Tichys Einblick
Branchenreport Autoindustrie Deutschland Juni

Der Automarkt steht unter Volt-Dampf – doch das Vorkrisenniveau bleibt unerreicht

Der Aufschwung der deutschen Automobilkonjunktur wird von einem Corona-bedingten Nachholbedarf getragen. Das vergleichbare Zulassungsvolumen aus 2019 wurde jedoch bei weitem nicht erreicht. Der Anteil elektrifizierter Autos erreichte einen neuen Höchststand.

Autoterminal im Duisburger Hafen

IMAGO / Rupert Oberhäuser

Alle Konjunkturindikatoren des Automarktes in Deutschland signalisieren mit zunehmender Lockerung der Corona-Restriktionen erwartungsgemäß: anhaltende Erholung. Selbst die Börsen haben das inzwischen registriert. Nach wie vor wird der Anstieg vom Corona-bedingten aufgestauten Nachholbedarf getragen, Marktwachstum durch die erhoffte Zusatznachfrage nach E-Autos, hat noch nicht eingesetzt, die Vor-Corona Vergleichszahlen des Jahres 2019 werden nach wie deutlich unterschritten. 

Gleichwohl haben das weitere Vordringen alternativer, überwiegend elektrischer Antriebe ebenso wie der Export von Verbrennerautos einen erheblichen Anteil an der positiven Branchen- und Marktentwicklung. 

Marktentwicklung (Quelle: VDA, KBA):

  • Im Mai 2021 wurden in Deutschland 230.600 Pkw neu zugelassen, 37 Prozent mehr als im Mai des Vorjahres, als Pandemie-Schock bedingt die Neuzulassungen um -49,5 Prozent gegenüber 2019 eingebrochen waren.  Seit Jahresbeginn wurden damit 1,1 Mio. neue Pkw in Deutschland abgesetzt, 13 Prozent mehr als im Corona-Jahr 2020. Das vergleichbare Zulassungsvolumen aus 2019 wurde dabei jedoch nach wie vor um 27 Prozent unterschritten. Da bleibt also weiter Luft nach oben
  • Neuzulassungen mit Benzinmotor waren mit einem Anteil von 37,7 vH (+1,1 %) die am häufigsten gewählte Kraftstoffart, gefolgt von Dieselaggregaten, die mit einem Anteil von 22,3 vH um -3,3 Prozent weiter im Trend unter dem Ergebnis des Vergleichsmonats lagen. Nur nachrichtlich: Außerdem wurden im Mai 618 Flüssiggas-Pkw (0,3 vH; +209,0 Prozent) und 516 Erdgas-Pkw (0,2 vH; +36,5 Prozent) zugelassen
  • Bemerkenswert: 
    • Nahezu ein Viertel der Neuzulassungen waren Fahrzeuge aus dem SUV-Segment (23,4 %/+61,2). Den größten Zuwachs erreichte das Mini-Segment mit +114,9 Prozent, der Anteil machte 6,1 Prozent aus. 
    • Anders als Pressemitteilungen vermuten ließen, lagen die Neuzulassungen von Wohnmobilen lediglich um +8,1 Prozent über dem Vorjahresergebnis und erreichten aber immerhin einen Anteil von 4,9 Prozent an den Neuzulassungen
  • Das Zeitalter der Elektromobilität ist angebrochen – zumindest in Deutschland. Anstelle von Verbrennerautos kauften die Kunden Autos mit elektrifizierten Antrieben, die im Mai 2020 das Geschehen am deutschen Automobilmarkt beherrschten. Die Elektro-Neuzulassungen stiegen im Mai um 338 Prozent auf 54.000 Einheiten. Der Anteil von E-Pkw am Gesamtmarkt erreichte mit 23,4 Prozent einen neuen Höchstwert in diesem Jahr. Diese positive Entwicklung geht überwiegend auf Autos mit dualem Antrieb, also Elektro + Verbrenner zurück (Hybrid, PHEV)
    • Bei Batterie-Elektro (BEV)-Fahrzeugen fiel der Zuwachs zum Vorjahr mit 26.786 Neuwagen am höchsten aus (+380,2 Prozent); ihr Anteil am Markt stellte sich auf 11,6 vH.
    • Weiterhin in der Käufergunst vorn lagen mit 27.222 neu zugelassene Plug-In-Hybrid-Pkw (+303,0 Prozent und einen Anteil von 11,8 Prozent. 
    • Der Hybridanteil einschließlich der Plug-Ins betrug bei 64.367 Neuzulassungen 27,9 vH (+181,8  Prozent). 
  • Rechnet man alles zusammen, erreichte der Anteil elektrifizierter Autos an den Neuzulassungen im Mai 2021 in Deutschland mit 39,5 vH global gesehen einen absoluten Höchststand. Die in der Vergangenheit den deutschen Autohersteller von grünen Umweltaktivisten gemachten Vorwürfe, sie hätten die Elektromobilität verschlafen, haben sich damit von selbst erledigt.

Quelle: KBA

Entwicklung Automobilindustrie
  • Dass der Aufschwung sowohl des Marktes wie der Autoindustrie selbst weitergeht, dafür sorgen kräftig steigende Aufträge. Nach Meldung des VDA nahm der Inlandsauftragseingang im Mai gegenüber dem Vorjahresmonat um rd 60 Prozent zu, per Mai in Summe um 17 Prozent. Noch dynamischer entwickelten sich die Bestellungen aus dem Ausland: hier verbuchten die deutschen Hersteller im Mai einen Orderanstieg von 47 Prozent; seit Januar gingen 37 Prozent mehr Aufträge aus dem Ausland ein.
  • Mit dieser Orderflut kamen weder Produktion noch Export zurande.  Produktionsengpässe bestimmen das Bild. Mit dazu beigetragen haben nicht nur temporär fehlende Kapazitäten, sondern auch anhaltende Lieferengpässe bei Halbleitern.
    • Die Produktion in den deutschen Automobilwerken stieg im Mai mit 250.100 Pkw um 58 Prozent gegenüber Vorjahr. In den ersten fünf Monaten belief sich die Produktion auf 1,5 Mio. Pkw (+ 25 Prozent). 
    • Rd. 70 Prozent der Pkw-Produktion ging ins Ausland. Der Export lag im Mai mit 177.700 Pkw um 75 Prozent höher als vor einem Jahr. Im bisherigen Jahresverlauf wurden 1,1 Mio. Pkw (+ 26 Prozent) exportiert.