Tichys Einblick
Wie Aktien auf Speed

Teslas Ankündigung treibt Kryptowährungen in die Höhe

Nach der Ankündigung von Tesla, einen Teil seines Kapitals in Bitcoin zu investieren, schießt die Kryptowährung weiter nach oben. Welche Strategie steckt dahinter? Was bedeutet der Trend für Anleger?

IMAGO / ZUMA Wire
Die Pressemitteilung des teuersten Autokonzerns der Welt vom 8. Februar 2021 liest sich nüchtern – und befeuerte sofort die Phantasie von Anlegern und Finanzexperten weltweit.

Im Januar, teilte der Elektroauto-Hersteller Tesla mit, habe das Unternehmen seine Investmentpolitik verändert: Es werde insgesamt 1,5 Milliarden Dollar seiner Rücklagen in Bitcoin anlegen. Schon am 29. Januar erschien im Twitter-Account von Tesla-Chef Elon Musk der Hashtag „#Bitcoin“.

Der Preis für die Digitalwährung sprang damals innerhalb einer Stunde um 13 Prozent nach oben. Am 9. Februar liegt er bei über 46 000 Dollar beziehungsweise über 38 000 Euro. Zum Vergleich: Anfang 2020 rangierte er noch unter 5000 Euro, Ende der vergangenen Jahres bekam ein Käufer die Einheit der bekanntesten Kryptowährung für 20 000 Euro.

Tesla verkündete nicht nur, einen Teil seiner Reserven in Bitcoin zu investieren, sondern auch, in „naher Zukunft“ die elektronische Währung als Zahlungsmittel für seine Autos zu akzeptieren. Sollte der Autohersteller diese Neuerung tatsächlich durchsetzen – und andere Unternehmen folgen – dann könnten sich Bitcoin und andere digitale Einheiten vom Spekulationsobjekt zu einer (wahrscheinlich immer noch volatilen) Währung neben den Zentralbankwährungen etablieren. Schon Ende 2020 deutete sich dieser Trend an: PayPal-Gründer Peter Thiel erklärte, seinen Geldtransfer-Dienst künftig auch für Kryptowährungen zu öffnen. Auf das neue Gebiet wagt sich auch die spanische Bank BBVA. Sie bietet ab diesem Jahr als erstes europäisches Institut Handel und Verwahrung von Bitcoin an, vorerst nur in der Schweiz.

Nicht nur der Bitcoin-Preis schoss seit Ende 2020 kräftig noch oben, sondern auch die Notierungen für etliche kleinere Einheiten. Für einen Ethereum etwa waren Anfang 2020 gerade um 120 Euro fällig, im Dezember kostete die Einheit um 600 Euro – aktuell über 1400.

In einem Fall einer Krypto-Kleinwährung heizte Musk das Fieber per Twitter persönlich an, indem er Dogecoin lobte. Die bis dahin weithin unbekannte Krypto-Einheit kostete noch im Januar 2021 um 0,007 Euro pro Stück, um dann am 28. Januar binnen Stunden um über 220 Prozent nach oben zu jagen. Offensichtlich hatte jemand viel eingekauft. Wegen der relativ geringen Marktkapitalisierung reagieren kleine Krypto-Einheiten wie Aktien auf Speed. Nach einem kurzen Rückgang stieg Dogecoin weiter auf aktuell über 0,06 Euro. Elon Musk gefällt das:

Für Tesla selbst bedeutet die Ankündigung, Krypto-Währungen zu halten und zu akzeptieren, zunächst eine Stärkung des Images als Pionier-Unternehmen, das sich an die Spitze von Trends setzt, und diese Trends damit gleichzeitig befeuert. Zweitens – darauf weisen Analysten hin – macht der Schritt die Finanzsituation wie den Geldfluss des Autoherstellers volatiler. Für Tesla bedeutet das möglicherweise mehr Finanzkraft, aber auch mehr Risiko. Bei Musks Unternehmen handelt es sich allerdings ohnehin um keine konventionelle Firma. Der mit einer Marktkapitalisierung von 811 Milliarden Dollar wertvollste Autohersteller der Welt erwirtschaftete 2020 zum ersten Mal in seiner Geschichte einen bescheidenen Gewinn von 721 Millionen Dollar – nach einem Verlust von 862 Millionen noch 2019. Allerdings verdient Tesla sein Geld nicht mit dem Bau von Autos, sondern mit dem Verkauf von CO2-Zertifikaten. Da er ein reiner Elektroauto-Hersteller ist, kann er anderen Auto-Konzernen, die vor allem Verbrenner produzieren, Zertifikate anbieten, die Tesla wegen seiner rein elektrischen Produktpalette nicht für sich nicht braucht. Auf diese Weise kassierte Musks Firma allein 2020 1,6 Milliarden Dollar. Was auch bedeutet: ohne diesen Handel wäre ihre Bilanz immer noch tief rot. Zu diesem unkonventionellen und spekulativen Geschäftsmodell passt der Sprung in die Kryptowährung ganz gut.

Der Wert von Bitcoin, Ethereum, Dogecoin steigt aber auch aus einem anderen Grund. Und der spielt eine größere Rolle als Elon Musks Geschäftspolitik. Durch die gewaltige Flut von Bargeld, – angeheizt durch die noch einmal stark erhöhte Druckgeschwindigkeit wegen der Corona-Krise – schwindet weltweit das Vertrauen in Zentralbankwährungen. Allein vom 1. Januar bis zum 18. Dezember 2020 schnellte die Bilanzsumme der Europäischen Zentralbank (EZB) um 47,58 Prozent nach oben, sie durchbrach damit zum ersten Mal die Marke von sieben Billionen Euro.

Zum Vergleich: Im Februar, am Beginn der Corona-Pandemie, stand sie noch bei 4,6 Billionen. Weltweit öffneten die Zentralbanken 2020 ihre Schleusen: Um 23 Prozent beziehungsweise 132 Billionen Yen stieg die Bilanzsumme der Bank of Japan von Jahresbeginn 2020 bis Ende Oktober, um 40 Prozent beziehungsweise 236 Milliarden Pfund die der Bank of England, um 73 Prozent die der Federal Reserve – eine Ausweitung von 3,069 Billionen Dollar. Der neue US-Präsident Joe Biden kündigte schon ein noch gewaltigeres Konjunkturprogramm an als das, was schon sein Vorgänger Donald Trump aufgelegt hatte. Außerdem möchte er die Bezugszeit des Arbeitslosengeldes verlängern und den Mindestlohn erhöhen. Im Jahr 2021 dürfte sich also die Fed noch einmal steigern, auch die EZB. Unter diesen Bedingungen sehen sich Anleger von großen Fonds bis zu kleineren Sparern global nach Alternativen um. Ein Teil des Geldes fließt in die Aktienmärkte: Am 8. Februar überschritt der Dax den Stand von 14 000 Punkten. Und auch an anderen Börsen erreichen die Notierungen Werte, die über der Vor-Corona-Zeit liegen. Der Goldpreis liegt trotz eines vorübergehenden Rückgangs heute höher als im Frühjahr 2020. Kryptowährungen stellen nur eine von mehreren Fluchtmöglichkeiten aus dem Baren dar. Denn sie sind anders als Dollar, Euro und Yen nicht beliebig vermehrbar, ihre Menge unterliegt einer technischen Begrenzung. Und gerade die kleineren Einheiten unterhalb von Bitcoin scheinen die Phantasie der Anleger zurzeit mehr zu reizen als alles andere.

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