Tichys Einblick
Keine Ölimporte ab nächstem Jahr

Baerbock kündigt schnelles Ende der Energieimporte aus Russland an

Während Bundeskanzler Scholz bei den Waffenexporten in die Ukraine zaudert, kündigt Außenministerin Annalena Baerbock aus Lettland eine drastische Veränderung an: Binnen kürzester Zeit soll das Ölembargo gegen Russland nun doch kommen.

IMAGO / photothek

Auf ihrer Reise durch die baltischen Staaten hat Außenministerin Annalena Baerbock einen schnellen Ausstieg aus russischen Energieträgern angekündigt. „Deutschland lässt die russischen Energieimporte komplett auslaufen“, sagte Baerbock am Mittwochabend nach Beratungen mit ihren Amtskollegen aus Estland, Lettland und Litauen in Riga. Der Ausstieg aus russischem Öl soll schnell erfolgen: Bis Ende des Jahres werde Deutschland „bei null sein“. Baerbock sprach auch von einem ambitionierten Fahrplan für das Ende des russischen Gasimports.

Die Ankündigung kommt überraschend: Zwar war das Ende der Importe aus Russland bereits grundsätzlich angekündigt, einen konkreten Weg, wie das in naher Zukunft gehen solle, blieb die Regierung aber bis zuletzt schuldig. Ein tatsächlicher Ausstieg rückte immer weiter in die Ferne – und wurde von der Bundesregierung auch kaum mehr angesprochen.

Erst am Dienstagabend war der Kanzler vor die Presse getreten und hatte von so einem großen Schritt kein Wort gesagt. Eigentlich hatte er gar nichts Substanzielles angekündigt – erst auf Nachfrage erklärte er, Deutschland wolle weiter keine schweren Waffen an die Ukraine liefern. Und jetzt, am nächsten Tag, folgt diese Ansage durch die Außenministerin, die es in sich hat. Denn um Baerbocks angekündigte „Null“ zu erreichen, muss Deutschland bis Jahresende 35 Prozent seines Ölimports auf andere Länder umschichten. Das ist ambitioniert – und scheint auch Baerbocks Parteifreund Habeck etwas zu überraschen. Er relativiert den Satz seiner Parteifreundin, spricht von nur „nahezu“ vollkommener Unabhängigkeit von russischem Öl.

„Bis zum Sommer“ werde man die Ölimporte bereits halbieren, vespricht Baerbock weiter. Ob diese Zielmarke abgesprochen ist, bleibt offen – wie man sie erfüllen will, auch. Bisher trägt Russland den mit Abstand größten Anteil am deutschen Rohölimport. Deutschland hat seine Abhängigkeit von russischem Öl über die letzten Jahre zwar stetig reduziert, aber trotzdem scheint Deutschland zunächst ohne ausreichenden Ersatz dazustehen. Der nächstgrößte deutsche Öllieferant sind die USA mit 12,5 Prozent Anteil am Gesamtimport, dann folgen 9,8 Prozent aus dem mit Moskau verbündeten Kasachstan. Nach realistischen Optionen sieht das zunächst nicht aus – Baerbock bleibt auch jede genauere Erläuterung schuldig.

Dennoch ist es die Art von Handlung, die große Teile der medialen Öffentlichkeit und der Politik dieser Tage erwarten und laut fordern. Das ist umso bemerkenswerter, als dass der Kanzler selbst darüber bei seiner großen Presse-Luftnummer am Dienstag Abend kein Wort verlor. Scholz habe die Außen- und insbesondere Russlandpolitik zur „Chefsache“ gemacht und ins Kanzleramt geholt, hieß es noch vor wenigen Monaten. Jetzt werden die großen, relevanten Entscheidungen durch Baerbock verkündet – und das nichtmal in Berlin, sondern auf einer Reise in Riga. Eine einheitliche, kohärente Struktur vermittelt diese Art der Kommunikation nicht – ist Baerbock vielleicht ganz ohne Scholz’ Zustimmung vorgeprescht? Man müsste ihr fast dafür applaudieren, wenn es so wäre. Aber eben nur fast. Denn wie neben Atom- und Kohleausstieg jetzt auch noch der Sofortboykott von russischem Öl kommen soll, ist ein großes Fragezeichen. Woher die Millionen Barrel kommen sollen, hat Baerbock nicht erklärt.

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