Tichys Einblick
Noch mehr Parteienstaat

Ampel-Wahlrecht gegen den freien Abgeordneten

Der Ampelplan ist die vorerst nächste Stufe zur wahlrechtlichen Zementierung der alleinigen Macht der Parteien im Parteienstaat - die vorerst nächste Stufe der Entmachtung des direkt gewählten Abgeordneten und damit seiner Freiheit und persönlichen Verantwortung von Entscheidungen seinen Wählern gegenüber.

Foto: Bundestagsplenum (über dts Nachrichtenagentur)

Die Ampelkoalition will in einem Gesetzentwurf zum Wahlrecht dier Größe des Bundestags auf 598 Abgeordnete (zur Zeit 735) senken: „Überhangmandate“ und daher auch „Ausgleichsmandate“ abschaffen.

„An einer Reform des Wahlrechts führt kein Weg vorbei“, sagte der Abgeordnete Till Steffen, der für die Grünen das Vorhaben maßgeblich ausgehandelt hat, der FAZ:  „Hier geht es nicht nur um die Arbeitsfähigkeit des Parlaments und explodierende Kosten. Es geht vielmehr auch um die Glaubwürdigkeit der Politik und die Reformfähigkeit unseres Landes.“

Das scheint vernünftig und klingt erst mal gut. Ist es aber nicht, denn der Kern des Ampelplans ist ein anderer: Die bisherige Zweitstimme soll „Hauptstimme“ werden und entscheidend sein für die Stärke der Parteien im Bundestag. Sie entschiede dann, wie viele Mandate eine Partei bekommt. Diese sollen dann sowohl durch die mit der früheren Erst- und künftigen „Wahlkreisstimme“ ermittelten Sieger in den Wahlkreisen als auch über die Landeslisten der Parteien besetzt werden. Gewinnen Kandidaten einer Partei in einem Land mehr Wahlkreismandate direkt, als der Partei nach dem Hauptstimmenergebnis zustehen, so werden diese Wahlkreise gar nicht vergeben.

Der direkt Gewählte und seine Wähler sollen nichts mehr gelten

Der Ampelplan ist die vorerst nächste Stufe zur wahlrechtlichen Zementierung der alleinigen Macht der Parteien, also der Parteifunktionäre im Parteienstaat – die vorerst nächste Stufe der Entmachtung des direkt gewählten Abgeordneten und damit seiner Freiheit und persönlichen Verantwortung von Entscheidungen vor dem Volk. Ehrlich wäre die Ampel, würde sie bei Umbenennung der Zweitstimme in „Hauptstimme“, die bisherige Erststimme „Nebenstimme“ taufen statt „Wahlkreisstimme“, denn der Wahlkreis stimmt nicht ab, sondern Wahlberechtigte wählen einen Abgeordneten.

Überlegungen, die Vergabe in einem solchen Fall durch die Einführung einer Ersatzstimme zu regeln, scheiterten am Widerstand in den Reihen der Ampel. Der bisherige Beschluss der Fraktionen habe ohnehin mehrere Modelle für einen solchen Fall vorgesehen, sagte der Abgeordnete Sebastian Hartmann, der für die SPD-Fraktion den Entwurf aushandelte: „Auch wenn die Ersatzstimme eine mögliche Variante war, haben wir die Bedenken gegen diese Variante aufgenommen und bieten eine andere Lösung an.“ Nachdem in der Vergangenheit immer wieder Bemühungen gescheitert waren, das Anwachsen des Bundestages über die gesetzlich vorgesehene Größe von 598 Abgeordneten hinaus anzuhalten und zurückzudrehen, zeigen sich Ampel-Politiker zuversichtlich, dass es diesmal zu einer Neuregelung kommt.

Die Fraktionen sollen sich schon am Dienstag mit dem Gesetzentwurf befassen, anschließend soll er ins parlamentarische Verfahren: „Ein ordentliches Verfahren kann man bis Ostern gut durchführen, sodass wir bis dahin Klarheit haben sollten“, sagte Hartmann. Die Ampel strebt nach Aussage von Steffen einen „möglichst breiten“ Konsens an und will auf die Union zugehen: „Unser Gesprächsangebot ist ernst gemeint. Keine Option ist allerdings, die Reform in die nächste Legislatur zu verschleppen, eine Verkleinerung des Bundestags ist lange überfällig“, sagte der Grünen-Politiker. In der Ampel rechnet man damit, dass es zu einer Überprüfung des Vorschlags vor dem Bundesverfassungsgericht kommt.

Basis dts Nachrichtenagentur

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