Tichys Einblick
"Grüner Stahl"

ThyssenKrupp: Der Traum der IG-Metall von der staatlichen Stahlindustrie

Die IG Metall fordert die staatliche Rettung der maroden Stahlsparte von ThyssenKrupp. Doch es ist gerade der Staat, der durch industriefeindliche Politik den Erhalt der Schwerindustrie in Deutschland behindert.

IMAGO / Rupert Oberhäuser

Wäre Knut Giesler aufrichtig, dann müsste der Bezirksleiter der IG Metall von Nordrhein-Westfalen den Zehntausenden von Mitarbeitern der Stahl-Sparte von ThyssenKrupp-Stahlbereich sagen: Ihr habt keine Aussicht auf Erfolg! Denn es gibt für euch nichts mehr zu verdienen.

Stattdessen fordert er Staatsgeld von Bund und Land für den maroden Stahlkonzern Thyssenkrupp. Der Staat dürfe sich nicht aus der Verantwortung stehlen, sagt er: »Er muss dafür sorgen, dass zehntausende Arbeitsplätze erhalten bleiben.« Was man als Gewerkschaftsfunktionär eben sagt.

Die Stahlsparte von ThyssenKrupp, Hinterlassenschaft einer langen Geschichte zweier großer Schwerindustriekonzerne, schlingert immer tiefer in die Krise. Es gibt nur drei Optionen: Im ThyssenKrupp-Konzern behalten, abspalten oder verkaufen?
Der britische Konkurrent Liberty Steel, der zu dem britisch-indischen Industrieclan Sanjeev Gupta gehört, will eventuell das Stahlgeschäft kaufen. Da er aber laut Bloomberg einen negativen Kapitalwert von 1,5 Milliarden Euro beziffert, will er nicht bezahlen, sondern fordert im Gegenteil noch vier Milliarden Euro von ThyssenKrupp als zusätzliches Kapital zur Deckung von Verbindlichkeiten und Pensionen.

Das Kernstück der einstigen deutschen Schwerindustrie schreibt seit Jahren Verluste. Viele katastrophale Fehlentscheidungen der mittlerweile abgetretenen Chefetage kosteten ThyssenKrupp viel Geld – besonders katastrophal: der Bau eines Stahlwerkes in Brasilien. Das erschien zunächst sinnvoll, weil viel billige Energie im Land vorhanden ist. Allerdings lähmten und verteuerten erhebliche technische Komplikationen die Errichtung des Werks.

Eine unheilvolle Rolle spielt die Krupp-Stiftung als Haupteigentümerin von ThyssenKrupp. An deren Spitze sitzt die Rektorin der TU Dortmund, Ursula Gather, daneben auch der entlassene BMW-Automanager Bernd Pischetsrieder sowie der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet. Es wird interessant, wie er im Superwahljahr drohende Massenentlassungen bei ThyssenKrupp in den Schlagzeilen vermeiden will. Bisher jedenfalls lehnte er noch Staatshilfen ab und zog sich den Ärger der IG Metall zu.

17 Milliarden Euro erlöste ThyssenKrupp aus dem Verkauf seiner lukrativen Aufzugssparte. Die scheinen schon verpufft. Dennoch: Thyssen hatte auch viele Aufgaben gelöst. Es wurden hervorragende neue Stahlsorten entwickelt, die gut gegen Aluminium bestehen konnten – vornehmlich wichtig für die Autoindustrie. Doch auch hier brechen Absatzmärkte in gigantischem Ausmaß weg. Die industrie- und autofeindliche Politik wirkt: Viele Autozulieferer machen dicht, die Autohersteller selbst verlagern ihre Produktion zusehends in andere Länder.

Die »Energiewende« treibt die Preise für Energie – eine der entscheidenden Größen in der Produktion – in schwindelnde Höhen. Den Rest geben der Schwerindustrie die CO2-Abgabe und schließlich das Phantasiegebilde »grüner Stahl«. Der soll mit Wasserstoff verhüttet werden und angeblich CO2-frei sein. Stahl allerdings ist eine Legierung aus Eisen und Kohlenstoff. Der kommt bei der Stahlherstellung aus der Kokskohle.

Auch IG-Metall-Mann Giesler bringt den Modebegriff »grüner Wasserstoff« als Zukunft ins Spiel und hat vermutlich Staatsgelder im Sinn. ThyssenKrupp und der Stromversorger Steag planen, eine Anlage zur Erzeugung von Wasserstoff zu bauen, die mit »Ökostrom« betrieben werden soll. Doch woher die gigantischen Strommengen bei Flaute kommen sollen, weiss niemand.

In jedem Fall würde der Stahl erheblich teurer werden und müsste sich vom Weltmarkt verabschieden. China und Indien produzieren ihn zu deutlich günstigeren Preisen. Der Stahlbereich von ThyssenKrupp dürfte im Ergebnis tatsächlich CO2-frei werden – jedoch nicht, weil er schönen »grünen Stahl« produziert, sondern weil er aus der Landschaft komplett verschwinden wird.

Wundern darf diese Entwicklung nicht. Sie ist das Ergebnis einer technikfeindlichen Ideologie, wie sie vor langem begonnen hat und heute beispielsweise vom Umweltbundesamt als »Entkopplung« von Gesellschaft und Wirtschaftswachstum gepriesen wird. Es heiße Abschied nehmen vom Wirtschaftswachstum zugunsten umweltpolitischer Ziele. Oder kurz: Weg mit Wirtschaftswachstum. »Mit dieser vorsorgeorientierten Postwachstumsposition kann es gelingen, planetare Grenzen einzuhalten.«

Darunter tun sie es nicht mehr.

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