Tichys Einblick
Coronavirus

Die Weltwirtschaft im Würgegriff

Während die deutsche Autoindustrie noch Hoffnung zu verbreiten versucht, dass die Auswirkungen der Epidemie aufgefangen werden können, senkt die OECD ihre Prognosen deutlich.

Aktienhändler an der New Yorker Börse NYSE

imago images / ZUMA Press

Das Coronavirus hat die Weltwirtschaft mittlerweile fest im Würgegriff. Dass die Auswirkungen schon jetzt deutlich spürbar sind, ist nicht zu bezweifeln. Dazu genügt ein Blick auf die Charts aller wichtigen Börsenindizes. Fraglich ist nur, ob die Ursache dafür fundamental zu begründen sind, oder ob dahinter, wie etwa DIW-Präsident Marcel Fratzscher behauptet, ein irrationales „Herdenverhalten“ von Marktteilnehmern stehe. Wobei natürlich letztlich auch dieses in der Wirtschaft ein Faktum ist, das seine eigenen Tatsachen schafft. 

„Die Unsicherheit regiert weltweit“, zitiert das Handelsblatt Claudio Borio, Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel. Das entspricht vermutlich der Befindlichkeit der meisten Marktakteure. Die Aufwärtsbewegung im Dax und anderen Indizes heute dürfte dementsprechend wohl noch längst nicht das Ende der brisanten Phase markieren. Eher ist wohl mit weiteren Kursausschlägen nach unten zu rechnen. 

Fundamentale Argumente zur Entwarnung sind jedenfalls rar – weder was die Ausbreitung des Coronavirus angeht, noch von den Unternehmen oder aus den volkswirtschaftlichen Statistiken. Allenfalls die geringe Zahl der gemeldeten Neuinfektionen in China könnte ein Lichtschweif am Horizont sein. Für die Unternehmen und ihre Aktionäre dürfte jetzt die Hoffnung auf Konjunkturprogramme die wichtigste Hoffnung sein. Eine eilig anberaumte Telefonkonferenz der Finanzminister und Zentralbankchefs der sieben größten Industriestaaten (G7) lieferte am Dienstagmittag allerdings keine konkreten Ergebnisse. Die Teilnehmer bekräftigten lediglich ihre Bereitschaft, der Wirtschaft unter die Arme zu greifen.

Die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) hat in einer neuen globalen Konjunkturprognose das Coronavirus als „größtes Wirtschaftsrisiko seit der Finanzkrise“ bezeichnet: „Weitere Einschränkungen des Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehrs sind absehbar und dürften zu einer Verschlechterung des Geschäfts- und Konsumklimas und einer Verlangsamung der Produktion führen.“ Selbst im günstigsten Fall einer nur schwachen Virusverbreitung über China hinaus wird sich das weltweite Wirtschaftswachstum in der ersten Jahreshälfte voraussichtlich stark verringern, als Folge von unterbrochenen Lieferketten, einem Rückgang des Tourismus und einer Verschlechterung des Geschäftsklimas. Entsprechend dürfte sich das Wachstum der Weltwirtschaft von bereits schwachen 2,9 Prozent in 2019 auf 2,4 Prozent in 2020 abschwächen. 2021 könnte das Wachstum wieder auf verhaltene 3,3 Prozent steigen. Die Wachstumsaussichten für China werden für 2020 deutlich auf unter fünf Prozent gesenkt – verglichen mit 6,1 Prozent in 2019.

Eine breitere Ansteckungswelle im Asien-Pazifik-Raum; und den Industrieländern, wie jetzt in China, könnte hingegen das globale Wachstum auf 1,5 Prozent reduzieren – die Weltwirtschaft wüchse dann 2020 nur noch halb so stark wie in der OECD-Prognose vom letzten November angenommen. Die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus und der Vertrauensverlust würden sich auf Produktion und Konsum derart auswirken, dass einige Länder in eine Rezession abrutschen könnten, darunter Japan und die Eurozone. Deutschland prophezeit die OECD in diesem Jahr nur 0,3 Prozent BIP-Wachstum.

Mittlerweile mehren sich wegen befürchteter oder auch schon greifbarer Einbußen offizielle oder verdeckte Gewinnwarnungen von großen Unternehmen, auch in Deutschland. Die Deutsche Post sprach noch keine offizielle Warnung aus, meldete aber, dass Corona sich im Februar mit einem Betrag von 60 Millionen Euro bis 70 Millionen Euro negativ auf das bisher erwartete Ergebnis auswirken wird. 

Die deutschen Autokonzerne Daimler und BMW behaupten noch, sie wollten ihre Absatzeinbußen in China wegen des Coronavirus im weiteren Jahresverlauf ausgleichen. Beide Konzerne hatten wie andere auch wegen der Coronavirus-Epidemie in China ihre Produktion nach den chinesischen Neujahrsferien erst verspätet wieder aufgenommen. Die Vorstandschefs Oliver Zipse (BMW) und Ola Källenius (Daimler) sagten vor Journalisten, die Lieferketten seien nicht unterbrochen. Källenius sagte nach Angaben des Manager-Magazins, Lücken hätten bisher geschlossen werden können, notfalls mit Flugtransporten. Deshalb habe es bisher auch keine Auswirkungen auf die Pkw-Produktion außerhalb Chinas gegeben. Zipse sagte, die Lieferketten seien zumindest für die nächsten drei Wochen abgesichert. „Bislang haben wir keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit unserer Werke.“ Bislang – das ist vermutlich das entscheidende Wörtchen. 

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