Tichys Einblick
Bauindustrie erwartet Rückgang

Die Wohnungsnot verschärft sich – die Mieten steigen

In den Metropolen explodieren die Mieten. Berlin führt mit einer 20-prozentigen Steigerung bei Vermietungen von Neubauten, gefolgt im ebenfalls zweistelligen Bereich in Stuttgart, München und Köln. Die Bauindustrie erwartet einen weiteren Rückgang im Wohnungsbau.

IMAGO / Stefan Zeitz
400.000 neue Wohnungen sollten letztes Jahr entstehen. Tatsache ist: Im gesamten Jahr 2023 wurden laut Stand 03.01.2024 knapp über die Hälfte weniger, nämlich rund 218.336 Baugenehmigungen für Wohnungen erteilt. Wie viele in 2023 faktisch fertiggestellt wurden, ist aktuell nicht ermittelbar.

Allein im vergangen Jahr fehlten in Deutschland mehr als 700.000 Wohnungen – besonders Sozialwohnungen und günstige Wohnungen. Die Gründe, die stets aufs Neue genannt werden: gestiegene Bau- und Finanzierungskosten. Tatsächlich gab es den Effekt durch die Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB), wodurch innerhalb kürzester Zeit die Zinsen für Wohnbaukredite durchschlugen. Neubauprojekte wurden eingeschränkt, storniert oder erst gar nicht in Angriff genommen.

Auch der Krieg gegen die Ukraine Anfang 2022 wurde oftmals als Ursache verlautbart. Doch schon 2021 gab es Preissprünge bei Baustoffen. Holz, Beton und Stahl waren so teuer wie seit der Preiserhebungen 1949 nicht mehr. Insbesondere die höheren Energiepreise wirkten sich seinerzeit schon auf den Bausektor aus. Für die aktuelle Misere sind auch die „Klima“-Vorschriften verantwortlich. Im Tohuwabohu des „Heizungsgesetzes“ wusste und weiß niemand mehr, was er noch darf oder nicht.

Dass sich all das auf Wohnungsneubau auswirkt, ist kaum verwunderlich. Infolgedessen steigen die Mieten. „Mietexplosion in den Metropolen – An manchen Orten zweistellig“, titelt der Münchner Merkur.

Berlin führt mit einer 20-prozentigen Steigerung bei Vermietungen von Neubauten, gefolgt von Stuttgart mit 14,6 und Köln mit 14,1 Prozent. Auch wenn die Nachfrage in den Metropolen selbst leicht zurückging, so stieg sie vor allem in ihrem Umland mit am meisten. Leipzig verzeichnet einen Anstieg der Mietpreise im Jahresvergleich um 5,3 Prozent, die im Neubau gar um 7,2 Prozent. Im Umland der Großstädte steigt die Nachfrage nach Mietwohnungen um 11 Prozent.

Und das sind die Nettokaltmieten; steigende Mietnebenkosten (jenseits von Heizung und Strom) kommen noch hinzu. Beispielsweise die Grundsteuer, welche in voller Höhe auf die Nebenkosten umgelegt werden kann – sofern dies im Mietvertrag festgehalten ist. Die Grundsteuern wurden in den Kommunen zuletzt angehoben und werden 2024 voraussichtlich noch ansteigen.

Bauindustrie erwartet weiteren Rückgang im Wohnungsbau

Die deutsche Bauindustrie erwartet keine Besserung im Wohnungsbau. Im Gegenteil: Die Umsätze werden dieses Jahr um weitere 12 Prozent fallen, die Zahl der neu gebauten Wohnungen auf nur noch gut 200.000 zurückgehen, sagte Peter Hübner, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, der FAZ (Freitagausgabe).

„Im Wohnungsbau sieht es dramatisch aus“, warnte der Verbandschef mit eindringlichen Worten. Das Ziel der Bundesregierung, 400.000 neue Wohnungen im Jahr zu bauen, würde damit noch weiter in die Ferne rücken. Hübner geht ferner davon aus, dass die Zahl der Insolvenzen bei kleineren und mittleren Betrieben steigt. Erstmals seit 2008 werde am Bau wieder Beschäftigung abgebaut, sagt er der FAZ weiter.

Auch eine Umfrage des ifo-Instituts zeigt: Die Stimmung in der Wohnungsbaubranche ist so schlecht wie lange nicht mehr. Im Dezember sank der Geschäftsklima-Index auf minus 56,8 Punkte und damit auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1991. „Die außergewöhnlich schwachen Erwartungen zeigen, dass die Firmen aktuell keine Hoffnung haben“, erklärte Klaus Wohlrabe, der Leiter der Ifo-Umfragen, dazu. Die Perspektiven im neuen Jahr seien eher düster.

Laut der Nachrichtenagentur dts sieht Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) derzeit keinen Spielraum, das Bauen in Deutschland über die laufenden Programme zum Beispiel mit zinsgünstigen Darlehen hinaus breit zu fördern. „Es ist sehr schwierig, das für alle und für alles auszuweiten“, sagte sie dem Sender ntv. Erstens seien das Milliarden, die man brauche. „Und zweitens hat die EZB die Zinsen nach oben gesetzt, um die Inflation zu senken. Das heißt, wenn die Inflation gesenkt werden muss und wir gleichzeitig viel Geld in den Markt geben über eine solche Kreditsubvention, dann konterkariert man die EZB-Politik.“

Sozialwohnungen

Vor rund einem Jahr wies Klara Geywitz (SPD) jegliche Kritik wegen fehlender Sozialwohnungen zurück. Eine von Mieterbund, Baugewerkschaft sowie Sozial- und Branchenverbänden vorgelegte Studie zum Fehlen von Sozialwohnungen beziehe sich auf das Jahr 2021 und damit auf die Arbeit der Vorgängerregierung, so Geywitz damals bei ZDFheute live. Solche Zahlen zu verwenden, sei „ein Stück weit unseriös“.

Laut einer Studie, die das Bündnis Soziales Wohnen vorgestellt hatte, herrscht in Deutschland der größte Wohnungsmangel seit mehr als 20 Jahren. Das Problem spitze sich wegen der Bevölkerungszunahme weiter zu, heißt es. Wobei der „Bevölkerungszunahme“ zum einen die über eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zuzurechnen ist, und zum anderen rund 330.000 Personen im Jahr 2023, (2022 waren es 250.000) meist junge Männer, die in unserer Republik „Asyl“ beanspruchten. Hinzu kommen noch 125.000 Visa zum Familiennachzug, die 2023 erteilt wurden.

Im Sommer vergangenen Jahres schrieb Boris Palmer in der Welt: „In der Stadt Tübingen, für die ich Verantwortung trage, sind alle seit 2015 im Saldo neu geschaffenen Sozialwohnungen mit Flüchtlingen belegt …“ Das dürfte in anderen Kommunen wohl ganz ähnlich aussehen.

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