Tichys Einblick
Industrie-Entwicklung

Das E-Auto wird zur Schicksalsfrage für den Standort Deutschland

BMW darf sein Batterie-Montagewerk bauen, VW kappt Produktion in Zwickau und Konsumenten zögern beim Kauf von E-Auto, aber nehmen Subventionen sofort mit: Das E-Auto wird zur Schicksalsfrage für den Automobilstandort Deutschland, der zunehmend vom Know-how und von Rohstoffen der Zulieferer abhängig wird.

IMAGO / Stefan Zeitz

Nach einem großen Ansturm auf das neue Förderprogramm für das Laden von Elektroautos mit Solarstrom waren die Mittel nach einem Tag bereits vergeben. „Insgesamt wurden rund 33.000 Anträge bewilligt – trotz zwischenzeitlicher technischer Verzögerungen“, teilte die staatliche Förderbank KfW in der Nacht zum Mittwoch mit. Die vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr gewährten Haushaltsmittel in Höhe von 300 Millionen Euro für das Jahr 2023 seien damit ausgeschöpft. Für die Förderung stehen insgesamt 500 Millionen Euro bereit. Es gilt das „Windhundprinzip“: Anträge werden also solange angenommen, solange noch Geld im Topf ist. Wenn das Volumen ausgeschöpft ist, wird ein Förderstopp verhängt. In diesem Jahr lag das Gesamtvolumen bei 300 Millionen Euro, weitere 200 Millionen Euro plant das Ministerium im kommenden Jahr bereitzustellen. Gefördert werden der Kauf und die Installation einer Ladestation für Elektroautos in Kombination mit einer Photovoltaikanlage und einem Solarstromspeicher.

Das E-Auto rollt – wenn die Kohle stimmt

Das E-Auto rollt – wenn das Geld stimmt. Am Wochenende vorher hatte BMW triumphiert: Der Weg für das neue BMW-Batterie Werk in Straßkirchen im Landkreis Straubing in Niederbayern wurde frei. 73,4 Prozent der Wahlberechtigten der kleinen Gemeinde votierte in einem Bürgerentscheid für eine Ansiedlung des Premiumauto-Herstellers aus München.  Von den in Direktwahl am Sonntag im Rathaus vor Ort abgegeben Stimmen waren  296 dafür,  129 gegen die Ansiedlung von  für BMW, sechs Stimmen waren ungültig. Die Wahlbeteiligung lag bei 77 Prozent.

Die Werksgegner akzeptierten ihre Niederlage klaglos und ließen verlauten: „Die Welt wird sich weiterdrehen…“.  Die Bürgerinitiative akzeptierte damit offensichtlich  das Votum. Weitere Protestaktionen oder juristische Taschenspielertricks sind von der Bürgerinitiative offenbar nicht zu erwarten. BMW will mit hunderten von Millionen Euro in Niederbayern  eine Giga-Batteriefabrik errichten für seine erhofft  wachsende Produktion von Elektroautos. In Straßkirchen werden im neuen Werk Hochvoltspeicher-Batterien  für die Neue Klasse gefertigt, die ab 2025 zunächst im ungarischen Debrecen anläuft und dann perspektivisch auch an den deutschen Standorten München, Regensburg und Dingolfing gebaut werden sollen. Das Werk lieget im Zentrum des Werksverbunds von BMW, der kostenoptimierte Produktion ermöglicht und letztlich nur über das Zusammenspiel der Standorte funktioniert. So ganz klar war das vorher nicht. Denn vor dem Bürgerentscheidhatte es monatelange Diskussionen und erbitterten Streit innerhalb des Dorfes gegeben. Auch der BMW-Konzern hatte in den letzten Wochen sehr nervös nach Straßkirchen geblickt. Infopavillons mit Kaffee und Kuchen, Diskussionsveranstaltungen, eindeutige Festlegungen von Bürgermeister und Gemeinderat  etc. sollten das Schlimmste verhüten. Bei einem Votum gegen die neue Fabrik hätte der Premium-Hersteller vermutlich nicht mehr größer in die Standorte in seinem Heimat-Bundesland investiert sondern im nahegelegen Tschechien   

Die E Zukunft geht BMW jetzt mit Hochdruck an. Im Oktober stehen  bereits die nächsten Schritte zum Werksaufbau an. Vor Ort wird BMW dann die zweite Auslegung der sogenannten Bauleitplanung vornehmen. Im Oktober wollen die Münchener ihre Baupläne öffentlich auslegen und auch die erstellten Fachgutachten zu den Auswirkungen der Standortansiedlung präsentieren.

