Tichys Einblick
Konzern in Schieflage

Volkswagen: Erste Entlassungen im E-Auto-Werk am Standort Zwickau

Wegen fehlender Nachfrage nach Elektro-Autos muss Volkswagen in seinem Zwickauer Werk Stellen abbauen. Das Beispiel Volkswagen sollte Mercedes und BMW eine Warnung bei ihren eigenen Ausbauplänen sein.

E-Autos VW ID3 werden in einer Montagehalle der Volkswagen Sachsen GmbH in Zwickau montiert

IMAGO / Uwe Meinhold

Zufall oder strategisches Kalkül? Kaum hatte die diesjährige IAA Mobility 2023 in München ihre Pforten geschlossen, waren die Jubelarien über den Erfolg der rein auf Elektro-Autos getrimmten Autoshow mit chinesischer Übermacht abgeklungen, schreckte der VW-Konzern mit einer Hiobsbotschaft die Öffentlichkeit auf. Der VW-Konzern muss in seiner „Giga“-Fabrik Zwickau 2500 Mitarbeiter entlassen. Grund: mangelnde Aufträge für Elektroautos ID3.,ID.4 und ID.5 und andere Elektro-Konzernfahrzeuge.

Das VW-Traditionswerk in der Autostadt Zwickau war vor wenigen Jahren unter Ex-CEO Herbert Diess für Milliardenbeträge auf den Bau nur von E-Autos umgerüstet worden – entgegen der damaligen Warnungen von Autoexperten. Electric only! Eine alternative Produktion von Verbrennerautos gibt es nicht mehr. Das sollte sich nun rächen.

Angesichts fehlender Nachfrage nach den Elektro-Autos müssen bei Volkswagen im Zwickauer Werk Stellen abgebaut werden. Wirtschaft und Politik in Sachsen sind entsetzt. „Es ist eine ernste Situation“, sagte Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Er sei seit mehreren Wochen in Kontakt mit dem Betriebsrat und seinem niedersächsischen Amtskollegen Olaf Lies (SPD). „Wir wollen den Beschäftigten eine positive Perspektive aufzeigen, können aber mögliche Lösungen nicht immer gleich öffentlich diskutieren.“

Auf der VW-Betriebsversammlung am 14. September wurde den Mitarbeitern mitgeteilt, dass befristete Verträge von Mitarbeitern nicht verlängert werden. Zunächst könnte das Ende Oktober einige Hundert der insgesamt etwa 10.700 Beschäftigten am sächsischen Standort treffen. Dort arbeiten derzeit mehr als 2000 Menschen mit befristeten Verträgen. Abhängig von der schlechten Marktlage könnte ihnen nun das Ende ihrer Jobs bei VW bevorstehen.

„Dürreperiode“ in Zwickau soll etwa zwei Jahre anhalten

Gleichzeitig, quasi zur Beruhigung der Belegschaft in Wolfsburg, planen VW und Audi, trotz der Absatz-Probleme die E-Auto-Produktion an anderen Standorten auszubauen. Trotz der schlechten Auslastung der Zwickauer E-Auto-Fabrik soll die Produktion des Audi Q4 e-tron und des ID.3 auf andere Standorte ausgeweitet werden. „Wir werden den Q4 e-tron ab Ende 2023 auch in Brüssel produzieren – zusätzlich zur Fertigung in Zwickau“, sagte eine Audi-Sprecherin (n-tv).

Und der VW ID.3 soll ab Herbst auch in Wolfsburg – zunächst nur in kleinen Stückzahlen – vom Band laufen. Die Teile für die Endmontage werden zunächst aus Sachsen geliefert, im kommenden Jahr ist dann die Vollproduktion in Wolfsburg geplant. Das Werk in Zwickau war bisher Vorreiter der VW-Elektromobilität. Neben den Modellen ID.3, ID.4 und ID.5 werden dort auch der Q4 e-tron und der Q4 Sportback e-tron von Audi sowie der Cupra Born produziert. Im Gespräch ist deswegen ein sukzessiver Abbau von Stellen. Außerdem könnten Schichten reduziert werden.

Laut den VW-Verantwortlichen soll diese „Dürreperiode“ in Zwickau etwa zwei Jahre anhalten. Offensichtlich rechnet man in Wolfsburg damit, dann mit kleineren und billigen E-Autos Nachfrage, Produktion und Kapazitätsauslastung wieder anzukurbeln, denn die staatliche Kaufförderung wird 2024 infolge leerer staatlicher Kassen langsam, aber sicher auslaufen. Der Markt sei inzwischen hochgelaufen und bedürfe keiner Kaufanreize mehr, so die politische Begründung. Die Förderung gewerblicher Käufe endete bereits im September 2023, die von privaten Käufern wurde von 4000 Euro auf 3000 Euro reduziert.

Wenn sich die Politik da mal nicht geirrt hat. Marktexperten sind skeptisch und vertreten die Auffassung, dass Elektroautos niemals mehr als 20 bis 25 Marktanteile am Autoabsatz haben werden. Sollten Verbrenner tatsächlich ohne Ausnahme verboten werden, droht Chaos.

