Tichys Einblick
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Große Leseraktion: Wie manipulieren Messstationen die Feinstaubmessung in Ihrer Stadt? – Teil 5

Überwältigend! Vielen Dank für Ihre Reaktion und Mitarbeit. Mit Ihrer Hilfe ikönnen wir den Wahnsinn dokumentieren, der sich quer über Deutschland ausbreitet. Wir werden die Fotos und Berichte in einer Serie veröffentlichen.

© THOMAS KIENZLE/AFP/Getty Images

»Darmstadt rangiert einsam an der Spitze.« Berichtet die Frankfurter Rundschau ihren Lesern und versucht sie mit der Schreckensmeldung zu ködern: »In diesem Fall allerdings in einem unrühmlichen Ranking: In keiner anderen Stadt Hessens wurde 2015 ein höherer Jahresmittelwert bei der Belastung der Atemluft mit gesundheitsschädlichem Stickoxiden – Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid – verzeichnet, als in der Messstation Hügelstraße am Cityring. Auch bei Feinstaub (Platz drei in Hessen) und Benzol (Platz eins) wird den Anwohnern der Hügelstraße einiges zugemutet.«

Nach Drama dann der Satz, der alles aufhebt: »Bei diesen Schadstoffen werden allerdings die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten.« Worüber reden wir also? Die FR fährt fort: »Anders sieht es insbesondere bei der Problemsubstanz Stickstoffdioxid aus. Hier wird der maximal zulässige Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft um satte 50 Prozent überschritten: 60,5 Mikrogramm lautet das Darmstädter Ergebnis im Jahresmittel. In einer Aufstellung des Umweltbundesamts, die Messwerte von 525 Stationen in ganz Deutschland vergleicht, ist dies der zwölfthöchste Wert.«

»Satte«, schreibt die FR-Praktikantin. Weiß sie eigentlich, wie wenig 40, 50 oder 60 µg in einem Kubikmeter Luft wirklich sind? Das bedeutet: In 1.200.000.000 Mikrogramm Luft sind genau 40 Mikrogramm NO2 Moleküle. Die Nachweisgrenze der Chemoluminiszenzverfahren, mit denen diese Messgeräte meistens arbeiten, liegt übrigens bei 2,5 Mikrogramm pro Kubikmeter. Es gibt keinerlei Belege, dass solch geringe Konzentrationen physiologische Auswirkungen haben. Menschen am Arbeitsplatz in der Schweiz dürfen sogar 6000 Mikrogramm pro Kubikmeter aushalten. Damit Fahrverbote begründen? »Deutlich wird die Alleinstellung der Station Hügelstraße in Hessen bei den kurzzeitigen Spitzenwerten der Stickstoffdioxid-Belastung. Hier gilt ein Grenzwert von 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, der höchstens 18 Mal pro Jahr überschritten werden darf. Dieses Limit wird überall in Hessen eingehalten, nur nicht an der Hügelstraße: Dort wurden 57 Überschreitungen verzeichnet.« Eine schönes Beispiel, wie man auf Alarmismus macht. Leider vergisst die FR zu fragen, was da los ist, wie das eigentlich normal für einen Journalismus ist, der den Namen verdient.

Das klärt ein Blick auf die Messstation, wie sie die Bilder von TE-Leser Felix M. in aller Deutlichkeit zeigen.»Die Messstation steht am Ausgang Hügelstrasse des Citytunnels (Google Maps am besten Hügelstrasse 21 (Ban Thai Restaurant) Darmstadt).« Schreibt er dazu. »Dies impliziert Messungen an der Stelle, wo die Verkehrsteilnehmer kräftig beschleunigen, da nach der Kurve im Tunnel der Strassenverlauf bergauf verläuft und auf drei Fahrbahnen erweitert wird. Dazu steht der Kasten quasi auf der Bordsteinkante und ist von einer Hauswand abgeschirmt. Er liefert auch schön regelmäßig hohe Werte für den grünen OB.Felix M. schließt mit dem aufmunternden Satz: »Es lebe die wissenschaftliche Ratio.« Ja, wo ist die geblieben?

Leonberg 

Passend im Nadelöhr von Leonberg platziert ist die Station des Landesamtes für Umwelt Baden-Württemberg. Standort Grabenstraße. TE-Leser Joerg M. schickt uns dieses Foto der Messstation auf der gegenüberliegenden Seite dicht vor der Wand des Wohnhauses. Diese Straße ist die Umgehungsstraße, wenn auf der viel befahrenen Autobahn A8 und A 81 Verkehrsstaus aufgrund von Unfällen entstehen. Und Verkehrsstörungen gibt es praktisch jeden Tag, dann ist die Stadt wieder dicht.

Kiel 

Eine Leserin aus Kiel hat die Messstation in der Bahnhofstraße in Kiel-Gaarden fotografiert. Dichter an der Straße und den Auspuffrohren geht kaum noch. Und so gibt die Tagesganglinie für NO2 den Verlauf entsprechend der Verkehrsströme zeitnah wieder.

