Tichys Einblick
Landesregierungen setzen Beschlüsse nicht um

Außengastronomie: Nur in vier von 16 Landesverordnungen findet sich eine Öffnungsperspektive

Der Beschluss der letzten Bund-Länder-Konferenz sah vor, der Außengastronomie eine Öffnungsperspektive zum 22. März zu geben. Doch offenbar haben die meisten Bundesländer den Beschluss gar nicht in ihre Corona-Verordnungen geschrieben. Von Elias Huber

IMAGO / Chris Emil Janßen

Nach der letzten Bund-Länder-Konferenz am 3. März verkündete die Berliner Politik, den Gastronomen eine Öffnungsperspektive zu geben. Unter der Überschrift “Planungsperspektive durch Öffnungsschritte” schreibt etwa die Bundesregierung auf ihrer Internetseite: “Die Bürgerinnen und Bürgern sowie die Wirtschaft sollen gleichwohl Planungsperspektiven erhalten, wie und wann Beschränkungen wieder aufgehoben werden können.” Deutschland stehe an der Schwelle zu einer neuen Phase der Pandemie, “in die wir nicht mit Sorglosigkeit, aber doch mit berechtigten Hoffnungen hineingehen können”, sagte Kanzlerin Merkel demnach nach den Beratungen. Dazu präsentierte die Regierung eine Grafik mit fünf Öffnungsstufen, die im vierten Schritt auch die Öffnung der Außengastronomie zum 22. März vorsah – unter engen Hygiene- und Inzidenzanforderungen.

Doch nun stellt sich heraus: Im Nachgang zur Konferenz haben offenbar nur vier Bundesländer ihre Verordnungen angepasst, sodass eine Öffnung der Außengastronomie zum 22. März möglich ist. Die restlichen zwölf Verordnungen berücksichtigen die Beschlüsse über die Außengastronomie gar nicht. Das bestätigte der Dehoga-Bundesverband Tichys Einblick auf Anfrage. Es handelt sich demnach um die Länder Sachsen, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen. “Das ist aus unserer Sicht in der Tat nicht zu verstehen”, schreibt denn auch der Dehoga. Das Gastgewerbe brauche dringend “verlässliche Perspektiven”.

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Christoph Becker, Geschäftsführer des Dehoga Nordrhein, findet klare Worte. “Warum treffen sich die Regierungschefs alle drei Wochen, wenn sie ihre Beschlüsse nicht umsetzen?”, fragt er. Die Politik verkaufe der Öffentlichkeit Öffnungspläne, die sich in den Verordnungen gar nicht finden ließen. In seinem Verband in Nordrhein-Westfalen herrsche großer Unmut unter den Wirten, weil diese am Montag nicht öffnen dürften. Der Verband rate nun den Mitgliedern, vorerst weiter zu schließen. “Wer jetzt seine Außengastronomie eröffnet, riskiert ein Bußgeld”, heißt es in einer Rundmail.

In dem Beschlusspapier der Bund-Länder-Konferenz vom 3. März steht, dass die Bundesländer die Außengastronomie zum 22. März “landesweit oder regional” öffnen können. Die Anforderungen sind allerdings sehr hoch: Zum einen darf sich die Sieben-Tage-Inzidenz – also die Zahl der Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche – zwischen dem 8. und 22. März nicht verschlechtern. Sinkt oder verweilt die Inzidenz zwischen 50 und 100 innerhalb des Zeitraums, kann das Bundesland die Außengastronomie nur unter engen Hygieneauflagen öffnen. So müssen die Gäste vorher einen Termin buchen, um Kontakte nachzuverfolgen, und sie müssen einen tagesaktuellen Schnelltest vorlegen, wenn sie mit Personen aus mehreren Haushalten an einem Tisch sitzen. Liegt die Sieben-Tage-Inzidenz innerhalb des Zeitraums “landesweit oder regional stabil” unter 50, gelten die Hygieneauflagen nicht.

Allerdings müssen die Bundesländer den Gastwirten nicht erlauben, zu öffnen. Das Beschlusspapier spricht ausschließlich davon, dass die Länder die Außengastronomie öffnen “können”.

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Laut dem Dehoga findet sich der Öffnungsplan nur in den Verordnungen von vier Ländern. Demnach behalte sich die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen vor, zum 22. März zu entscheiden, ob die Gastwirte öffnen dürfen. Bayern und Sachsen ermächtigten die Landkreise und Kreisverwaltungsbehörden, über eine Öffnung zu entscheiden. In Mecklenburg-Vorpommern entscheidet ebenfalls die Landesregierung.

Branchenvertreter sehen in einer Öffnung der Außengastronomie ohnehin nur einen Tropfen auf den heißen Stein. Viele Gastwirte hätten gar keinen Außenbereich und würden sowieso nicht öffnen, sagt ein Verbandsmitarbeiter. Eine Öffnung unter den jetzigen Umständen bedeute ein beträchtliches Risiko, da Gastwirte die Kurzarbeit beenden und das Lager auffüllen müssten. Außerdem bestehe die Gefahr, dass das Wetter nicht mitspiele. “Wir warnen davor, zu öffnen” sagt er deshalb. Die Beschlüsse der Politik beschreibt er als “Brot und Spiele”. Vorwiegendes Ziel sei es offenbar, die Bürger bei Laune zu halten, indem man zum Frühjahr verkünde, Blumengeschäfte oder die Außengastronomie zu öffnen. “Die Sicht des Unternehmers berücksichtigt die Politik gar nicht”, sagt er.

Am Montag entscheiden die Kanzlerin und die Länderchefs erneut über das Schicksal der Gastronomie. Große Hoffnung auf Öffnungen hat der Verbandsmitarbeiter allerdings nicht: “Die einzige Lösung der Politik ist offenbar der Lockdown”, sagt er.

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