Tichys Einblick
Erste Zulassung eines mRNA-Impfstoffs

Biontech-Impfstoff erhält Zulassung im Vereinigten Königreich

Als erstes Land der Welt erteilt das Vereinigte Königreich dem mRNA-Impfstoff von Pfizer und Biontech eine Notzulassung. Dieser soll ab nächster Woche für erste Patienen verfügbar sein.

imago images / Political-Moments

Als erstes Land der Welt erteilt das Vereinigte Königreich dem Corona-Impfstoff der Firmen Biontech und Pfizzer eine temporäre Notzulassung. Es ist erst der zweite Corona-Impfstoff der Welt, der zugelassen wird und der erste mRNA-Impfstoff überhaupt. Einzig der russische Impfstoff Sputnik V ist in einigen Ländern schon länger zugelassen.

Die britische Regierung rechnet damit, dass der Impfstoff ab nächster Woche verfügbar sein wird, so ein Regierungsprecher: „Die Regierung hat heute die Empfehlung der unabhängigen Arzneimittelbehörde MHRA (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency) angenommen, den COVID-19-Impfstoff von Pfizer-BioNTech zur Verwendung zuzulassen.“

Premierminister Boris Johnson bezeichnete die Entwicklungen als „fantastisch“ denn er würde es den Bürgern ermöglichen „unser Leben zurückzufordern und die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.“

Es handelt sich um einen mRNA-Impfstoff

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Der Impfstoff von Biontech ist ein sogenannter mRNA-Impfstoff. Dabei wird nicht wie bei herkömmlichen Impfungen ein Virus oder Virus-Fragment gespritzt, das im Körper des Patienten eine Immunreaktion auslöst. Stattdessen wird sogenannte Boten-RNS (englisch: messenger-RNA) verabreicht. Diese mRNA löst dann in den körpereigenen Zellen die Produktion von Proteinen aus, die auch im Corona-Virus vorkommen. Das hat den Vorteil, dass größere Mengen Impfstoff schneller produziert werden können als nach konventionellen Methoden. Außerdem wird mit einer besseren Verträglichkeit der Impfstoffe gerechnet. Kritiker äußern die Bedenken, dass solche Viren das Erbgut in den Zellen der Patienten verändern oder zu schwerwiegenden Impfschäden führen könnten.

In der Sendung „Hart aber Fair“ am 30. November wurde Professor Doktor Eva Hummers, Mitglied der Ständigen Impfkommission, mit solcher Kritik an mRNA-Impfstoffen konfrontiert. Sie räumte ein, dass es unter bestimmten Umständen möglich ist, dass durch die Impfung Zellen geschädigt werden. Sie sieht aber keine Gefahr von Impfschäden durch die bekannten mRNA-Impfstoffe, in Anbetracht der schnellen Entwicklung und Neuartigkeit der Impfstoffe müsse aber „mit größeren Unsicherheiten als sonst“ gerechnet werden.

Im MDR äußerten sich verschiedene Wissenschaftler dahingehend, dass eine Veränderung des Erbguts durch die Impfung unmöglich ist. Ein Genetiker erwähnte jedoch eine seiner Meinung nach sehr unwahrscheinliche Möglichkeit, dass Teile der mRNA des Impfstoffs in das Erbgut einer Zelle integriert werden. Doch wenn eine Zelle mutiert, was im menschlichen Körper täglich unzählige Male vorkommt, führt das nicht zu einer Mutation des ganzen Patienten oder gar einer Vererbung des veränderten Erbguts. Die veränderte Zelle würde dann vom Immunsystem schnell eliminiert werden, wie es auch mit anderen mutierten Zellen passiert.

Der Biontech-Impfstoff wurde bisher an mehr als 40.000 Testpersonen erprobt. 41 Prozent von ihnen waren laut Firmenangaben im Alter zwischen 56 und 85 Jahren. Wie sich der Impfstoff (zumindest kurzfristig) auf ältere Patienten auswirkt, ist also vergleichsweise gut dokumentiert. Wie das Katarer Medium Aljazeera berichtet, waren jedoch die wenigsten der Studienteilnehmer Kinder und keines jünger als 12 Jahre alt. Schwangere Frauen haben an der Studie nicht teilgenommen.
Es ist auch noch nicht ausreichend geklärt, ob der Impfstoff eine symptomlose Übertragung des Virus verhindert oder nur vor schweren Krankheitsverläufen schützt.

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Pfizer und Biontech hatten angekündigt, bis Ende des Jahres 50 Millionen Impfdosen zur Verfügung stellen zu können – weltweit. Da jeder Patient zweimal geimpft werden muss, würde dies also reichen, um 25 Millionen Menschen zu impfen. Das Vereinigte Königreich hat 40 Millionen Dosen des Impfstoffs vorbestellt, diese sollen aber bis Ende 2021 ausgeliefert werden. Wie viele der 50 Millionen in diesem Jahr produzierbaren Impfdosen schlussendlich an die Briten gehen, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Bis Ende 2021 verspricht Pfizer 1,3 Miliarden Impfdosen bereitstellen zu können.
Die Impfstrategie

Die Financial Times berichtet, dass die britische Regierung eine dreistufige Strategie zur Impfung vorsieht. Zum einen sollen Hausärzte und Allgemeinmediziner die 17 Millionen Risikopatienten impfen, die bei ihnen auch die jährliche Grippeimpfung erhalten. Zum anderen sollen Krankenhäuser ihre Mitarbeiter und Patienten selbst impfen. Im dritten Schritt wird dann die allgemeine Bevölkerung über Impfzentren und Feldhospitäler, wie sie schon zur Versorgung der Corona-Patienten bestehen, geimpft werden.

Kritiker der Strategie sehen vor allem logistische Probleme bei Hausärzten und Altenpflegeheimen. Denn der Biontech/Pfizer-Impfstoff muss bei -70 Grad gelagert werden, eine solche Ultrakaltlagerung können nur spezialisierte Kühlschränke erreichen. Ein Transport soll dann auf Trockeneis gelagert zu den Ärzten erfolgen, die den Impfstoff innerhalb weniger Tage verimpfen müssen. Tage, an denen der Impfstoff aufgrund der zu warmen Lagerung schon an Effektivität verliert. Die Hoffnung ruht hier auf dem Impfstoff, den das Unternehmen AstraZeneca und die Universität Oxford zusammen entwickeln. Dabei handelt es sich um einen Vektor-Impfstoff, der aber bei Temperaturen von zwei bis acht Grad – also Kühlschranktemperaturen – gelagert werden kann. Vektorimpfstoffe sind ungefährliche Viren, die genetisch modifiziert wurden, um bestimmte Eigenschaften anderer Viren – hier des Corona-Virus – anzunehmen und so eine ähnliche Immunreaktion auslösen. Das Problem dabei ist, dass die britische Regierung diesen Impfstoff in größeren Mengen vorbestellt hat als alle anderen, er aber nur eine 62-Prozentige Schutzwahrscheinlichkeit verspricht, anders als die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna, die bis zu 95 Prozent effizient sein sollen.

Bisher sind die Impfstoffe von AstraZeneca und Moderna aber noch nicht zugelassen, eine Entscheidung zur Notzulassung wird aber in den nächsten Tagen erwartet. Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA will am 10. Dezember über eine Zulassung des Biontech-Impfstoff beraten, die europäische Behörde EMA will bis zum 29. Dezember über eine Zulassung entscheiden.

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