Tichys Einblick
Die Angst des Establishments vor Konkurrenz

Auf, auf zum letzten Gefecht

Das öffentliche Nachdenken über eine CDU-Linken-Koalition, wie es Ingo Senftleben vor einiger Zeit versuchte, und wie es jetzt von Daniel Günther befeuert wird, treibt Unionswähler zur AfD. Macht Günther das für Merkel?

Nach dem der Brandenburger CDU-Chef Ingo Senftleben (TE berichtete) in einem verunglückten Interview Koalitionen mit den Linken und der AfD nach der Landtagswahl 2019 nicht ausschloss, sprang ihm nun überraschend, zumindest, was den Zeitpunkt betrifft, Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther zur Seite. Allerdings hatte Senftleben die Option, mit der AfD in Brandenburg zu koalieren, im gleichen Interview verworfen, so dass am Ende nur die Aussage bestehen blieb, mit den Linken eine Regierung bilden zu können. Der Kieler Regierungschef gab zu Protokoll: „Wenn da vernünftige Menschen in der Linkspartei am Werk sind, vertut man sich nichts damit, nach vernünftigen Lösungen zu suchen.“ Laut WELT äußerte er Verständnis für Brandenburgs CDU-Chef Ingo Senftleben, der Gespräche mit AfD und Linken nach der Landtagswahl in Brandenburg 2019 angekündigt, aber eine Koalition mit der AfD bereits so gut wie ausgeschlossen hat.

Politische Hütchenspielerei in der Mark
CDU-Chef Ingo Senftleben wirft mit Nebelkerzen um sich
Nicht nur der Inhalt der Aussagen verwundert, sondern auch die Wahl des Themas, denn Merkels eifriger Herold Daniel Günther fiel bis jetzt nicht mit großer Ostdeutschlandkompetenz auf. Zu einem Zeitpunkt über „vernünftige Leute“ bei den Brandenburger Linken zu phantasieren, an dem die Landesvorsitzende der Linken, Diana Golze als  Arbeits- und Sozialministerin in einem schweren Skandal verwickelt ist, in dem es um Arzneimittelfälschung geht, zeugt auf dem ersten Blick weder von Kenntnis, noch von Geschick.

Das Krisenmanagement der „vernünftigen“ Linken Golze scheint sich übrigens bis jetzt im Abwälzen der Schuld auf drei bis vier subalterne Mitarbeiter zu beschränken. Gegen zwei der Mitarbeiter wurde sogar Strafanzeige wegen Korruption gestellt. Der Schachzug scheiterte auf ganzer Linie, denn die Staatsanwaltschaft Potsdam befand: „Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen von (Korruption) Straftaten haben sich nach Prüfung der Anzeigen und zahlreicher weiterer Unterlagen, die im Zuge der Anzeigenprüfung durch die Staatsanwaltschaft beigezogen worden sind, nicht ergeben. Insbesondere die von den angezeigten Mitarbeitern dokumentierte Zusammenarbeit mit Behörden in Deutschland und im Ausland bei der Aufklärung der Herkunft und Vertriebswege der ursprünglich aus Griechenland stammenden Medikamente spricht gegen ein korruptiv veranlasstes Handeln für das Unternehmen Lunapharm. Auch fehlten jegliche Hinweise auf das Anbieten, Versprechen oder Gewähren von Vorteilen.“

Wurden Mitarbeiter bewusst belastet, um von eigenem Versagen abzulenken? Die Landesvorsitzende der Linken verstrickt sich immer stärker in den Skandal und kann nur noch mit Mühe im Amt gehalten werden – wie lange noch? -, die Partei selbst verliert im Land an Akzeptanz und Daniel Günther träumt von einer Zusammenarbeit.

SPD unter 10 Prozent
Sachsen: Radikaler Machtwechsel 2019 möglich
Schaut man sich die letzten Umfragen in Brandenburg an, liegt die AfD vor der CDU, der SPD und den Linken. Die rot-rote Koalition ist verbraucht und verschlissen. Es wäre eigentlich die Stunde der CDU, doch wird sie ihre Chance nicht nutzen können, weil sie in Vasallentreue zur Partei- und Regierungschefin erstarrt ist. Wer in Ostdeutschland CDU wählt, wird sein Kreuz keinesfalls bei der Union machen, wenn er damit riskiert, eine CDU-Linken-Koalition zu bekommen. Das öffentliche Nachdenken über diese Option, wie es Ingo Senftleben vor einiger Zeit versuchte, und wie es jetzt von dem Schleswig-Holsteiner Daniel Günther befeuert wird, treibt Unionswähler zur AfD.

Allerdings stellt sich die Frage, welches Motiv Daniel Günther für dieses Statement hat. Ist es wirklich Unkenntnis? Oder reine Positions-, Profil- und Prinzipienlosigkeit, Ausdruck eines glatten Opportunismus der Macht? Oder will man am Ende Parteifreunden massiv schaden? Denn nicht nur in Brandenburg finden im nächsten Jahr Landtagswahlen statt, sondern auch in Sachsen. Merkels Kurs schadet der sächsischen CDU. Der sächsische Ministerpräsident hat einen schweren Wahlkampf vor sich und er gehört nicht zu Merkels Entourage. Eine Niederlage Kretschmers würde zwar den Verlust Sachsens bedeuten, doch eine Schwächung der Kräfte in der Partei bedeuten, die nicht durch besondere Linientreue zur Bundeskanzlerin auffallen und Kritik wagen. Für Merkels Machterhalt wäre eine Niederlage der sächsischen CDU hilfreicher als eine gewonnene Wahl. Günthers Äußerung wiegt für den sächsischen Wahlkampf noch schwerer als für den brandenburgischen. Die CDU käme zwar auf 32 %, doch die AfD würde 24 % der Stimmen erringen können. Drittstärkste Partei würden die Linken mit 19 % sein. Die Diskussion über eine CDU-Linken-Regierung ist für den sächsischen Wahlkampf der CDU reines Gift.

Nach unten treten
Ministerin Diana Golze (Linke): Strafanzeigen anstatt Aufklärung
In Anbetracht dieser Tatsache stellt sich unmissverständlich die Frage: Versucht Daniel Günther bewusst, den Parteifreunde im Osten im Wahlkampf zu schaden? Sollte es so sein, dann würde es einmal mehr meine These bestätigen, dass die CDU zerbröselt, dass Merkel nicht nur die Partei nicht zusammenhalten kann, sondern es vermutlich auch nicht will, weil ihr eine Schwächung und der Exodus derer, die nicht vor der Staatsweisheit der großen Chefin in die Knie fallen, lieber ist, als der eigene Machtverlust.

Anscheinend haben sich die Kräfte eines Establishments aus Linken, SPD, Grünen und Teilen der CDU zu einem letzten Gefecht vereint, um jede politische Konkurrenz, um jede Alternative, ob von links oder von rechts oder aus der Mitte, um authentisch linke, konservative und  wirkliche liberale Konzepte zu verhindern.

Wie man es dreht und wendet, Daniel Günther hat sich in dem Interview als Merkels Blockflötenspieler bewährt und den wahlkämpfenden Parteifreunden im Osten einen Bärendienst erwiesen.