Deutsche Autoindustrie bei Elektroautos abgehängt

Die Indizien sind unübersehbar: Zum einen „lebte“ der Absatz vor reinen E-Autos (BEV) bisher zu drei Viertel von gewerblichen Käufern, die Privaten hielten sich zurück. Entsprechend wurde vor Auslauf der Förderprämien im September eine Flut von Batterieautos in der Zulassung vorgezogen.
Im August wurden 273.417 Personenkraftwagen (Pkw) neu zugelassen, +37,3 Prozent mehr als im Vergleichsmonat. Ein Drittel davon, 86.649, waren Elektro-Pkw (BEV), +170,7 Prozent mehr als im Vergleichsmonat. 70.396 Pkw verfügten über einen hybriden Antrieb (+17,7 Prozent), darunter 14.552 Plug-in-Hybride (-41,1 Prozent). Der Marktanteil von Batterie-Autos am Gesamtmarkt erreicht damit bis August 18,5 Prozent (im August: 31,7 vH).

Die Folge: Im September ist ein drastischer Einbruch bei Elektrofahrzeugen zu erwarten, der allerdings erst jetzt nach Ende der IAA-Elektro-Jubelmesse die deutsche Öffentlichkeit erreicht. Die Automobilwoche berichtet von einer neuen Civey-Umfrage, die zwei Schlussfolgerungen zulässt: Die deutsche Autoindustrie ist bei Elektroautos abgehängt, die IAA hat nicht das Gegenteil bewiesen. Zum anderen mögen deutsche Autokäufer überwiegend keine Elektroautos. Die Ergebnisse sind gerade für Volkswagen ernüchternd. Im Hightech- und Hochpreis-Segment können die Premium-Hersteller dagegen technisch mithalten, sind also wettbewerbsfähig, allerdings bei sehr begrenztem Markt.

Auf der IAA Mobility spielte Elektromobilität eine entscheidende Rolle. Tesla, BYD, Geely, SAIC etc. oder die deutschen Hersteller – wer hat die Nase vorn? Die Umfrage der Automobilwoche und Civey, die in der ersten September-Woche stattfand und an der sich mehr als 2500 automobilaffine Verbraucher beteiligten, kommt zu folgenden Ergebnissen:

Mehr als jeder zweite Befragte (52 Prozent) sieht die deutschen Hersteller als abgehängt und nicht wettbewerbsfähig an. Insgesamt sagt mehr als jeder Fünfte (21 Prozent), dass die deutschen Hersteller „auf keinen Fall“ mithalten können.

Die Mehrheit der Verbraucher ist in Sachen Elektromobilität skeptisch oder unsicher. Zu den mehr als 50 Prozent der skeptischen Teilnehmer kommen weitere 22 Prozent hinzu, die sich bei dem Thema noch keine abgeschlossene Meinung gebildet haben.

Lediglich ein Viertel der Verbraucher (26 Prozent) sieht deutsche Hersteller beim Thema E-Mobilität gut im Rennen. Insgesamt ist sich weniger als jeder Zehnte (neun Prozent) sicher, dass deutsche Hersteller mit ihren Elektroautos weltweit wettbewerbsfähig sind.

Verbraucher weichen auf billige chinesische Elektroautos aus

Aus Sicht von Civey-Autoexperte Parwiz Torgull ein schlechtes, aber kein überraschendes Ergebnis: „Die Talsohle ist mit dieser Umfrage sicher noch nicht erreicht – gerade wenn man die Erfolge von Tesla oder BYD betrachtet. Es stimmt, dass Tesla die deutschen Hersteller unter extremen Veränderungsdruck setzt und die chinesischen Hersteller scheinbar denselben Erfolgskurs einschlagen.“

Torgull sieht darin für die deutsche Industrie vor allem eine Chance. Vorerst ist tiefe Ernüchterung angesagt. Volkswagen als Volumenhersteller hat jedenfalls vorerst die Reißleine gezogen und beginnt, E-Auto-Produktionskapazitäten abzubauen. Mit großer Wahrscheinlichkeit dürfte das in Sachen überdimensionierter Produktionskapazitäten bei Elektroautos nicht die letzte Maßnahme gewesen sein.

Das Beispiel Volkswagen sollte Mercedes und BMW eine Warnung bei ihren eigenen Ausbauplänen sein. Fakt ist, dass bei immer weiterem Wegfall von kleinen billigen Verbrennerautos wie UP und Fiesta etc. die Verbraucher notgedrungen auf billige chinesische Elektroautos ausweichen müssen, da ein adäquates Angebot aus deutschen Fabriken fehlt.

Als Lösung aus diesem Dilemma kann nur die Bereitstellung von „Klima-Sprit“ dienen, das es erlauben würde, auch Verbrennerautos „klimafreundlich“ weiter zu betreiben. Und der deutschen Autoindustrie erlauben würde, ihre Kernkompetenz und Vormachtstellung auch in Zukunft zu verteidigen. Davon bislang aber keine Spur in der öffentlichen politischen Diskussion.

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