Tichys Einblick
Jahreswirtschaftsbericht 2021:

Bundesregierung gesteht Wirtschaftskrise ein

Der Jahreswirtschaftsbericht sagt, dass die wirtschaftliche Entwicklung zweigeteilt ist: Ein durch die Pandemie in Mitleidenschaft gezogener Dienstleistungssektor steht einem robusten Produzierenden Gewerbe gegenübersteht. Das klingt allerdings besser als es ist.

Peter Altmaier, Bundesminister fuer Wirtschaft und Energie, bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichts 2021 in Berlin

IMAGO / photothek

Am 8. Juni 2020 in der Sendung „Hart aber fair“ hatte Robert Habeck bereits darüber gejubelt, wie leicht es sei, Krisen auszulösen: „Wer hätte gedacht, dass wir die ganze Wirtschaft lahmlegen, weil wir Werte … vor ökonomische Kreisläufe stellen.“ Mit Blick auf das Zahlenwerk des Jahreswirtschaftsberichts 2021 kann man Robert Habeck nur gratulieren, die Operation ist geglückt, der Patient zwar nicht tot, aber angeschlagen. Der Jahreswirtschaftsbericht, den Peter Altmaier vorstellte, zeigt die deutsche Wirtschaft nach einem Shutdown und einem Lockdown auf Talfahrt.
Bemerkenswert ist, dass die Bundesregierung „mit einem schwierigeren und längeren Weg aus der coronabedingten Wirtschaftskrise“ rechnet und damit selbst die Wirtschaftskrise eingesteht, in der sich Deutschland befindet, deren ganze Wucht allerdings durch die Aussetzung der Pflicht zur Insolvenzanmeldung, durch das Kurzarbeitergeld und diverse Hilfspakete noch aufgefangen wird.

Die Zahlen zeigen jedoch, dass die Ursachen für die Wirtschaftskrise erstens nicht in der Pandemie liegen, sondern in den umstrittenen Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der Pandemie und sie zweitens ein Resultat der Energie- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung ist, die zu einer De-Industrialisierung führt, weil der Markt überreguliert und durch Subventionen verzerrt wird, wie sie beispielsweise das EEG vorsieht.

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Man kann bereits auf die Behauptung warten, dass die Krise letztlich Resultat der Unfähigkeit des Kapitalismus sei, der auch für die Corona-Pandemie verantwortlich gemacht wird. Und auch die Schlussfolgerung wird nicht auf sich warten lassen, dass deshalb das System durch einen Umbau, durch einen Great Reset oder in der Großen Transformation zu verändern ist. Aber das stimmt nicht, denn die deutsche Wirtschaftskrise ist in wichtigen Teilen Resultat des Handelns der Bundesregierung – und das bereits vor Corona, wie die Zahlen derselben Bundesregierung belegen.

Die Bundesregierung rechnet nach einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2020 von -5% mit einer Erholung und mit einem Wachstum im Jahr 2021 von 3 %. Sie schränkt jedoch ein, dass die Prognose höchst unsicher ist, denn sie hängt ab von der „Stabilisierung der pandemischen Lage durch die Impfung größerer Bevölkerungsgruppen und der Rücknahme der Einschränkungen des öffentlichen Lebens“. Doch gerade bei der „Impfung größerer Bevölkerungsgruppen“ versagt die Regierung eklatant. Die Regierung Merkel plant jedoch nicht die „Rücknahme der Einschränkungen des öffentlichen Lebens“, sondern das ganze Gegenteil, möglicherweise bis in den Spätsommer hinein. Wenn ein Wirtschaftswachstum von der Impfung und der Öffnung des öffentlichen Lebens abhängig ist, dann dürften dieser Tage sich die prognostizierten 3 % Wirtschaftswachstum gerade durch das Missmanagement der Regierung in einen frommen Wunsch auflösen.

Im Jahreswirtschaftsbericht wird explizit darauf hingewiesen, dass die wirtschaftliche Entwicklung zweigeteilt ist und ein durch die Pandemie in Mitleidenschaft gezogener Dienstleistungssektor einem robusten Produzierenden Gewerbe gegenübersteht. Das klingt allerdings besser als es ist. Denn selbst die Bundesregierung weist auf die negativen Auswirkungen ihrer Politik hin, wenn sie richtigerweise einschätzt, dass bei „aufgrund länger anhaltender Einschränkungen auch negative Effekte auf die Wertschöpfung im bislang robusten Produzierenden Gewerbe übergreifen“ könnten. Im Klartext heißt das, dass die Krise nicht beim Dienstleistungssektor halt machen wird. Laut einem Bericht des Info-Radios brechen in Berlin die Großmärkte zusammen, manche nach 150jähriger Existenz. Sie haben alles überstanden, nur nicht die Regierung Merkel. Auch die Lieferketten reißen.

