Tichys Einblick
Gewinneinbruch

Daimler: Mitarbeiter und Aktionäre bezahlen für das Versagen der Führung

Seit dem Hoch von 2015 hat sich der Wert der Daimler-Aktie halbiert. Das ist unter anderem auch das Ergebnis einer Politisierung auf Kosten der Kundenwünsche, für die vor allem Ex-Chef Dieter Zetsche stand.

Keine guten Nachrichten gibt es seit längerem für die so genannten Stake-Holder des ältesten Automobilunternehmens der Welt. Daimler-Mitarbeiter und -Aktionäre bekommen nun das unternehmerische Versagen der Konzernführung zu spüren. Der Einbruch des operativen Gewinns im Vergleich zum Vorjahr um rund 61 Prozent auf rund 4,3 Milliarden Euro bedeutet für die etwa 130.000 Mitarbeiter: Die Gewinnbeteiligung für jeden von ihnen schrumpft von 4.965 auf 597 Euro. Zur Beruhigung der Gemüter spendiert der Konzern dazu noch eine „Anerkennungsprämie“ von 500 Euro. 

Nein, man muss Leute, die „beim Daimler schaffe“, trotzdem nicht bemitleiden. Zumindest nicht jene, die im Unternehmen bleiben dürfen. Denn bis zu 15.000 Stellen sollen offenbar eingespart werden. Bitter ist die jüngere Daimler-Geschichte vor allem für Aktionäre. Die jüngsten Nachrichten haben schon kaum noch jemanden überrascht. Es geht einfach ziemlich kontinuierlich abwärts. Seit Anfang des Jahres 2018 haben Daimler-Aktien fast 40 Prozent an Wert verloren. Damals war nur ein kurzes Zwischenhoch bei etwa 74 Euro. Im März 2015 aber kostete eine Daimler-Aktie einmal über 90 Euro – heute sind es rund 43. 

2015 – das war vielleicht nicht ganz zufällig das Jahr, in dem Vorstandschef Dieter Zetsche – im Mai 2019 nach über 13 Jahren an der Konzernspitze abgetreten – jene merkwürdigen (im wahrsten Sinne) Worte von sich gab: „Aber im besten Fall kann es auch eine Grundlage für das nächste deutsche Wirtschaftswunder werden – so wie die Millionen von Gastarbeitern in den 50er und 60er Jahren ganz wesentlich zum Aufschwung der Bundesrepublik beigetragen haben.“ Das sagte er im September im Vorfeld der Internationalen Automobilausstellung IAA. Aber wer sein komplettes Leben zurücklasse, sei hoch motiviert, und: „Genau solche Menschen suchen wir bei Mercedes und überall in unserem Land.“ Deswegen sollten die damals täglich zu Tausenden über die offenen Grenzen zuwandernden Flüchtlinge in Deutschland willkommen geheißen werden. „Wer an die Zukunft denkt, wird sie nicht abweisen.“  

Gewinneinbruch
Zetsche hat sich nicht nur als wenig begabter Prophet gezeigt, wie man nun wohl feststellen darf. Er darf sich – wohlausgestattet mit vielen Millionen Euro schweren Pensionsrechten und Aufsichtsratsposten – einreihen in die Ahnengalerie der Vorstandschefs deutscher Großkonzerne, die lange Jahre an der Spitze blieben, große Pläne hatten, im Chor mit den politisch Mächtigen sangen – doch dabei offensichtlich den Kontakt zur Wirklichkeit schleifen ließen und ihren Stakeholdern wenig Freude machten. Nach Jürgen Schrempp hat Daimler nun den zweiten herausragenden Kopf für diese Galerie geliefert. 

Unter Zetsches Führung hat Daimler auch (wie mancher andere deutsche Konzern) die Moralisierung und Politisierung der Wirtschaft vorangetrieben, etwa indem gewisse unbotmäßige Medien keine Werbeanzeigen mehr bekamen. Der Dank der Bundesregierung war eine konsequente Anti-Auto-Politik. Diese wiederum beantwortete Daimler bis heute ebenso wie andere Großunternehmen durch noch mehr moralpolitische Anbiederung. Ein Plädoyer für die Verteidigung der Marktwirtschaft in Zeiten des gigantischen staatswirtschaftlicher Planungsvorhaben namens Energie- und Mobilitätswende war nicht zu vernehmen. Stattdessen das Autogipfel-Geschacher um neue Subventionen für die Elektromobilität.  

Offenbar ist in der Führung von Daimler vor lauter Moral und Politik das unternehmerische Gespür für die Wünsche der Kunden, für den Markt, verloren gegangen. Ob Zetsches (Wunsch-)Nachfolger Ola Källenius es wieder findet, dürfte für Mitarbeiter und Aktionäre langfristig wichtiger sein als die fortgesetzte Beziehungspflege zur Politik. 

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