Tichys Einblick
Elon Musk als PR-Meister

Teslas fauler Tank-Zauber 

Als jüngsten Coup lancierte PR-Meister Elon Musk die Ankündigung, Tesla-Kunden könnten ihre Autos kostenlos an den Tesla-eigenen Superchargern laden. Doch viel Substanz ist bei näherer Betrachtung nicht dahinter. Musk hat nichts zu verschenken, sondern will sparen.

Tesla-Ladestation in Böblingen bei Stuttgart, 16.06.2022

IMAGO / Eibner

Elon Musk nötigt nicht nur einschlägig vorbelasteten Kennern der Materie „Elektro- und Batterie-Mobilität“ höchsten Respekt ab, sondern auch PR- und Marketing-Fachleuten. Er ist ein ausgebuffter PR-Experte. Als jüngsten Coup lancierte seine Firma Tesla die Ankündigung, Tesla-Kunden könnten ihre Autos kostenlos an den Tesla-eigenen Superchargern laden. Natürlich nicht alle, sondern nur eine ausgewählte Schar. Nur, wer vor dem 1. Januar 2017 einen Tesla gekauft und diesen vor dem 1. April 2017 erhalten hat, kann sein Fahrzeug unbegrenzt kostenlos an Teslas Superchargern aufladen. 

Als einziger Automobilhersteller der Welt baut Tesla ein weltweites Netz aus Schnellladestationen auf, welches von Tesla-Fahrern genutzt werden darf. Ein Tesla-Supercharger lädt mit einer Leistung von bis zu 250 kW, was ungefähr einer Reichweite von 270 km nach fünfzehnminütiger Ladung – oder einer Tasse Kaffee – entspricht. 

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Das Supercharger-Netz von Tesla in Deutschland ist in den vergangenen drei Monaten um gut zehn Prozent größer geworden. Das geht aus der Karte der Tesla-Standorte weltweit hervor, die das Unternehmen in dieser Woche aktualisiert im Internet veröffentlichte. Ende April lag die Zahl der deutschen Supercharger-Stationen nach Tesla-Angaben bei 125. Außerdem sollen noch 79 Standorte hinzukommen, an denen zumeist noch in diesem Jahr neue Supercharger entstehen sollen. Die meisten befinden sich wie gewohnt an Autobahnen, kaum in Millionenstädten und auf dem flachen Land gar nicht. In Berlin eröffnete Tesla im September 2020 seinen ersten urbanen Supercharger und kündigte weitere Standorte dieser Art an, und seitdem hat auch München zwei Tesla-Stationen im Stadtgebiet bekommen.

Folge: „Grüne“ Umweltaktivisten auf dem flachen Land gehen leer aus, kein kostenloses Tanken. Das Gleiche gilt für die Städter, die erst an die Autobahn zum Gratis-Tanken fahren müssen. Der umweltbewusste Zahnarzt aus der Heide oder aus Bitterfeld hat also wenige Chancen, seinen Tesla für den Rest des Autolebens gratis zu betanken. 

Nach Daten des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) belief sich der Tesla-Bestand in Deutschland am 1. Januar 2017 auf insgesamt 4358 Fahrzeuge. Bis Ende März 2017 kamen noch 1023 Neuzulassungen hinzu. Theoretisch kämen also maximal 5381 Fahrzeuge für das kostenlose Laden in Frage.

Nach außen sieht die Tank-Geste nobel und wie ein teures Marketingversprechen zulasten der Tesla-Kostenrechnung aus. Tesla-Besitzer der ersten Stunde dürfen mit ihren Autos ein Fahrzeugleben lang kostenlos an Teslas Superchargern laden. Angesichts steigender Strompreise wird das für den Autohersteller zusehends teuer, könnte man meinen. Doch weit gefehlt, Musk möchte Geld sparen, statt Geschenke an Alt-Kunden zu verteilen.

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Das „Elektro-Freibier“ ist nämlich nicht an das Fahrzeug, sondern an den Halter geknüpft. Dieser muss seinen bis 31. März 2017 gekauften Tesla auch noch am 1. September 2022 sein eigen nennen, darf ihn also nicht verkauft oder, was zahlreiche Leserzuschriften ob der Qualitätsmängel in einschlägigen Autogazetten etc. nahelegen, nicht schon verschrottet haben. Oder er ist abgebrannt, was gelegentlich vorgekommen ist. 

Wie viele von diesen rund 5400 Autos heute noch im Bestand auf der Straße sind, und wie viele davon zudem dann noch im Eigenbesitz der Erstkäufer sind, lässt sich aus den Daten des KBA nicht ermitteln. Die Zahlen kennt nur Elon Musk respektive sein EDV-Ressort, das alle Vernetzungs-Daten jedes einzelnen Fahrzeuges kennt. Alle Bestands- und Bewegungsdaten laufen dort über die diversen Online-Apps, wie gebührenpflichtiges Nachladen etc., laufen dort zusammen. Big brother is watching you …! 

Die tatsächliche Anzahl von Teslas, für die kostenloses Laden theoretisch in Frage käme, dürfte mindestens um die Hälfte niedriger liegen als von der Automobilwoche im nachfolgenden Rechenbeispiel wohlwollend mit 4500 Alt-Teslas im Fahrbetrieb unterstellt. Und deren Besitzer angesichts hoher Strompreise nunmehr vermehrt an die Supercharger-Ladesäulen getrieben würden. Aber eben nur an der Autobahn, nicht at home!

Die Automobilwoche macht auf Basis von 4500 Tank-Priviligierten folgende theoretische Rechnung auf: Bei einem Stromverbrauch von 22 Kilowattstunden (kWh) pro 100 Kilometer und einer  Jahresfahrleistung von 20.000 km an, von der ca. 20 Prozent an einem Supercharger geladen werden – entspricht das rund 4000 km oder 880 kWh.

Legt man Stromtarife von etwa einem Euro pro kWh ab 2023 zugrunde, multipliziert mit 880 kWh, die jeder der 4500 Kostenlos-Lader pro Jahr an Superchargern tankt, ergeben sich daraus 3,96 Millionen Euro, die Tesla seinen Kunden schenken würde. Selbst wenn dem so wäre, müsste das Elon Musk angesichts eines Gewinns von 5,5 Milliarden Euro im Jahr 2021 keinerlei Sorgen bereiten.

Dem ist aber nicht so. In Wirklichkeit dürfte Tesla bei diesem Geschäft Geld verdienen. Denn Tatsache ist, dass bis zum Frühjahr 2022 sämtliche Garantieleistungen jeglicher Art, die auf maximal fünf Jahre befristet sind, für alle Teslas bis zum 1. April 2017 gekauft wurden, ausgelaufen sind. Mit dem Lockmittel des kostenlosen Tankens werden die Alt-Besitzer dazu angereizt, ihre Autos weiter zu fahren, zu reparieren und technisch zu pflegen und Instand zu halten, natürlich nur bei und mit Entgelt für Tesla selber. Diese Erlöse aus dem Alt-Bestandsgeschäft dürften die entfallenden Stromkosten um ein Vielfaches übertreffen. Und gute gebrauchte Tesla-Fahrzeuge jüngeren Datums erfüllen nicht die Anforderungen der Gratis-Betankung. 

Aus all dem folgt: Elon Musks PR-Zauber ist ein fauler Zauber. Die Gratis-Betankung für Altfahrzeuge ist ein Danaer-Geschenk.

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