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Steht das Produzierende Gewerbe wirklich so robust da? Im Jahr 2020 verzeichnete der „Maschinenbau, die Hersteller von elektrischer Ausrüstung und die Produzenten im Bereich elektronischer Datenverarbeitung und Optik jeweils Umsatzeinbrüche von etwa 20 Prozent“, während im Kraftfahrzeugbau der Umsatz um etwa 30 % zurückging. Verantwortlich für die Zahlen ist nicht nur der Generalbösewicht Covid-19, sondern die Energie-, Umwelt- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, die Unternehmen aus dem Land treibt. Daimler und BMW bauen die Benziner künftig in China, während sie in Deutschland die Subventionen für die E-Mobilität abholen, die sie sich aber mit Elon Musks Tesla teilen müssen.

Der Maschinen- und Kraftfahrzeugbau stellen das Rückgrat der deutschen Wirtschaft dar. Wenn die Krise auch auf diese Bereiche durchschlägt, ist das, was wir jetzt erleben, lediglich ein überschaubares Vorbeben.

Selbst auf dem Arbeitsmarkt kam es „erstmals nach 14 Jahren mit Zuwächsen bei der Erwerbstätigkeit … zu einem Rückgang.“ Dass der Rückgang geringer ausfiel als der Einbruch der Wirtschaftsleistung, lag nach der zutreffenden Einschätzung der Bundesregierung an dem „intensiven Einsatz des Instruments der Kurzarbeit“. Aber auch das konnte nicht einen deutlichen Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit verhindern – zum ersten Mal seit den Hartz-Reformen. Die Erholung der Industrie nach dem Einruch vom Frühjahr hat am Arbeitsmarkt eben nicht durchgeschlagen. Im Gegenteil: Auch das produzierende Gewerbe will in den kommenden Monaten eher entlassen als einstellen, wie das ifo-Beschäftigungsbarometer zeigt.
Der Bericht der Bundesregierung räumt ein, dass auch die Löhne 2020 geringer ausfielen. Es gehört zu den sozialen Meisterleistungen dieser Regierung, dass während die Löhne fallen, die Steuern und Abgaben, CO-2 Steuer und Energiepreise, steigen. Warum setzt die Bundesregierung nicht die CO-2 Steuer aus?

Die Bundesregierung gesteht ein, dass die „Preisentwicklung für Energieträger … zum steigenden Preisniveau beitragen“ wird. Sieht man vom steigenden Ölpreis ab, werden die Maßnahmen des Klimapakets zur Kostensteigerung für die privaten Haushalte stark beitragen, auch aufgrund der Einführung von Emissionszertifikate für Transport- und Gebäudeheizungen, die im Grunde wie eine zweite CO-2 Steuer auf Öl und Gas wirken. Wenn die Bundesregierung behauptet, dass es eine teilweise Entlastung bei den Strompreisen aufgrund der Senkung der EEG-Umlage geben wird, so kann man das nur gleißnerisch nennen, denn die steigenden Energiekosten durch das EEG sollen künftig aus der Steuerkasse bezahlt werden. Um die Akzeptanz für erneuerbare Energien bei den Bürgern zu erhöhen, werden klammheimlich die Preissteigerungen aus von den Bürgern zuvor entrichteten Steuern bezahlt. Schließlich dürfen die staatsubventionierten EEG-Millionäre nicht verarmen – und die Bürger sollen nicht merken, dass sie weiter explodierende Energiekosten bezahlen, via Finanzamt eben.

