Tichys Einblick
Sorge um Versorgung

Ärzte streiken: „Lauterbach saugt Praxen aus“

Karl Lauterbach (SPD) hat zu viel Steuergeld der Nettozahler ausgegeben. Das muss der Gesundheitsminister nun an anderer Stelle einsparen: bei den Ärzten. Von ihnen nimmt er so viel, dass sie ihre Praxen gefährdet sehen – und streiken.

Karl Lauterbach im Bundesrat, 16.09.2022

IMAGO / Political-Moments

Übers Wochenende sind 4,6 Millionen Impfdosen abgelaufen. Das hat das Gesundheitsministerium gegenüber mehreren Medien bestätigt. Dem Gesetz nach muss der Staat diese jetzt entsorgen. Wieviel Geld da buchstäblich weggeworfen wird, will das Haus von Karl Lauterbach (SPD) nicht sagen. Sicher ist: Das Geld fehlt im Gesundheitswesen, wo es dringend gebraucht würde. Die gesetzlichen Krankenkassen stehen mit einem Defizit von 17 Milliarden Euro da. Das stopft Lauterbach provisorisch, indem er die Kassen Beiträge für Versicherte erhöhen, Sicherheiten abbauen und Kredite nehmen lässt. Der Solidaritätsbeitrag der Pharmaindustrie, den der Leverkusener Minister mal ins Spiel gebracht hat, bleibt aus.

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Einen Beitrag sollen die die niedergelassenen Ärzte leisten. Die Prämie für neu aufgenommene Patienten entfällt. Die Ärzte gehen deswegen nun auf die Barrikaden. Aber nicht nur deswegen, wie Doktor Björn Parey gegenüber der Welt sagt. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Hamburg. Die hat ihren Streik unter das Motto gestellt: „Lauterbach saugt Praxen aus – und gefährdet damit Ihre Versorgung.“

Nun gehören Ärzte zur Grundversorgung und dürfen daher nicht streiken. Entsprechend kreativ gestalten sie ihren Protest: In Hamburg betreibt die KV offiziell eine Informationskampagne. Wegen dieser müssen einige Ärzte zu Fortbildungen – das führt wiederum zu Praxisschließungen. So entstehe ein Szenario, wie es künftig immer sein werde, wenn die Politik Lauterbachs andauere: „Es wird unweigerlich zu Leistungskürzungen kommen, zu Einschränkungen des Angebots von Sprechstunden, längeren Wartezeiten auf Termine und Aufnahmestopps in den Praxen““, sagt Parey in der Welt. Gerade wenn Patienten noch länger auf Termine bei einem Facharzt warten müssten, würden diese auf Kliniken ausweichen.

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Die wiederum melden selbst verschiedene Überlastungen: Zum einen finanzielle. Die hohen Energiekosten brächten manche Klinik an den Rand zum wirtschaftlichen Ruin. Zum anderen mangelt es an Personal. Schon jetzt bleiben Krankenbetten leer, weil es den Häusern an Ärzten und Pflegern fehlt, um diese zu betreuen. Im deutschen Gesundheitswesen herrscht Mangel – außer an Impfdosen.

Wie groß der Mangel ist, zeigt das Beispiel Brandenburg. Im weitgehend dörflich geprägten Bundesland streiken die Ärzte nicht. Sie machen in dieser Woche nur „Dienst nach Vorschrift“. Das heißt: Die Praxen sind nur fünf Stunden am Tag geöffnet. Auch das dürfte dazu führen, dass einfachere Behandlungen zugunsten von Notfällen verschoben werden müssen. Das sei ein „Hilferuf“ wie es der Vorstandsvorsitzende der KV Brandenburg, Peter Noack, im Inforadio des RBB formuliert. Die derzeitige Bezahlung verstärke den Nachwuchsmangel – auch bei den Arzthelferinnen.

In Bayern startet der Protest am Montag der kommenden Woche. Die Praxen sollen dann in Coburg jeweils von 8 bis 10 Uhr geschlossen bleiben. Auch dort sieht Doktor Ullrich Zuber vom „Hausarztverein Coburg Stadt und Land“ die flächendeckende ambulante Versorgung gefährdet, wie er dem Focus sagt.

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