Tichys Einblick
Nach "Nazi"-Aussage

Baerbock: Konfusion? Blackout? Freudscher Versprecher oder Fremdeln mit der Demokratie?

Nach der Ankündigung Thomas Kemmerichs, seinen Anwalt einzuschalten, führt die Grünen-Vorsitzende Baerbock - wohl ungewollt - einen Striptease der eigenen Weltanschauung vor.

imago images / Revierfoto

Annalena Baerbock hat mit ihrer Aussage in der Talk Show Markus Lanz den Thüringer FDP-Vorsitzenden Thomas Kemmerich in die Nähe zu „Nazis“ gerückt, wenn sie damit nicht sogar den FDP-Vorsitzenden Thüringens selbst gemeint hat.

Thomas Kemmerich hat inzwischen Bild gegenüber kommentiert: „Unterschwellig steht die Behauptung im Raum, ich sei ein Nazi. Wer in dieser hohen Position ist, muss sich im Klaren sein, welche Formulierung er wählt“ und angekündigt: „Sie wird Post von meinem Anwalt bekommen. Ich fordere sie auf, das klarzustellen.“

Bei Markus Lanz
Frage an Annalena Baerbock: Ist FDP-Politiker Thomas Kemmerich für Sie ein Nazi?
Inzwischen hat die Vorsitzende der Grünen auf eine Anfrage der Welt geantwortet: „Ich hab‘ gestern bei Markus Lanz unpräzise formuliert, was zu Missverständnissen führt. Ich meinte natürlich nicht Herrn Kemmerich, sondern die AfD, die in der chaotische Lage zur Ministerpräsidentenwahl eine bedrohliche Rolle gespielt hat.“

Unpräzise zu formulieren, scheint zu Baerbocks Kernkompetenzen zu zählen, denn ihr Erklärung ist nicht weniger „unpräzise“ als die Äußerung am Vorabend bei Lanz, die sie eigentlich erläutern sollte. Das Statement wirft grundsätzliche Fragen auf:

  1. Wenn die AfD nicht zur Wahl stand, wie kann der Thüringer Landtag dann kurz davor gestanden haben, einen Nazi zu wählen? 
  2. Stellt sich die Vorsitzende der Grünen Wahlen als geordnete Vorgänge mit im Vorhinein festgelegten Ergebnissen wie weiland in der DDR oder heute in China vor?
  3. Was war konkret an den juristisch einwandfreien drei Wahlgängen „chaotisch“?
  4. Seit wann ist die Stimmabgabe für einen Politiker der FDP eine „bedrohliche“ Tat, denn nichts anderes haben die AfD-Abgeordneten wie die der CDU und der FDP getan?
  5. Wieso ist es überhaupt „bedrohlich“, FDP oder einen FDP-Kandidaten zu wählen?
  6. Was haben AfD-Abgeordnete denn anderes getan als ihre Kollegen in den Fraktionen der Grünen, der SPD, der Linken, der FDP und der CDU, als denjenigen nach Maßgabe des eigenen Gewissens zu wählen, den sie für den geeignetsten Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen halten?

Es wäre an der Zeit, dass Annalena Baerbock die Frage beantwortet, wer oder was in ihren Augen ein Nazi ist? Angesichts der Verbrechen der Nationalsozialisten sollte sie diese nicht durch einen unreflektierten und inflationierenden Begriffsgebrauch verharmlosen. Oder hält die Vorsitzende der Grünen, alle die, die rechts von ihr stehen, für „Nazis“? Eine grundsätzliche Klärung oder ihr Rücktritt ist das Gebot der Stunde. 

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