Tichys Einblick
Große Namen der Kommunikationsbranche

Wirecard: Die PR-Profiteure wollten vom Skandal nichts wissen

Als Wirecard noch als großer Stern am deutschen Fintech-Himmel galt, fehlte kaum ein großer Name der PR-Branche unter den Geschäftspartnern. Nach der Entlarvung des Milliardenbetrugs, stilisierten sie sich zu Opfern ihres Kunden hoch.

imago Images / Sven Simon

Ludergeruch, das weiß jeder Jäger, lockt so manchen Aasfresser an. Dass im übertragenen Sinn das zerplatzte Luftschloss namens Wirecard eine ähnliche Wirkung auf allerlei Berater und Lobbyisten ausgeübt zu haben scheint, darauf weisen kürzliche Veröffentlichungen in der Süddeutschen Zeitung nach Recherchen der „SZ“ mit NDR und WDR hin. Kaum ein bekannter Name der Kommunikationsbranche fehlt demnach in der E-Mail-Sammlung, die dem Recherchenetzwerk aus den Reihen der Teilnehmer des Untersuchungsausshusses des Bundestags zur Wirecard-Affäre zugespielt wurde – natürlich nach intensivsten, brutalst investigativen Recherchen, wie die fleißigen Journalisten glauben machen.

Aber lustig ist es schon zu lesen, wie etwa der Ex-Bild-Chefredakteur Kai Diekmann an den Vorstandsvorsitzenden von Wirecard, Markus Braun, liebedienerisch schrieb – wir zitieren aus der Süddeutschen: Lieber Herr Dr. Braun, es macht mich fassungslos, wie Fakten und Darstellung von Fakten auseinanderfallen können. Bleiben Sie stark!“ Das klang fast wie „alternative news“, die Kellyanne Conway, ehemalige Beraterin Donald Trumps, erfand. Die Mail stammt vom 14. Mai vergangenen Jahres, als die Welt über Braun und seinen Finanzdienstleister bereits zusammenbrach.

Zuvor hatte Diekmann im Auftrag der Kommunikationsagentur Edelman und ihres Managing Directors Rüdiger O. Assion bei zwei Staatssekretären der Bundesregierung dafür geworben, Leerverkäufe von Wirecard-Aktien auszusetzen, nachdem Spekulaten den Kurs der Wirecard-Aktie stark unter Druck gesetzt hatten. Es dauerte dann auch nicht mehr lange, bis das Aschheimer Unternehmen, einst zum deutschen Digital-Wunderkind hochgejazzt, Konkurs anmelden musste und der von so manchem Berater zum DigitalGuru verklärten Braun in Untersuchungshaft landete.

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Auch zu dem Zeitpunkt, als Assion mit Edelman für Wirecard zu arbeiten begann, das war wohl gegen Ende 2019, waren eigentlich nicht mehr zu übersehen, dass bei dem DAX-Unternehmen nicht alles koscher sein konnte. Die dunklen Wolken hingen da längst über Wirecard. Die Financial Times hatte da bereits mehrfach über kriminelle Machenschaften des Unternehmens beziehungsweise von Tochterfirmen in Asien berichtet; die Veröffentlichung der Bilanz musse mehrfach verschoben werden und die Prüfer von KPMG waren mit einer Sonderprüfung bei Wirecard beauftragt. Doch Assion ebenso wie der Türöffner Karl-Theodor zu Guttenberg wollen im Nachhinein von alledem nichts mitbekommen haben. Schließlich habe doch die BaFin nichts gegen Wirecard unternommen, sondern die Autoren der Financial Times, Dan McCrum und Stefania Palma, wegen des Verdachts der Kursmanipulation angezeigt. Und auch Wirecard selbst habe doch Schadensersatzklage gegen die FT erhoben.

Als das Kartenhaus schließlich zusammenfiel, fielen die Berater nach eigenen Angaben aus allen Wolken und stilisierten sich zu Opfern ihres Kunden hoch. Laut SZ sagte zu Guttenberg vor dem Untersuchungsausschuss: Ihm sei noch bei einer von Edelmann organisierten Besprechhung im März vergangenen Jahres, bei der es um eine Kampagne gegen die Leerverkäufe gegangen sei, „der gleiche Mist, das gleiche Lügengebilde“ aufgetischt worden: Die bösen Shortseller, die gute BaFin und die gute Staatsanwaltschaft, die Verleumdungskampagne der Financial Times und die wiederum erwarteten uneingeschränkten Testate der Wirtschaftsprüfer“, zitiert ihn die „SZ“. Hätte zu Guttenberg in den vier Jahre, während der er für Wirecard Türen geöffnet hatte, Zeitung gelesen, hätte in ihm vielleicht doch ein Verdacht keimen können?

Vor Edelmann war auch die PR- und Lobby-Agentur WMP-Eurocom für Wirecard aktiv – will allerdings nur bei der Auswertung von Veröffentlichungen über Wirecard und unternehmensintern bei der Organisation der Unternehmenskommunikation tätig geworden sein, wie der damalige Vorstandsvorsitzende von WMP, Michael Inacker, gegenüber dossierB bereits im Sommer vergangenen Jahres betonte. Der Stern schrieb allerdings kürzlich, WMP habe Wiredcard schon Ende 2016 ein umfassendes Konzept für PR-Aktivitäten unterbreitet, unter anderem mit einer „black list / white list“ von Pressevertreten, die Wirecard kritisch beziehungsweise wohlgesonnen gegenüber standen. Wie dossierb aus dem Münchner Büro von WMP erfuhr, sei es dabei nicht um Strafmaßnahmen gegen die einen und Zucker für die anderen gegangen, sondern um Vorschläge, wie man auf kritische Jounalisten zugehen können, um sie mit Informationen von einer eventuellen Voreingenommenheit abzubringen. WMP sei schließlich Anfang 2020 gekündigt worden.

Ganz in Vergessenheit ist offenbar geraten, dass auch Hering Schuppener schon mal für Wirecard und Braun unterwegs war und der flüchtige Vorstand Jan Marsalek gern auf den Rat von Carsten S. Zehm, Inhaber der Agentur Zehm Public Relations in Starnberg, hörte. Und nicht zu vergessen: Für die persönliche Beratung des Firmenchefs Braun legte sich auch schon mal die Agentur Cardo des einstigen VW-Kommunikators Dirk GroßeLeege ins Zeug.

Zu Guttenberg musste bereits vor dem Untersuchungsausschuss des Parlaments aussagen. Gut möglich, dass demnächst auch andere Ex-Berater von Wirecard in Berlin antreten müssen.

PS.: Da wir schon mal bei Kommunikationsberatern sind: Gerade erfuhr dossierB, dass der Aufsichtsrat der WMP Eurocom Strafanzeige gegen den früheren Vorstandsvorsitzenden Michael Inacker gestellt hat. WMP Eurocom, die bekanntlich mehrheitlich Hans Hermann Tiedje gehört und in deren Aufsichtsrat unter dem Vorsitz von Bernhard Link auch der schillernde Ulrich Marseille sitzt, wirft Inacker Untreue vor. Das geht aus einem Schreiben des Anwalts von Inacker an die Frankfurter Allgemeine Zeitung hervor, die offensichtlich aus der WMP-Führung einen Hinweis auf das Vorgehen der Agentur bekommen hatte und Inacker um Stellungnahme bat.

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