Tichys Einblick
Diesel Einigung

GroKo: Vorwahl-Schlussverkauf

Die spannende Frage ist jetzt: Wie lange hält dieser angebliche »Durchbruch«. Eine oder zwei Wochen. Oder gar bis zu Wahl in Hessen? Das kann ich mir nicht ganz vorstellen.

A hose for an emission test is fixed in the exhaust pipe of a Volkswagen Golf 2,0 litre diesel car at the Technical Inspection Agency in Ludwigsburg, southwestern Germany, on August 7, 2017

© Thomas Kienzler/AFP/Getty Images

Sommerschlussverkauf bei GroKo! Besitzer von älteren Dieselfahrzeugen sollen Sonderangebote gemacht werden – wobei älter heute schon drei bis vier Jahre alt bedeutet. Sie sollen günstig neue Fahrzeuge kaufen können. Laut BILD haben deutsche Autohersteller Umtauschprämien bis zu 10.000 Euro zugesagt.

Dieselfahrzeuge, die nach der Euro 5 Norm zugelassen sind, sollen Hardware-Nachrüstungen erhalten. Für den Dieselbesitzer sollen sie kostenlos sein.

BILD zitiert aus dem Beschlusspapier des Koalitionsausschusses: »Die deutschen Automobilhersteller haben dem Bund zugesagt, den Fahrzeughaltern von Euro 4 und Euro 5 Diesel-Fahrzeugen ein Tauschprogramm mit attraktiven Umstiegsprämien oder Rabatten anzubieten.«

»Vorgesehen sind diese beiden Möglichkeiten zum einen bezogen auf 14 »besonders betroffene Städte« mit hohen Grenzwertüberschreitungen bei der Luftbelastung mit Stickstoffdioxid (NO₂): München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Düren, Hamburg, Limburg an der Lahn, Düsseldorf, Kiel, Heilbronn, Backnang, Darmstadt, Bochum und Ludwigsburg«.

Blaue Plaketten als Einfahrtssignal für Städte sind offenbar vom Tisch. Wer das alles bezahlt, ist offen. Nahles auf die Frage, ob die Autoindustrie den Kompromiss unterstützt: »Das werden wir sehen.«

Die Autoindustrie wusste zum Zeitpunkt der Verkündung noch nichts von ihrem Glück. Vorher gefragt wurde sie von den Koalitionären wohl nicht. Mit BMW und Opel erklärten bereits die ersten Hersteller ihre Ablehnung; eine Nachrüstung wollen sie nicht bezahlen. BMW will lediglich bei einem Umtausch des Autos 6.000 Euro Rabatt einräumen. Allerdings nur für Besitzer, die in Regionen mit hohen Stickoxid-Werten wohnen. Das wird ein Abgrenzungsspaß. Diese Werte sind nur direkt an den Messstellen hoch, ein paar Meter weiter bereits viel niedriger.

Bei Daimler ist von rund 5.000 Euro Umtauschrabatt die Rede. Renault hatte als erster Autohersteller werbewirksam 10.000 Euro bei Umtausch in einen neuen Renault angeboten – für Diesel aller Hersteller. Es war schon immer etwas wertvoller, Käufer von anderen Marken herüberzuziehen. Bundesverkehrsminister Scheuer interpretierte die Autobauer eigenwillig: »Mercedes und BMW wollen sich prioritär auf das Tauschen konzentrieren, weil das sofort und unmittelbar wirken kann.«

Die dubiose Umwelthilfe (DUH) und Greenpeace verwerfen die Pläne als »doppelte Nullösung«. Sie fürchten um ihre Pfründe bei der Nachrüstung und betteln dermaßen offensichtlich um die Nachrüstung, dass es peinlich ist. Höchste Vorsicht ist mittlerweile angebracht, wenn aus Berlin Nachrichten eines »Durchbruches« kommen.

Aktionitis-Wettbeweb
Diesel-Nachrüstung: Wo Vernunft keine Chance hat
Nichts haben SPD- und CDU-Vertreter dazu gesagt, dass sie ein zutiefst unsoziales Programm vorstellen. Das verschweigen die sich vor den anstehenden Wählervoten fürchtenden Koalitionäre: Immer noch müssten Besitzer von Dieselfahrzeugen tief in die eigene Tasche greifen und einen Großteil eines neuen oder Tauschautos selbst bezahlen. Auch wenn die Politik den Herstellern noch ein wenig Geld abpresst oder über Umwege ein paar Steuergelder helfend zur Seite stellt: Autobesitzer müssten immer noch für einen Tausch dazu bezahlen und zudem massive Wertverluste ihrer bisherigen Wagen schultern. Wer das nicht kann, hat Pech gehabt.

Umweltministerin Schulze, die als SPD-Frau gern das Wort »Gerechtigkeit« im Munde führt, will keine staatlichen Hilfen und sagt in entwaffnender Einfältigkeit: »Das ist eben ein Programm, das von der Autoindustrie finanziert werden soll.« Wenn nicht, dann hat der Autobesitzer und häufig Berufspendler eben Pech gehabt. Das zeigt, dass sie von Rechtssicherheit – ursprünglich wesentlicher Bestandteil eines Rechtsstaates – nichts hält: Die Autobesitzer haben immerhin Autos gekauft, die zugelassen sind und den jeweils geltenden Vorschriften entsprachen.