Schneller Bau für das Montagewerk

Schon Anfang 2024 soll dann der erste Spatenstich auf dem Grundstück in Straßkirchen im Landkreis Straubing erfolgen. Bereits in rund anderthalb Jahren ist die Fertigstellung der Gebäude geplant. zu rechnen. 2025 soll die neue Hochvoltspeichermontage dann in Straßkirchen stehen. Von dem 105 Hektar großen Grundstück werden zunächst 60 Hektar als Produktionsstandort bebaut, für die verbleibenden 45 Hektar gibt es Ausbauszenarien, über die aber noch nicht final entschieden wurden. Der Jubel verdeckt allerdings: Das Batteriewerk von BMW ist technologisch und wirtschaftlich so großartig nicht. Die Hochvoltbatterien sollen über eine Spannung von 800 Volt verfügen. Die gelten im Augenblick als Stand der Technik, denn bei diesen Spannungen und bei Stromstärken von immerhin bis zu 500 Ampere soll sich die Zeit für das Aufladen um bis zu 30 % reduzieren – vorausgesetzt, es steht hinreichend starker Ladestrom zur Verfügung. 

Die Batterieproduktion ist letztlich eine Materialschlacht, bei der sehr hohen Mengen an Nickel, Lithium und Kobalt angeliefert und verarbeitet werden müssen. Eine Batterie mit einer Kapazität von 100 kWh enthält so Materialien von knapp 90 kg Nickel, Lithium und Kobalt, die dann in Stahlbehälter verpackt werden. Der Kern der Batterie, die einzelnen Zellen, kauft BMW bei Fremd-Lieferanten ein. In Straßkirchen entsteht also »lediglich« eine Verpackungsfabrik, in der die Rundzellen zu Batterien zusammengesetzt werden, die dann in die Elektro-Autos eingesetzt werden. Das Wissen über die Batterie-Chemie liegt nicht bei den Bayern. Gefertigt werden Rundzellen mit einem Durchmesser von 46 mm und Höhen von entweder 95 oder 120 mm. Die Fertigung von Batterien ist ein zum großen Teil vollautomatisiertes Verfahren, das auch sehr energieintensiv ist. Der Strom für die Produktion soll laut PR ebenfalls von Windrädern und Fotovoltaikanlagen kommen, also Hauptsache grün. Bei Flaute und nachts dürfte das eher selten der Fall sein, dass Windräder oder Photovoltaikanlagen die Ladeströme liefern. Das letzte zuverlässig Strom liefernde Kernkraftwerk in Bayern ist mit Isar 2 ja abgeschaltet worden. Ansonsten fließt eben Kohle- oder Atomstrom in das Werk; aber so genau sollen das die Konsumenten gar nicht erfahren. „Greenwashing“, also das Vortäuschen von geringer Umweltbelastung, ist bei E-Autos notwendigerweise eingebaut.

Krise bei VW verschärft sich

BOb das Werk letztlich ein Erfolg wird, muss sich erst noch zeigen. Nach jüngsten Umfrage- Meldungen  Focus bereut bereits jeder zweite Deutsche den Umstieg auf ein Elektroauto.  BMW baut sicherheitshalber Verbrenner weiter und will auch die Entwicklung weiter treiben. Dazu steht ein Votum der EU-Staaten zur Abgasnorm Euro 7 an, das die ursprünglich von der EU geplanten schärferen Emissionsvorschriften deutlich abschwächen soll. BMW hatte sich wie viele andere Hersteller heftig  gegen weitere Verschärfungen positioniert. Zudem steht BMW-CEO Oliver Zipse zeitnah vor einer vorzeitigen Vertragsverlängerung. Mit dem Bau des umjubelten Batteriewerks dürften  keine Zweifel mehr an der Wiederwahl bestehen. Oliver Blume, Vorstandschef von VW in Wolfsburg dagegen ringt noch  immer  verzweifelt um Erfolge für die Elektrostrategie..

Die geringe Nachfrage nach Elektroautos führt im VW-Werk in Zwickau zu immer weiteren Einschnitten. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa hat die Geschäftsführung die Betriebsvereinbarung zum Dreischicht-Betrieb aus dem Jahr 1991 gekündigt. Sie läuft damit Ende des Jahres aus.

Erst einen Tag zuvor war bekanntgeworden, dass VW Anfang Oktober wegen der schwächelnden Nachfrage die Produktion in seiner Zwickauer E-Auto-Fabrik für zwei Wochen drosseln wird. Eine Fertigungslinie soll komplett stillstehen. Für das weitere Vorgehen ab dem 16. Oktober will die Geschäftsführung mit dem Betriebsrat Gespräche führen. Auch die Produktion des ID.3 in der Gläsernen Manufaktur in Dresden ruht in den sächsischen Herbstferien für zwei Wochen. 2.000 Jobs stehen auf der Kippe. 

 VW gilt mittlerweile als Sanierungsfall. „Der Konzern hat mal Werke für knapp 15 Millionen Autos geplant. Jetzt wären sie froh, wenn sie 2026 10 bis 11 Mil­ lionen erreichten. Und die Marke VW verkaufte 2022 nur noch 4,6 Millionen Autos. Es war mal ein Drittel mehr,“ schreibt das Managermagazin in seiner jüngsten Ausgabe. Damit sind bis zu 10 % aller 674.000 Jobs bedroht – in der Mehrzahl in Deutschland.

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