Tichys Einblick
Späte Einsicht in der Autofachwelt

Auto-Kongress in Berlin: „Einiges bei Elektroautos läuft nicht nach Plan“

Einiges bei E-Autos laufe nicht nach Plan, sagt der Chef des größten Online-Händlers für Neu- und Gebrauchtwagen auf dem Automobilwoche-Kongress in Berlin. Der Bundesregierung dürfte diese Botschaft nicht gefallen. Vor allem gebrauchte E-Autos sind den Kunden zu teuer.

Gebrauchte E-Autos der Markt Renault ZOE, Kempten, Deutschland, 04.04.2023

IMAGO / Action Pictures

„Wunder gibt es immer wieder, heute oder morgen können sie geschehen … Wenn sie dir begegnen, musst du sie auch sehen“, wusste Katja Ebstein schon 1970 zu berichten. Und siehe da, auf dem aktuellen Automobilwoche-Kongress 2023 in Berlin ist ein solches Wunder geschehen. Dort erklärte Ajay Bhatia, CEO der Mobile.de, Deutschlands größtem Online-Händler für neue und gebrauchte Autos, den hochrangigen Branchenvertretern ungeschminkt: „Einiges bei Elektroautos läuft nicht nach Plan“ (Mobile.de-CEO Ajay Bhatia: Gebrauchte E-Autos kaum gefragt | Automobilwoche.de).

Der Ampel-Politik dürfte diese Botschaft gar nicht gefallen. Gebrauchte E-Autos hätten bei Verbrauchern einen schweren Stand, der Wind auf dem Gebrauchtwagenmarkt habe sich gedreht, der Nachfragemarkt sei wieder zu einem Angebotsmarkt geworden. Vor allem E-Autos tun sich mit der neuen Entwicklung schwer, so Ajay Bhatia auf dem Kongress.

Die Anzahl der Suchanfragen seien von monatlich 5,8 Millionen im Jahr 2022 auf aktuell 5,4 Millionen abgesackt (Automobilwoche), während das Angebot von 17.000 im Jahr 2021 auf 74.000 im Jahr 2023 gestiegen sei. Bhatia konstatiert ganz sachlich, Hauptgrund dafür sei, dass zwischen den geforderten Preisen für gebrauchte E-Autos und der Zahlungsbereitschaft der Kunden eine immer größer werdende Lücke klaffe. Im Schnitt kosten E-Autos bei Mobile.de 42.718 Euro. Die Zahlungsbereitschaft der Kunden liege jedoch bei 23.946 Euro und damit 18.772 Euro niedriger.

Dagegen sei die Preisspanne bei Verbrennern mit 8751 Euro weniger als halb so groß. 19.591 Euro sind Verbraucher demnach bereit zu zahlen, die durchschnittlichen Angebotspreise liegen bei 28.342 Euro.

Zudem bestehen weiterhin die allseits bekannten Vorurteile und Bedenken gegenüber Elektroautos, so wegen der Reichweite (66 Prozent), Ladeinfrastruktur (61 Prozent) oder der Batterielebensdauer (50 Prozent). „E-Autos sind derzeit nicht die bevorzugten Fahrzeuge“, konstatierte Bhatia.

Allerdings: „Einige Modelle verkaufen sich schnell, andere wiederum nicht“, so Bhatia. Vor allem Teslas und Modelle von MG fänden schnell neue Eigentümer, deutsche Hersteller lägen eher im Mittelfeld.

Was Vertriebsvorständen der etablierten Hersteller die Tränen in die Augen treiben dürfte, erwähnt der Mobile.de-CEO eher beiläufig: Kaum ein Verbraucher kann E-Modelle der richtigen Marke zuordnen, nicht nur bei Elektroautos, aber dort noch mehr als bei Verbrennern. Kurz: Die Markenloyalität der Verbraucher erodiert. 64 Prozent der Verbraucher wollen sich beim nächsten Autokauf eine andere Marke kaufen oder sind sich darüber nur unsicher. Ihrer Marke treu bleiben wollen nur 30 Prozent. „Immer weniger Menschen interessieren sich für die Marke“, sagte Bhatia.

Besonders ausgeprägt ist dieser Trend bei E-Autos, was angesichts der Fülle neuer, unbekannter chinesischer Marken mit exotischen Namen, die aktuell auf den deutschen Markt drängen, nicht verwunderlich ist. Die Folge: Verbraucher können E-Modelle kaum noch der richtigen Marke zuordnen. Nur elf Prozent der Verbraucher etwa können den Taycan Porsche zuordnen. Kein Einzelfall: Fords Mustang Mach-E konnten nur 14 Prozent, Fiats 500e nur 20 Prozent richtig zuordnen. Auch dass das Model 3 von Tesla ist, wussten nur 23 Prozent der Befragten. Am besten schnitten noch VW und Renault ab: Immerhin 37 Prozent konnten deren Modelle ID.3 und Zoe richtig zuordnen (Automobilwoche).

Für die etablierten Hersteller wie BMW, Daimler und Volkswagen/Audi, werden damit Image und Markenpflege in Zukunft von noch größerer Bedeutung.

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