Tichys Einblick
Anhörung Lampedusa-Manöver

Als „Kapitänin“ der Sea-Watch wird Rackete nicht mehr aktiv sein

Nach langem Verhör gibt nur die Sea-Watch-"Kapitänin" auf und wird sich ein neues Feld für Selbstverwirklichung suchen - ein Deal mit der italienischen Justiz, um weiterer Strafverfolgung zu entgehen?

OMER MESSINGER/AFP/Getty Images

Ein bisschen weniger Zeit als die des „Alex“-Kapitäns der NGO Mediterranea von sechs Stunden nahm die Befragung und Anhörung der Carola Rackete in Anspruch. Sie brauchte zwei Stunden weniger und trat danach sichtlich entspannt, vielleicht auch erleichtert, vor die Tür. Ein paar Sätze, weniger als sonst, und auch mit weniger Drive, sagte die Deutsche, den Rest ließ sie ihren Anwalt in die Mikrophone und Kameras sprechen.

Fast vier Stunden stand sie Rede und Antwort und Rackete meinte nur: „Ich war sehr froh, die Gelegenheit gehabt zu haben, alle Details der Rettungsaktion vom 12. Juni zu erläutern. Ich hoffe, dass die Europäische Kommission nach der Wahl des neuen Parlaments alles in ihrer Macht Stehende unternimmt, um diese Situationen zu vermeiden und dass alle Länder die von zivilen Flotten geretteten Menschen akzeptieren.“

Es klang vielleicht ein bisschen einsichtiger, denn es wurde hinter verschlossenen Türen von der Staatsanwaltschaft wohl schon etwas deutlicher der Sachverhalt erläutert. Und was wolle sie zu Matteo Salvini sagen, wollten ein paar Reporter wissen? Und Rackete zuckte nur mit ihren Schultern, „Nichts“, „niente“. Sonst lässt sie ihren Anwalt reden, dass seine Mandantin damals „aus Notwendigkeit“ gehandelt habe, und dass „der einzige Hafen, eben der von Lampedusa war“ – und dass sie alles wieder so tun würde. Das Beharren, das Recht zu haben – auf die eigene Auslegung von Moral und Recht. Außerdem der bewährte Satz, es sei „kein Verbrechen, Menschenleben zu retten“.

Der Advokat erklärt, was man Staatsanwaltschaft und Untersuchungsgericht zu erklären versuchte. „Meine Mandantin“, so der Anwalt, habe alle Fragen „Punkt für Punkt“ beantwortet. Und man habe in allen Punkten und Fragen kooperiert. „Der einzige Hafen war der von Lampedusa. Auch die Libyer wurden alarmiert, weil es um die Rettung von Menschenleben ging, aber sie waren nicht anwesend. Außerdem akzeptierte Malta die Einfahrt des Seefahrzeugs nicht.“

Ergo, es sei nur Lampedusa und Italien möglich gewesen, was zu bezweifeln wäre – denn, die italienische Rechtslage war bekannt, und das gleiche gewagte Manöver, hätte die Sea-Watch also auch anderswo vollbringen können. Immerhin, 14 Tage dümpelte das Schiff und fuhr im Zickzack-Kurs vor Lampedusa umher. Genügend Zeit, sogar nach Holland und Deutschland zu fahren – das aber war wohl definitiv nicht der Plan.

Staatsanwälte und Gericht, das ist die wahre Kunst, müssen sich absolut von der öffentlichen Meinung draußen frei machen – von politischen Bewertungen sowieso, egal, woher sie kommen.

Fünf unabhängige Experten der Vereinten Nationen(UN), äußerten vorab ihre „große Besorgnis“ über die italienische Gerichtbarkeit und Anhörung sowie über das Strafverfahren gegen die deutsche Bootsführerin, prangerten auch die Meinungsmache der Medien an, aber auch des Innenministers Matteo Salvini gegen die Richter. Da darf man aber schon nachfragen, wer und aus welcher politischer Ecke, bereits vorab eine Beeinflussung der Richter stattgefunden habe. Sie forderten umgehend die Einstellung des Verfahrens gegen alle NGO.

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Allgemein liege die Berufung der Staatsanwälte immer noch in der Luft, ob Rackete nun definitiv frei sei und nach Deutschland ausreisen dürfe, oder welches Strafmaß warte bzw. welche Einigung erzielt wurde. „Sie ist nun frei“, meinte der Anwalt, aber fügte hinzu, dass es die „Kapitänin Carola Rackete“ nicht mehr geben würde. Sie wird nicht mehr für die Sea-Watch an Bord gehen, diktierte Anwalt Gamberini in die Blöcke und Mikros. Carola Rackete habe schon viele andere Dinge im Leben getan, sie wird etwas finden, dass ihrer Erfüllung und Wünschen entspräche. Ein Deal? Der Eindruck drängt sich auf.

Frisch aus Helsinki zurück, wo Matteo Salvini seine Amtskollegen der EU getroffen hatte, um das weitere Vorgehen innerhalb der EU zu besprechen, erinnerte der Innenminister nochmals daran, dass bei diesem Fall der Sea-Watch eindeutig gegen „das italienische Recht und Gesetze“ verstoßen worden sei und Menschenleben auf dem Motorboot der Fahnder riskiert wurden. Außerdem, NGO-Aktivisten und Schiffe könnten niemals das Recht von Staaten „ergänzen“. Matteo Salvini forderte zudem, dass die jeweiligen Länder, unter deren Flaggen die NGO reisen, auch diese Aktivisten selbst ausfliegen sollten.

Matteo Salvini findet es absurd, wenn sich die EU über eine großzügige Verteilung all der Migranten unterhalten würde, sich vielleicht die besten nähme, aber die illegalen Migranten und Strafverfolgten den Italienern und den Maltesern überlasse. Wie z. B. Frankreich allgemein mit Migranten an der Grenze zu Italien verfahren würde, sei nun bekannt. Erschreckend, wie viel Scheinheiligkeit da im Spiel sei.

Dass eine Gesetzesbrecherin wie Carola Rackete auch noch geehrt würde, schloss Salvini, sage nur etwas über den Werteverfall innerhalb der EU aus.