Tichys Einblick
Der EU ins Stammbuch

Yanis Varoufakis: „Was immer die Deutschen sagen, sie werden zahlen“

Yanis Varoufakis wurde als Finanzminister Griechenlands schnell als größter Punk aller Finanzwissenschaftler bekannt. Auf einem Wirtschaftstag der Volks- und Raiffeisenbanken in Bonn diskutierte er mit Roland Tichy über Deutschland als Zahlmeister.

Yanis Varoufakis (55) war von Januar bis Juli 2015 Finanzminister Griechenlands. Nach nur wenigen Wochen wurde er in Deutschland zur Hassfigur aller Eurogegner. Auslöser war sein Satz: „Was immer die Deutschen sagen, sie werden zahlen.“

Statt sich langsam zu lösen, werden sich die Probleme des Euro ständig verschärfen, ist seine zentrale Botschaft auf dem Wirtschaftstag der Volks- und Raiffeisenbanken im Rheinland und in Westfalen: „Die Eurozone ist ganz schlecht entworfen, der schlechteste Entwurf in der Geschichte.“ Wer nur den ständigen Regelbruch in der Eurozone kritisiere – wie viele deutsche Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht -, der übersehe, dass man sich gar nicht an die Regeln halten könne: „Die französische Wirtschaft ist nicht mit der deutschen vereinbar. Sie hätten Holland, Österreich, Polen, Tschechien mitnehmen können. Mit Italien, Griechenland, Spanien, Portugal und Frankreich aber kann die Währungsunion nicht funktionieren.“

Die Rettungsaktion des Jahres 2010 nennt er ein Verbrechen gegen die Logik: „Griechenland war bankrott. Warum, darüber müssen wir jetzt nicht sprechen. Wir waren einfach pleite. Und die europäische politische Klasse wie auch die griechischen Oligarchen haben gesagt, das muss verdeckt werden. Aber wie kann man so etwas verdecken, wenn man pleite ist? Indem man den Leuten, die pleite sind, Geld gibt. Damit sie sagen können, wir sind nicht pleite. Denken Sie an die neuen Transferzahlungen. Was passiert? Die Gläubiger stecken Geld aus der einen Tasche in die andere. Griechenland behält nicht einen Euro. Sie geben es an die EZB und die anderen Institutionen und Banken. So geht das immer weiter, die Pleite wird hinausgeschoben.“

Varoufakis ist gnadenlos in der Analyse, auch dem eigenen Land gegenüber. Und er rechnet ab – mit Finanzminister Wolfgang Schäuble und IWF-Chefin Christine Lagarde: Sie hätten schlicht gutes Geld schlechtem hinterhergeworfen. „Wolfgang Schäuble hat mir etwas gesagt, und das war eine sehr klare Botschaft hinter verschlossenen Türen: Christine Lagarde selbst hat zugegeben, dass das Programm nicht funktionieren kann, selbst das dritte nicht. Sie sagte nicht, dass es schwierig ist, sie sagte, es kann nicht funktionieren. Sie hat jedoch hinzugefügt: Aber wir haben schon so viel investiert, dass wir es nicht abblasen können.“

Die Folge dieser kurzfristigen Politik der Vermeidung unpopulärer Entscheidungen ist, dass zunächst Griechenland in einen unaufhaltsamen Abwärtsstrudel getrieben wurde – und jetzt Italien: „Italien ist ein schwaches Land mit schwachen Banken. Und nun gibt es eine Kapitalflucht von Norditalien nach Frankfurt und in die Schweiz. Das Land ist in einer Spirale von fallenden Preisen und fallenden Löhnen gefangen. Italien hat dann nicht mehr die Stärke, die Schulden zu bedienen. Eine Währungsunion ohne gemeinsame Fiskalpolitik ist nicht nachhaltig.“

Die Lösung sieht Varoufakis in einem Schuldenschnitt und einem Wachstumspakt für die südlichen Mitgliedsländer. Ein Austritt aus dem Euro wäre wegen des sofortigen Abwertungsdrucks nur schwer darstellbar.

„Jeder in diesem Land, in den Niederlanden, in Großbritannien versteht, dass die Führungspersönlichkeiten nicht ehrlich sind und dass es immer weitergeht mit dieser Krise. Griechenland ist für sein Schicksal natürlich selbst verantwortlich. Aber wir können diesem Gefängnis nicht entkommen. Wir haben ständig Schulden, und es geht immer und immer weiter. Wir müssen endlich einen neuen Deal für Griechenland schaffen, damit die Griechen – natürlich! – Opfer bringen, aber das ist eine Investition in eine bessere Zukunft. Und nicht die Opfer, die wir jetzt bringen. Die ganze Energie wird verschwendet.“