Tichys Einblick
Fans gegen Rummenigge und Co

Profifußball: Funktionäre haben vergessen, wem sie den Erfolg verdanken

Die meisten Strippenzieher des Milliardengeschäfts Profifußball scheinen nicht mehr zu wissen, wer die einst schnöde Bundesliga zu einer der populärsten Ligen der Welt gemacht hat: die Fans. Aber die aktuellen Fan-Initiativen haben ebenso wie Rummenigge den falschen Ton angeschlagen.

imago images / Revierfoto

Seit mehr als 30 Jahren bewege ich mich in der Welt des Spitzensports und habe den Weg der grauen Maus Bundesliga vor dem Einstieg des Privatfernsehens bis jetzt meist hautnah mitverfolgt, stand als junger Bub auf den Stehplätzen, als Reporter auf der Pressetribüne und auch als Funktionär am Spielfeldrand und habe die Kahns, Rummenigges oder auch Watzkes kennen und schätzen gelernt. Die Strippenzieher des heutigen Milliardengeschäfts können sich noch genau erinnern, wie trostlos es war, in einem halbleeren Olympiastadion zu kicken, wie erbärmlich der Zustand des deutschen Fußballs in den 80ern war.

Sie haben aber offenbar in den vergangenen Jahren, verwöhnt durch Millionen von Fernseh- und Sponsoren-Euros, vergessen, wer die schnöde Bundesliga zu einer der populärsten und attraktivsten Ligen der Welt gemacht hat. Es waren die Fans, genauer die Ultras, die in den 90er Jahren, die Betonschüsseln – meist noch ohne Dach und VIP-Logen – mit Leben gefüllt haben.

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Neue Arenen sind entstanden, neues Geld wurde generiert, die Vereine sind längst zu Wirtschaftsunternehmen mutiert. Aber die Fans, die mit ihrer Stimmung, den Eintrittsgeldern und TV-Abos maßgeblich zu dieser positiven Mutation beigetragen haben, wurden vergessen, wurden meist in eine gewalttätige und laute Ecke gestellt. Ihnen wurden Spielzeiten diktiert, ihnen wurden Verhaltenskataloge auferlegt und ihre Anliegen wurden meist zwar gehört, aber nie umgesetzt. Das ist bis heute so. Mit einer Ausnahme. Mit dem neuen TV-Vertrag, der ab der Saison 2021/22 gilt, fallen die Montagsspiele weg. Einen Jubel hörte der millionenschwere Veranstalter Deutsche Fußball Liga (DFL) aber nicht. Warum auch.

Die Fronten zwischen der DFL, ihren Vereinen und den Fans sind verhärtet. Ich hätte gedacht, dass die Corona-Auszeit für klare Luft zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen gesorgt hätte, doch ich habe mich getäuscht. Corona hat es möglich gemacht: Die Fans wissen nun, dass Geisterspiele in der Bundesliga in die Tonne gekloppt gehören und wittern nun Morgenluft. Mit der Fan-Initiative “Unser Fußball” wollen sie aufrütteln und polemisch an die Öffentlichkeit treten. Mit ihren Forderungen, die zum Teil einfach utopisch sind – unter anderem Mitbestimmung über die TV-Einnahmen – und auch als Drohung angesehen werden können, sind sie bei den mächtigen Machern und Clubbossen aber ins Fettnäpfchen getreten.

Die Zukunft des Fußballs bestimmen die Fans schon lange nicht mehr, sondern Sponsoren, TV-Unternehmen und die Vereine selbst. Die harten Worte von Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge gegen das Fan-Bündnis kommen aus einer bequemen Position heraus. Sein Verein ist kerngesund, hat eine eigene Arena, den besten Kader und viele Millionen auf dem Konto.

Wenn die Fans in Zukunft etwas erreichen wollen, müssen sie andere Worte wählen, andere Ziele definieren. Schritt für Schritt. Und dann dürften auch Leute wie Rummenigge oder Watzke gesprächsbereit sein für Reformen und Wünsche. Es ist der Ton, der die Musik macht. Und die haben beide Seiten momentan nicht getroffen. Übrigens ist der FC Bayern München der einzige Spitzenclub in Europa, der wirklich ohne Zuschauer im Stadion auskommen kann. Nach dem Re-Start hat der Rekordmeister alle Pflichtspiele gewonnen.

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