Tichys Einblick
Neue Insa-Umfrage

AfD nur noch knapp hinter Union – Deutschlands gordischer Knoten zieht sich zu

Die AfD erreicht einen neuen demoskopischen Höchstwert: 22 Prozent. Die Ampel kommt auf 39 Prozent – zu wenig für eine parlamentarische Mehrheit. Die unlösbare Situation besteht darin, dass die Regierung Probleme produziert, die sie dadurch zu beheben gedenkt, dass sie noch größere Probleme erzeugt.

Alice Weidel und Tino Chrupalla, Berlin, 20.6.2023

IMAGO / Bernd Elmenthaler

Die neueste Insa-Umfrage bestätigt einen Trend, der in den letzten Monaten zu verfolgen war und sich verstetigt. Die AfD liegt vor der CDU und kommt auf Sichtweite an die Union heran. Würde am Sonntag gewählt, kämen die Unionsparteien auf einen Wert von 26 Prozent der Stimmen, die AFD auf 22 Prozent, 2 Prozentpunkte mehr als in der Vorwoche und doppelt so viel wie vor einem Jahr. Bei SPD, Grüne, FDP und Linke gibt es keine Veränderung, sie stagnieren bei 18 Prozent, 14 Prozent, 7 Prozent und 5 Prozent.

Doch die Bastion der SPD ist wacklig, denn sie ist zu einer woken Partei geworden, wie die Affäre Pantisano in Berlin zeigt, zu einer Partei, die ihre sozialpolitische Kompetenz im gleichen Maße verloren, wie sie identitätspolitische Weihen angenommen hat. Die rot-grüne Landesregierung hat einen Hilferuf an die rot-grün-gelbe Regierung nach Berlin gesandt, um die Deindustrialisierung Niedersachsen mit enormen Steuermitteln aus dem Bundeshaushalt abzuwenden. Doch mit diesem verzweifelten Voodoo verbrennt man nur Steuergelder, in der Hoffnung, Zeit zu gewinnen, wo man realiter doch nur Zeit verplempert.

Niedersachsens Hilferuf:
Ein Versuch politischer Insolvenzverschleppung
Bezeichnend ist, dass noch vor einer Woche der Befund der „Deindustrialisierung“ als Unfug und rechter Populismus abgetan wurde, und jetzt zur Begleitmusik des niedersächsischen Hilferufs gehört. Immer öfter sind die Regierenden, die sogenannten Mainstream-Medien gezwungen, die Analysen, Recherchen und Einschätzungen von TE zu übernehmen, ohne Nennung der Quelle, ohne in der Herabsetzung innezuhalten. Das allein wirft eines von vielen Lichtern auf Deutschlands immer fragiler werdenden Zustand. Aus einem einfachen Grund, weil nicht politische Bekenntnisse und Sympathien den Blick verstellen, sondern einzig die Betrachtung der Realität ohne ideologischen Vorbehalt ausschlaggebend ist.

Aufgrund der Realitätsverweigerung stehen die Parteien – mit Ausnahme der AfD – und viele Medien hilflos vor der Entwicklung, flüchten in Propaganda, bemühen verzweifelt Klischees und zeigen sich doch nur als Gefangene ihrer Vorurteile. Selten lief politische Kommunikation so im Leerlauf, selten wurden tausendmal gehörte Textbausteine und Phrasen bemüht, dass selbst Texte von ChatGPT überraschender und farbiger wirkten. Grau ist den Funktionären der Parteien die Wirklichkeit, grau ist ihre Sprache.

Die unlösbare Situation besteht darin, dass die Regierung Probleme produziert, die sie dadurch zu beheben gedenkt, dass sie noch größere Probleme erzeugt. Folgeabschätzung ist für sie ein Fremdwort, ihr Motto lautet hingegen: Ich will es, also macht es. Man nennt es Voluntarismus, die Wirklichkeit ist nichts, der Wille ist alles. Der Voluntarismus ist die deutsche Krankheit schlechthin. Der absolut gesetzte Wille ist die Leiter, die in die Höhen der Träume führt.

Wohlstandsvernichter sind Freiheitsverächter
Grün ist die Farbe der Dekadenz
Da die Eliten blind sind für das Desaster, das sie anrichten, muss es Propaganda richten. Doch Propaganda schafft die Wirklichkeit nicht aus der Welt, sie vermag den Blick auf die Wirklichkeit zu vernebeln, nur stellt sich Propaganda im gleichen Maße bloß, wie sie gröber, absurder, wirklichkeitsferner wird, weil die Distanz zur Wirklichkeit unüberbrückbar wird. Wer Boden- und Lufttemperatur vertauschen muss, um den Leuten einzureden, dass wir den heißesten Sommer seit Menschengedenken haben, obwohl man eine Pullover anziehen muss, wenn man das Haus verlässt, der benötigt die Klimaapokalyptik so sehr, die Hysterien und Ängste, um mit der größten aller großen, der gigantischen aller gigantischen Katastrophen den Fakt zu rechtfertigen, dass man die Wirtschaft gegen die Wand fährt.

Die Ratlosigkeit der Parteien, die sich in den üblichen Mustern des Orwellschen Politsprechs, den Verdrehungen, im Bemühen von Verschwörungstheorien breitmacht, die Geschwindigkeit, in der man Zuflucht zu kommunistischen Regelungen von der Antidiskriminierungsdiskriminierung bis hin zur Etablierung von Räten, um peu à peu von einer parlamentarischen Republik in eine Rätediktatur überzugehen, zeigt nur, dass die Eliten nicht aus ihrer Blase mehr herausfinden, sie mit ihrem Latein zwar nicht weiterkommen, nicht mehr so weiterregieren können, es aber wollen, die Regierten aber immer weniger mit dieser Regierung leben können.

Die einen wollen nicht anders, weil sie nichts anderes wissen und kennen, die anderen können so nicht länger – das ist der große deutsche Widerspruch, der politisch und demokratisch gelöst werden muss. Nichts anderes sagen die Zahlen aus. Niemand sollte aus Gründen einer vermeintlich guten Sache der Verführung nachgeben, den Widerspruch auf einem anderen als einen demokratischen und politischen Weg lösen zu wollen.

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