Tichys Einblick
Durchbruch fürs E-Auto?

Trügerische Erfolgszahlen für die Elektromobilität

Trotz Corona sind im April die Zulassungszahlen für Elektroautos im Vorjahresvergleich gestiegen. Ein genauerer Blick zeigt aber, dass von einem Durchbruch der Elektromobilität am Markt keine Rede sein kann. Von Helmut Becker

imago images / PicturePoint

Die Corona Krise hinterlässt auf dem deutschen Pkw-Markt tiefe Spuren. Der Absatz ist auf breiter Front eingebrochen. Da gilt für alle Fahrzeugkategorien und Antriebsarten. Auch für Elektroautos, obwohl Fans dieser Antriebsart glauben, aus den aktuellen Zulassungszahlen den endgültigen Durchbruch für Elektroautos am Markt heraus lesen zu können. 

Ist das stimmig?

  • Insgesamt wurden im April 2020 in Deutschland nur noch 120.800 Pkw neu zugelassen, so wenig wie noch nie in einem Monat im wiedervereinigten Deutschland. Gegenüber dem Vormonat März 2020 ergab sich ein Rückgang um 44 Prozent, gegenüber März 2019 sogar ein Einbruch um 61 Prozent. In den ersten vier Monaten des laufenden Jahres schrumpfte die Anzahl neuzugelassener PKW um ein Drittel auf  822.200 (-31 Prozent).  
  • Der Markt für Elektrofahrzeuge ergibt ein scheinbar deutlich positiveres Bild: So wurden im April 2020 mit 10.277 Einheiten 32 Prozent  mehr Elektroautos zugelassen als im gleichen Vorjahresmonat. Diese Entwicklung gegen die allgemeine Marktentwicklung wird vereinzelt euphorisch als Hinweis gedeutet, dass der Markt für Elektromobilität sich unabhängig von der aktuellen Absatzkrise jetzt endlich im Aufwärtstrend befinde. Untermauert wird diese Hoffnung dadurch, dass es im bisherigen Jahresverlauf 2020 insgesamt 62.726 Neuzulassungen bei Elektro-Pkw gab, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum (+102 Prozent). Der Anteil am Gesamtmarkt lag damit bei 8,5 Prozent; im gleichen Vorjahreszeitraum war er erst halb so groß.
  • Schamhaft verschwiegen wird bei all diesen Erfolgsmeldungen, dass im April 2020 der Absatz von Elektroautos erheblich stärker eingebrochen ist als der Gesamtmarkt, nämlich um rund 50 Prozent gegenüber dem Vormonat März, dass also der Einbruch bei elektrifizierten Fahrzeugen erheblich stärker war als im Gesamtmarkt. Zwar wird dafür als Grund angeführt, dass aufgrund der Produktionseinschränkungen, dem geschlossenen Kfz-Handel und der eingeschränkten Arbeitsfähigkeit vieler Zulassungsstellen die in diesem Jahr positive Entwicklung beim Hochlauf der Elektromobilität sich im April nicht mit der Dynamik der vergangenen Monate fortgesetzt haben. 
  • Allerdings gilt dieses Argument auch für Verbrennerautos, ist also nicht ganz überzeugend. Der entscheidende Grund für den abrupten Rückgang des gesamten Marktes wie auch für Elektro-Autos waren die mit der Eindämmung des Coronavirus (Covid-19) verbundenen gesundheitspolitischen Maßnahmen wie die massive Einschränkung des öffentlichen Lebens, der Produktionseinschränkungen bei den Herstellern, die Schließung von Kfz-Handelsbetrieben und die eingeschränkte Arbeitsfähigkeit der Kfz-Zulassungsbehörden

Gegen die Durchbruch-Philosophie bei Elektroautos sprechen noch zwei weitere gewichtige Fakten

  • Die Marktentwicklung unterschied sich bei batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV) und Plug-In-Hybriden (PHEV) sehr deutlich. Während die BEV bei 4.635 Neuzulassungen (-3 Prozent) stagnierten, gab es bei PHEV mit 5.618 Einheiten (+87 Prozent) im April ein deutliches Plus. Dies lässt erkennen, dass selbst bei E-Auto-Käufern weiterhin die Reichweitenangst und die sonstigen Komfortnachteile dominieren. Ohne Rückgriff auf den bewährten Verbrennermotor als Sicherheit-Cordon würden die Kunden keine Elektro-Autos kaufen.

Und dieses Kaufverhalten zeigt sich nicht nur in Deutschland sondern in anderen Märkten. Denn weltweit liefen im März 25.760 PHEV (+44 Prozent) aber nur 13.444 BEV (+12 Prozent) mit deutschem Konzernlogo von den Bändern.

  • Und noch etwas haben die April-Zulassungen offengelegt: Ohne staatliche Förderung wurde der Markt für Elektroautos sehr mickrig aussehen, auch wenn die Marke Tesla weiter Zugewinne verbuchen kann.  So hat sich im April der Firmenwagenanteil weiter auf 48 Prozent (Gesamtmarkt 34 Prozent), der für private Halter auf 33 Prozent erhöht(Gesamtmarkt 42 Prozent). Die steigenden Anteile von Firmenwagen und privaten Haltern sind auf die Förderinstrumente für die jeweilige Haltergruppe zurückzuführen. Bei den Firmenwagen spielt die steuerliche Förderung der Fahrzeuge eine wichtige Rolle, bei den privaten Haltern der Umweltbonus. Für diesen gingen im April laut Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) 6.483 Anträge ein.  

Das heißt im Klartext, dass etwa zwei Drittel des heutigen Elektroauto-Marktes am Tropf der staatlichen Förderung hängen. Fällt diese weg, bricht der Markt zusammen.

Trotz des praktisch vollständigen Produktionsstillstands in der zweiten Monatshälfte konnten die deutschen Hersteller im März ihre Fertigung von Elektro-Autos weiter ausbauen. Sowohl im Inland als auch im Ausland war ein Zuwachs von 31 Prozent zum Vorjahresmonat zu verzeichnen. Weltweit wurden im März 2020 trotz Corona- Krise 31 Prozent (39.204). mehr Elektroautos mit deutschem Konzernlogo gebaut als im Vorjahr. Dieser Erfolg relativiert sich jedoch, wenn man bedenkt, dass im Normalfall die deutschen Pkw-Hersteller weltweit monatlich 1,3 Millionen Automobile produzieren. Da gibt es noch viel zu tun!


Dr. Helmut Becker war Mitglied des Sachverständigenrates („Fünf Weise“), begleitete 24 Jahre als Chefvolkswirt den Expansionskurs der BMW AG und war Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Business Economists (VDBE). Mit seinem Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation (IWK) berät er Unternehmen, Banken, Dienstleister in strategischen, gesamtwirtschaftlichen, wirtschaftspolitischen und automobilspezifischen Fragen.

Anzeige