Tichys Einblick
,anarcha-queer-feministisches Hausprojekt‘

Berliner Politik verhöhnt verängstigte Anwohner

Berliner Politik-Irrsinn im Wortlaut: „Es handelt sich in der Tat um ein ,anarcha-queer-feministisches Hausprojekt‘, wo im Binnenverhältnis, als Kollektiv ohne patriarchale bzw. diskriminierende Strukturen zusammengelebt werden kann. Hiervon möchten wir nichts zurücknehmen.“

imago images / Winfried Rothermel

Wieder nur über ein weiteres rot-rot-grünes Berliner Regierungsversagen zu berichten, wäre fast der Mühe nicht wert. Aber dieser neuerliche Vorfall darf exemplarisch gelten für einen generellen Zerfall der Beziehung der Bürger zu ihren Regierungen.

Wieder Berlin, wieder ein Irrsinn wie aus einem dystopischen Science-Fiction-Roman über ein Leben in einem Land, dessen Sicherheitsarchitektur gerade im Begriff ist, einzustürzen. Konkret geht es um Wut und Verzweiflung von Berlinern, die einfach nur in Ruhe leben und wohnen wollen, die ihren Teil zur Gemeinschaft beitragen, denen aber der Schutz vor Übergriffen aus der Nachbarschaft von einem Berliner rot-rot-grünen Senat bzw. ihren Bezirkspolitikern versagt bleibt.

Die Berliner Zeitung (BZ) kann hier kaum noch an sich halten vor Empörung: Anwohner aus Neubauten zwischen Rigaer Straße 22 und Liebigstraße 1 in Berlin-Kreuzberg hatten sich verzweifelt an ihre Bezirkspolitiker gewandt und bekamen – so die BZ – einfach nur eine „freche Antwort“.

Die verängstigten Anwohner hatten nämlich den Fehler begangen, in Neubauten zu ziehen, eingeklemmt zwischen so genannten alternativen Wohnprojekten und besetzten Häusern. Mit dem Einzug begann die Schikane von der Beschimpfung als Yuppi-Abschaum bis hin zu Steinwürfen und dem offen geäußerten Wunsch an die Bewohner, sie mögen doch Corona bekommen. Dafür verantwortlich ist u.a. ein linksalternatives „Kollektiv Liebig34“.

Die auf den Hilferuf antwortenden linken und grünen Bezirkspolitiker präzisieren in ihrem Antwortschreiben, um wen es hier geht:

„Es handelt sich in der Tat um ein ,anarcha-queer-feministisches Hausprojekt‘, wo im Binnenverhältnis ,als Kollektiv ohne patriarchale bzw. diskriminierende Strukturen zusammengelebt werden kann’. Hiervon möchten wir nichts zurücknehmen.“

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Was anders soll man da herauslesen als die Arroganz eines politischen Klientelismus. Was Einkommen, gediegenen Wohnraum und persönlichen Anspruch angeht, sind diese Politiker zwar längst im bürgerlichen Lager angekommen, aber diese natürlichste aller Metamorphosen will einfach nicht abschließend gelingen, der konservative Berliner Senats- und Kreuzberger Bezirkschmetterling verklemmt flügelfeucht in seinem linksradikalen Kokon.

Zu sehnsüchtig verfängt man sich hier in der Erinnerung an die eigene Jugend, als man einmal einen Bekannten hatte, der ein Haus besetzt hatte, der gutes Gras zum Rauchen hatte, der so wild singen konnte in dieser Straßenpunkkapelle. Und von dieser Erinnerung ist man auch vierzig Jahre später anhaltend beseelt, während die eigenen längst erwachsenen Kinder bestenfalls in Privatschulen mit geringem Migrantenanteil geschickt wurden. Reduziert de facto durch Elterninitiativen, die eben nicht so attraktiv sind für viele der konservativen und familienorientierten muslimischen Zuwandererfamilien. Ein beliebter linksgrüner Trick der sanften Ausgrenzung von Ausländern aus dem eigenen Umfeld – aber auch wieder nur ein anderes Thema.

Zurück zum Hilferuf der verängstigten Anwohner. Die Bezirkspolitiker mit ihrer Vorstellung von einer anarcha-queer-feministischen Idylle betonen verstimmt gegenüber den biederen Quertreibern gegen diese neue bunte Welt, wie wichtig Hausbesetzer für das Gesicht von Friedrichshain-Kreuzberg seien als „Teil unserer Identität, unabhängig davon, ob wir uns nun mit den dort geführten Diskursen identifizieren können oder nicht.“

Aber es kommt noch besser: Da, wo auch die linksgrünmiefige Traumwelt dieser Bezirkspolitiker an ihre Grenzen stößt und auch sie diese massiven Belästigungen nicht mehr wegquasseln können, schieben sie die Schuld einfach Gästen dieses anarcha-queer-feministischen Hausprojekts in die rosa angesprühten Springerstiefel: Die Anfeindungen gingen weniger von den Bewohnern der besetzten Häuser aus, sondern viel mehr von radikalen Unterstützern der Szene.

Jetzt raten Sie bitte einmal, was daraus die Schlussfolgerung im Antwortschreiben ist: „Eine Räumung oder ein Auszug des Kollektivs der Liebig34 würde daran unserer Einschätzung nach nichts ändern. Wahrscheinlich, eher im Gegenteil, als Vorwand oder Rechtfertigung für eine weitere Eskalation dienen.“

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Die Berliner Zeitung weiß um einen weiteren Hintergrund dieser Frechheit auf der Metaebene: Die Politiker von Linksfraktion und Grünen hatten eine Resolution eingebracht. Darin sprachen sie sich gegen eine zuvor gerichtlich beschlossene Räumung des alternativen Wohnprojekts Liebigstraße 34 aus. Den anschließenden Hilferuf der Anwohner mussten sie daher abbügeln, weil sie letztlich für die Zustände selbst verantwortlich sind.

Dabei gibt es sicher auch individuelle Gründe, der Hausbesetzerszene der alten Bundesrepublik und der von Berlin-West beginnend in den 1970er Jahren argumentativ Raum zu geben in der historischen Betrachtung. Aber 2020 hier nostalgische Gefühle zu bekommen bis hin zur Ausgrenzung von Bürgern, die auf ihr Recht auf Unversehrtheit und ein Leben in Freiheit bestehen, diese zu verhöhnen, ist nicht nur unreif, sondern spiegelt einmal mehr die real existierenden Verhältnisse im Land. Solche, die immer mehr Bürger erreichen, so sehr sie sich auch in ihren eigenen Wänden neben vollen Kühlschränken vor ihren Netflix-Übertragungsgeräten verstecken mögen – der ideologische Irrsinn der anderen kommt näher und macht auch vor privatem Wohnraum nicht mehr Halt. In Sicherheit wiegen sollte sich hier niemand.

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