noch rauskommt, oder weil man weiß, was noch rauskommen könnte. 

Stattdessen schaut man sich aus der Entfernung an, ob es dem Bundeswirtschaftsminister gelingt, sich von seiner grünen Vetternwirtschaft zu befreien oder ob sie ihn mit in den Abgrund zieht. 

Philipp Nimmermann erwartet in Berlin viel Arbeit. 

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