Ein Resultat der unseligen Dieselpolitik bisher: Die Autotransporter nach Polen und in osteuropäische Staaten schaffen kaum noch den Abtransport all der tausende von Dieselfahrzeugen aus Deutschland. Die sind teilweise nur drei, vier Jahr alt und galten in vor-grünen Zeiten als neuwertig.

Politiker der großen Koalition wollen das lästige Thema »Fahrverbote« vom Tisch bekommen. In Hessen und Bayern stehen Wahlen an, Fahrverbote sind Brandbeschleuniger für eine noch schnellere Talfahrt der alten Parteien.

Doch der »Durchbruch« ist eigentlich ein Dammbruch. Es geht um 1,4 Millionen Fahrzeuge, die entweder umgerüstet oder ausgetauscht werden sollen. Das dauert ein paar Jahre. Ein gewaltiges Unterfangen mit Kosten in Milliardenhöhe, die irgendjemand bezahlen muss.

Immerhin versuchte sich Verkehrsminister Scheuer gegen Diesel-Nachrüstung zu wehren, eine Verschwendung von Ressourcen ohnegleichen. Allein die Testwagen des ADAC sind erst 10.000 Kilometer gefahren. Insgesamt sollen es 50.000 Kilometer werden; für Dauertest noch nicht einmal besonders. Der grüne Verkehrsminister in Baden-Württemberg bezahlt diese Tests, der ADAC will damit beweisen, dass die Nachrüstung auch auf Dauer betriebssicher sind. Ein Auto nimmt nicht mehr an dem Test teil.

Eine Garantie lehnt der ADAC natürlich ab. Lauthals schimpft Porsche Betriebsratschef Uwe Hück zu BILD: »Ich bin auf den ADAC und die Anbieter von Nachrüstungen bei Diesel-Fahrzeugen stinksauer. Der ADAC hatte eine große Klappe. Sie haben immer gesagt: Nachrüsten, Nachrüsten, Nachrüsten und allen erzählt, wie leicht es angeblich sei. Jetzt, wo es darauf ankommt, machen sie einen Rückzieher und wollen für die Technik keine Garantie übernehmen. Das war eine Diskussion im luftleeren Raum. Das ist unanständig und das geht gar nicht. Der ADAC soll für die Autofahrer da sein und keine Revolution der Unvernunft anführen.

Ebenso ablehnend zeigen sich laut »BILD« Hersteller von Nachrüst-Katalysatoren für ältere Diesel. Eine Garantie für das komplette Funktionieren wäre auch verblüffend gewesen, denn eine solche Nachrüstung ist eine kompliziertere Angelegenheit, als es sich die roten und grünen Svenjas und Andreas und Antons träumen lassen.

Dieselautos nach der Euro 4 lassen sich praktisch nicht nachrüsten. Bei Euro 5 Norm Fahrzeugen ist eine solche Aktion mit sehr hohem Aufwand und unsicherem Erfolg verbunden. Die Bauteile müssen zugelassen werden. Es muss tief in die Motorsteuerung eingegriffen, teilweise müssen komplette Kabelbäume ausgetauscht und das Ergebnis natürlich zu allen Jahreszeiten getestet werden. Dabei erweist sich die Winterzeit als Härtetest. Denn der neue SCR-Katalysator unter dem Wagenboden muss teilweise bis auf 600 Grad aufgeheizt werden, damit die chemischen Reaktionen auch direkt nach dem Start bereits ablaufen. Ein kalter Kat kann nichts. Nachrüstung bei Diesel-Pkw ist Blödsinn. Sie kann bei städtischen Bussen sinnvoll sein – häufig genug alte Dieselfahrzeuge, die in den Innenstädten fahren und genügend Platz zur Nachrüstung haben.

Bemerkenswert: Niemand der Berliner Koalitionäre stellt den grundsätzlichen Irrsinn in Frage. Die Luft in den Städten ist gegenüber früher sauber geworden. Von schmutziger Luft zu reden ist hinterhältige Propaganda wider besseres Wissen. Die Daten des Umweltbundesamtes zeigen genau das Gegenteil an.

Es muss die Frage nach der Verantwortung derjenigen gestellt werden, die wissentlich diesen Unsinn in die Welt setzen und sich selbst dabei die Taschen voll machen. Dieselbesitzern kann man da nur raten, in die Verbotszonen weiterfahren und dann vor Verwaltungsgerichten klagen. Es wird interessant zu sehen sein, wie Richter Fahrverbote bewerten, die auf fehlerhaften Meßergebnissen beruhen.

Der Karlsruher Motorenbauprofessor Thomas Koch ordnet die Dimension richtig ein, worum es eigentlich geht: »Der Beitrag aller Dieselmotoren am Stuttgarter Neckartor – dem Ort der höchsten Stickstoffdioxid-Konzentration in Deutschland – entspricht der Emission einer Kerze, die etwa eine dreiviertel Stunde in einem Zimmer brennt. Wenn alle Fahrzeuge auf dem neuesten technischen Stand wären, entspricht dies einer Kerze, die in einem Zimmer etwa eine Minute brennt.«

Die spannende Frage ist jetzt: Wie lange hält dieser angebliche »Durchbruch«. Eine oder zwei Wochen. Oder gar bis zu Wahl in Hessen? Das kann ich mir nicht ganz vorstellen.