Tichys Einblick

Berlins Innensenator Geisel weicht TE-Anfrage zu Stasi-Tätigkeit aus

Der SPD-Politiker mit SED-Vergangenheit will nicht sagen, ob er früher Kontakt zum MfS hatte. Er stellt stattdessen fest, bei ihm sei nichts gefunden worden.

imago images / Christian Ditsch

Berlins Innensenator Andreas Geisel genießt Bekanntheit über Berlin hinaus, nachdem er versucht hatte, die Corona-Demonstration vom 29. August zu verbieten, und damit vor zwei Gerichten gescheitert war. Geisel hatte verkündet, jeder, der an dem Tag in Berlin demonstriere, sei ein Gegner der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“.

Vor seinem Eintritt in die Berliner SPD 1990 war Geisel vier Jahre lang Mitglied der SED. Nach eigenen Angaben trat er im Sommer 1989 aus. In seinem Lebenslauf gibt es eine DDR-untypische Lücke: Er leistete keinen Wehrdienst in der „Nationalen Volksarmee“, sondern erlernte laut offizieller Biografie unmittelbar nach der Schule den Beruf des Fernmeldetechnikers, um dann ein Studium an der Dresdner Hochschule für Verkehr „Friedrich List“ aufzunehmen. TE fragte Geisel am Freitag vergangener Woche, ob er zu irgendeinem Zeitpunkt Kontakt mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR hatte. Am 3. September beantwortete Geisels Sprecher Martin Pallgen die Frage zwar nicht, schickte aber einen Link zu einem Artikel der BZ aus dem Jahr 2017: „Mit Blick auf Ihre Fragen verweise ich auf einen Artikel aus dem Jahr 2017.“

In diesem Artikel vom März 2017 heißt es, die Überprüfung von Senatoren und Staatssekretären in Berlin auf MfS-Tätigkeit sei „abgeschlossen“, es seien keine Hinweise gefunden worden. Mit anderen Worten: Geisel beantwortet die Frage von TE nach eventuellen Kontakten zur Staatssicherheit mit dem Hinweis, bei ihm sei damals nichts gefunden worden. Sollte es keine Kontakte gegeben haben, hätte ein einfaches „Nein“ genügt.

Da ständig neue MfS-Akten erschlossen werden, beziehen sich die Mitteilungen der Stasi-Unterlagenbehörde auf Überprüfungsanträge grundsätzlich auf den jeweils aktuellen Stand. In einer Anfrage des FDP-Abgeordneten Marcel Luthe musste der Senat 2020 einräumen, dass es seit 2017 keine weitere Überprüfung gegeben hatte – auch nicht für neu dazugekommene Senatoren und Staatssekretäre – obwohl ein Beschluss des Abgeordnetenhauses von 2017 genau das verlangt.

Ein Regierungsmitglied – Baustaatssekretär Andrej Holm – musste Anfang 2017 wegen seiner MfS-Tätigkeit zurücktreten. Laut einer weiteren Anfrage von Luthe vom August 2020 gibt es ein – namentlich nicht genanntes – Regierungsmitglied in Berlin, das noch nicht auf MfS-Mitarbeit überprüft wurde.

Diese Nachsicht ist für den FDP-Politiker unverständlich: „Kein Senat seit 1989 hat derart stramm sozialistisch agiert wie der aktuelle. Und ausgerechnet in diesem Senat, in dem bekanntlich bereits Stasi-Täter enttarnt wurden, der offen mit den Tätern zusammenarbeitet, nimmt man die vom Parlament beschlossenen Prüfungen nicht vor.“

Geisels seltsame Nicht-Antwort kommentiert Luthe:
„Sicher hat Herr Geisel sich nichts vorzuwerfen. Demnach wäre es ihm doch ein Leichtes, einer neutralen, fachkundigen Forschungsstelle wie dem Stasimuseum seine Zustimmung vor Akteneinsicht zu erteilen und so jeden Zweifel auszuräumen. Warum macht er das nicht einfach?“

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