Die Wachstumszahlen zeigen, dass die Pandemiemaßnahmen der Regierung auf eine bereits schwächelnde Wirtschaft treffen, die bereist 2019 an einer Rezession kratzte. Während das Jahr 2019 – das Jahr vor der Pandemie – im Jahresdurchschnitt noch ein mageres Plus von 0,6 % aufwies, verzeichnete die Wirtschaft 2020 einen Rückgang von -5 % im Jahresdurchschnitt, auch wenn einige Medien 2020 tapfer von einer V-förmigen Erholung phantasierten. Das Plus im Jahr 2019 wurde im Grunde durch den Anstieg im 1. Quartal erzielt, die drei weiteren waren schon deutlich schwächer. Das heißt, dass die Wirtschaft auch vor der Pandemie sich nicht auf einem Wachstumskurs befand. Die Zahlen belegen, dass die Pandemie wie ein extrem effektiver Katalysator wirkt, sie aber nicht die alleinige Ursache für den Rückgang darstellt. Es wundert daher nicht, dass die Grünen sich eine Ergänzung des BiP um ein neues Wohlstandsmaß wünschen, um letztlich an den objektiven Zahlen subjektiv drehen zu können. Man darf gespannt sein, ob und wann sich die CDU diesen Wünschen anschließt.

ifo-Beschäftigungsbarometer sinkt erneut
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Die Zahlen für 2020 gäben Anlass dazu, denn das Bruttoinlandsprodukt brach um -5,0 % ein. Das kann man auf den Shutdown im Frühjahr und den Lockdown im November und Dezember 2020 zurückführen, doch eben nicht vollständig, denn das 1. Quartal, auf das sich die Corona-Pandemie noch kaum auswirkte, wies bereits einen Einbruch von -2,2 % auf. Folgende Linie zeichnet sich beim Jahreswirtschaftswachstum ab: 2018: 1,4 %, 2019: 0,6 % und 2020: -5,0%.
Trotz dieser Zahlen kann der Bundeskanzlerin keine Maßnahme hart genug und der Lockdown nicht lang genug sein. Wie die Bundesregierung vor diesem Hintergrund ein BIP-Wachstum für das Jahr 2021 von 3,0 % prognostiziert, bleibt ihr Geheimnis, zumal sie selbst einschätzt, dass weitere Risiken noch „durch die im globalen Umfeld hohe Verschuldung des Unternehmenssektors, die hohe Verschuldung von Staaten sowie mögliche Überhitzungen an Finanz- und Immobilienmärkte“ hinzutreten. Die Bundesregierung weiß, wovon sie spricht, denn sie hat zugestimmt, dass der 750 Milliarden Euro schwere Next Generation EU Fond (NGEU) fast zur Hälfte, zu 360 Milliarden Euro, aus Schulden finanziert wird, wie übrigens auch das europäische Kurzarbeitgeld SURE zum Teil.

Man hat das Gefühl, dass die rechte Hand nicht weiß, was die linke tut, wenn einerseits auf die Gefahren der Verschuldung der Unternehmen und Staaten hingewiesen wird, anderseits aber diese Verschuldung von der Bundesregierung vorangetrieben wird, und das nicht einmal zum Nutzen Deutschlands und der deutschen Bürger, sondern zum Nutzen beispielsweise Italiens, das nicht einmal weiß, wohin mit dem vielen EU-Geld.

Merkels rechte Hand, Kanzleramtsminister Helge Braun, hat, um die Verschuldung Deutschlands zur Finanzierung der EU ungehindert vorantreiben zu können, bereits die Änderung des Grundgesetzes und die Aussetzung der Schuldenbremse ins Spiel gebracht. Schließlich besteht das Ziel der Bundesregierung darin, „ungerechtfertigte Ungleichheiten innerhalb der EU zu reduzieren, Verwerfungen an den Arbeitsmärkten auch aufgrund externer Schocks zu mindern und den sozialen Schutz zu verbessern.“ Das heißt im Klartext: Das deutsche Sozialsystem wird auf Europa ausgeweitet – und der Hauptzahler dafür wird der deutsche Bürger sein.

Die Wirtschaftskrise ist da. Wenn sie sich ausweitet, wird die Staatskrise folgen, da mögen die „ideologischen Apparate“ (Louis Althusser) noch so feine, noch so grobe Propagandakampagnen fahren und Verschwörungstheorien ersinnen. Wie heißt es bei Bertolt Brecht in der Dreigroschenoper: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“ Überspitzt und in Brechts Gleichnis gesprochen, wenn das „Fressen“ nicht mehr da ist, fliegt dem Land die Moral um die Ohren. Auch wenn man dadurch den Moralismus loswürde, sollte man es sich nicht wünschen, denn der Preis dafür ist hoch, er wird Tag für Tag höher. Die Wirtschaftsliberalen, der Arbeitnehmerflügel und die Konservativen in der CDU müssen endlich handeln.

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