Tichys Einblick
New Normal

„Bekennerschreiben“

Gibt es bald "Untergrenzen" der Zahl von Toten, Schwerverletzen und Leichtverletzten, von denen abhängt, ob, wie prominent und in welcher Tonlage über Gewaltschläge berichtet wird und unterschiedlich, je nach dem, wer sie anordnet und durchführt?

© Patrik Stollarz/AFP/Getty Images

Nun gibt es zwei „Bekennerschreiben“ – den Ausdruck finde ich jedes mal schlimm. Wozu sich heute alles „bekannt“ wird, zur „gesunden“ Ernährung, zu irgendeiner politischen Partei oder Religion und zu „Europa“, womit allerdings nur die EU gemeint ist. Nun also zwei „Bekennerschreiben“ zum Anschlag auf den Mannschaftsbus des BVB Dortmund.

Ein „Bekenntnis“ beginnt nach Medienberichten mit „Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen“. Ab sofort stünden Sportler und andere Prominente „in Deutschland und anderen Kreuzfahrer-Nationen“ auf einer „Todesliste des Islamischen Staates“. Die Drohung gegen Prominente gelten, bis es keine deutschen Militärflugzeuge in Syrien mehr gibt und die US-Luftwaffenbasis in Ramstein geschlossen wurde.

Die Welt zitiert aus dem „Bekennerschreiben“, an die Kanzlerin als Unterstützerin der Anti-IS-Koalition gerichtet: „Aber anscheinend scherst du dich Merkel nicht um deinen kleinen dreckigen Untertanen. Deine Tornados fliegen immer noch über dem Boden des Kalifats, um Muslime zu Ermorden“. 

Die Ermittler meinen, das zweite „Bekennerschreiben“ könnte aus der „Antifa-Szene“ stammen, es spricht davon, die Sprengsätze richteten sich gegen den BVB, weil der sich nicht genügend gegen Rassisten, Nazis und Rechtspopulisten einsetze.

Natürlich können beide „Bekennerschreiben“ Fälschungen sein, die wer auch immer wem auch immer unterschieben will.

Mit Interesse notiere ich, dass bei Prominenten wie Sportlern von der ersten Minute an von „Anschlag“ die öffentliche Rede ist, bei einer Detonation an einem Bus mit Rentern auf „Kaffeefahrt“ würde wohl eher „Vorfall“ gesagt.

Klaus Kleber im Heute-Journal betonte mehrfach, dass es beim Dortmunder Anschlag ja nur „ganz leichte Explosionen“ waren mit nur einem Leichtverletzten.

Beim US-Raketenangriff auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt wird heiß diskutiert, wie viele zivile Tote als Risiko hingenommen werden dürfen und welches Verfahren angewandt wird, um das zu entscheiden.

Ab wie vielen Toten und Verletzten kommentieren Kleber und Co. in anderer Tonalität? Gibt es bald „Untergrenzen“ und andere Abstufungen der Zahl von Toten, Schwerverletzen und Leichtverletzten, von denen abhängt, ob, wie prominent und in welcher Tonlage über Gewaltschläge berichtet und kommentiert wird und unterschiedlich, je nach dem, wer sie anordnet und durchführt? Code of Conduct in Vorbereitung?

An ein solches New Normal will ich mich nicht gewöhnen. Passen Sie mit auf, wer was wie bei wem formuliert?