Eine Bewertung der Entwicklung der letzten Jahre lässt diese Messstelle schwerlich zu. Denn sie wurde mehrfach verlegt. Der Bericht stellt dazu Folgendes fest: »In der Bahnhofstraße wurden mehrfach Umsetzungen der Luftmessstation von der einen auf die andere Straßenseite aufgrund der Verlegung des Parkstreifens notwendig.

Überschreitungen des Grenzwerts wurden ursprünglich auf der südwestlichen Straßenseite festgestellt, auf der nordöstlichen Seite lag der Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid 2013 bei 37 μg/m3 und damit unter dem Grenzwert. Im Juli 2014 wurde die Station wieder auf die südwestliche Straßenseite versetzt (Jahresmittelwert: 37 μg/m3). Seitdem liegen die Konzentrationswerte mit 41 μg/m3 (2015) bzw. 42 μg/m3 (2016) wieder etwas über dem Grenzwert.Unter dem Strich zieht das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume in seinem Bericht vom November 2017 folgende Bilanz.

Die Luftbelastungssituation im Land Schleswig-Holstein im Jahr 2016 lässt sich anhand der Messergebnisse der Lufthygienischen Überwachung Schleswig-Holstein im Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume folgendermaßen zusammenfassen:

  • Landesweit war die Grundbelastung der Luft durch Schadstoffe wie Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid und Benzol relativ gering. Auch im städtischen Hintergrund wurden die Grenzwerte dieser Komponenten eingehalten.
  • Die seit dem 1. Januar 2005 geltenden Grenzwerte für Feinstaub (PM10) und der seit dem 1. Januar 2015 geltende Grenzwert für Feinstaub (PM2,5) wurden sicher eingehalten.
  • An dem durch den Schiffsverkehr beeinflussten Standort in Brunsbüttel im Bereich der Nord-Ostsee-Kanal-Schleuse ist seit Beginn des Jahres 2015 ein deutlicher Rückgang der Belastung durch Schwefeldioxid und von Nickel als Bestandteil des Feinstaubs festzustellen.
  • Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist auch in Zukunft zu erwarten, dass die Jahresmittelwerte für Stickstoffdioxid an einzelnen verkehrsbelasteten Standorten den seit 1. Januar 2010 geltenden Grenzwert überschreiten werden.
  • Der Informationsschwellenwert für Ozon von 180 μg/m3 wurde im Jahr 2016 an einzelnen Stationen an einem Tag überschritten. Die aktuell geltenden Zielwerte zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Vegetation werden eingehalten, die langfristigen Ziele aber weiterhin nicht erreicht.
  • Kohlenmonoxid wird in Schleswig-Holstein aufgrund der geringen Belastungen seit dem Jahr 2009 nicht mehr gemessen.
Gelsenkirchen

Georg I. schickt uns ein Foto der Messstation Gelsenkirchen, Kurt-Schumacher-Str. 109. »Es handelt sich hier um eine vierspurige Straße, in der Straßenmitte verlaufen Straßenbahnschienen. Das Gleisbett wurde vor ca. zwei Jahren auf einer Länge von ca. 1500 m mit Rollrasen belegt (Kosten mehrere hunderttausend Euro; Begründung: Reduzierung des Feinstaubs). Es handelt sich um eine Hauptverbindungsstraße ohne wirkliche Alternativen von Süd nach Nord. Während der Hauptverkehrszeiten gibt es durchgehend kilometerlanges Stop and go in beiden Richtungen.«

Während dieser Phasen steigen zum Beispiel die NO2 Werte drastisch an, bleiben aber im Tagesmittel deutlich darunter. Auch wenig verwunderlich. Verwunderlicher dagegen die Politik meist grüner Verkehrspolitiker, den Verkehr zu verlangsamen und wenn möglich aufzuhalten, mit Stop and Go den Autofahrern den »Umstieg« auf Busse und Bahnen schmackhaft zu machen. Dabei steigen natürlich die Abgasmengen und die Umweltbelastungen.


Schicken Sie uns bitte aus Ihrer Stadt Fotos der Messstationen. Bitte notieren Sie den genauen Standort. Aus einem weiteren Foto sollte das Umfeld der Messstation ersichtlich sein. Bitte schicken sie die Fotos an redaktion@tichyseinblick.de; Sie erteilen uns damit automatisch das Recht, Ihr Foto zu veröffentlichen. Wir freuen uns auch über Beiträge aus der Lokalpresse zu diesem Thema.
Vielen Dank!

Hier geht es zu Teil 1 – Messstationen in Stuttgart, Leipzig, Fulda, Magdeburg, Rostock, Marburg und Tübingen
Hier geht es zu Teil 2 – Messstationen in Ludwigsburg, Hannover, München und Siegen
Hier geht es zu Teil 3 – Messstationen in Hamburg, Wiesbaden, Cottbus, Dortmund und München
Hier geht es zu Teil 4 – Messstationen in Berlin, Hannover, Halle an der Saale, Wuppertal und Göttingen