Tichys Einblick
Inflationsraten auf der Achterbahn

Inflationsrate wird sich bei 4 Prozent einpendeln

Die Inflationsrate ist im September auf den niedrigsten Wert seit Beginn des Ukraine-Kriegs gefallen. Der seit Sommer rückläufige Inflationstrend kommt in den nächsten Monaten jedoch zum Stillstand. Die Rate wird sich trotz aller erratischen Aufs und Abs bei rund 4 Prozent einpendeln. Nahrungsmittel bleiben dabei Preistreiber.

Die Preise für Nahrungsmittel erhöhten sich im September 2023 um 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat

IMAGO / CHROMORANGE

Die Inflationsrate in Deutschland − gemessen als Veränderung des Verbraucherpreisindex (VPI) zum Vorjahresmonat – lag im September 2023 bei +4,5 Prozent. Im August und Juli 2023 hatte der Preisanstieg noch über sechs Prozent gelegen (+6,1 Prozent bzw. +6,2 Prozent), zu Jahresbeginn sogar bei + 8,7 Prozent. Die Inflationsrate ist damit auf den niedrigsten Wert seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine gefallen.

Vielfach wird daraus Hoffnung auf eine anhaltend günstige Inflationsentwicklung auch in den nächsten Monaten bis Jahresende geschlossen. So wird in der Süddeutschen Zeitung eine Reuters-Meldung mit der Überschrift wiedergegeben: „Inflation kann weiter fallen – Die Großhandelspreise sinken bereits so stark wie zuletzt vor drei Jahren“. Die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, Ruth Brand, hält dagegen: „Sie bleibt aber dennoch hoch …“, denn: „Die gestiegenen Preise für Nahrungsmittel sind für die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin besonders deutlich spürbar.“

Teures Lernen
Kinder sind die größten Opfer der Inflation
Der Großhandel gilt vielen als Scharnier zwischen Herstellern und Endkunden. Allerdings zu Unrecht, der Zusammenhang ist statistisch kaum erkennbar. Preissenkungen auf der Großhandelsstufe kommen allenfalls verzögert auf der Verbraucherstufe an, am deutlichsten noch wahrnehmbar bei Energie, zum Beispiel Benzin. Bei den übrigen Kategorien wie Altmaterial, Reststoffen, Getreide, Rohtabak, Saatgut und Futtermitteln, die alle nicht direkt von Verbrauchern nachgefragt werden und damit nicht im Verbraucherpreisindex landen, dagegen nicht. Diese müssen zuvorderst – wie letzte Kategorie Futtermittel vermuten lässt, erst den produktiven Umweg über Schwein und Huhn etc. genommen haben müssen. Und der dauert.

Fakt ist, dass die Preise im Großhandel für den Verbraucherpreisindex weitgehend unbedeutend sind. Im September sind die Großhandelspreise wegen sinkender Energiepreise um durchschnittlich 4,1 Prozent gegenüber dem Septemberstand 2022 gefallen. Diesen spezifischen Rückgang sehen Analysten gelegentlich als Beweis für einen nachlassenden Inflationsdruck und schließen auf weiter sinkende Inflationsraten. Gelegentlich wird daraus der Schluss gezogen, die Teuerungsrate für die Verbraucher könne bis Jahresende auf drei Prozent fallen, sollte ein starker Anstieg der Ölpreise ausbleiben (ING-Chefvolkswirt Brzeski). Dazu wird es allerdings nicht kommen.

Wichtiger als die Großhandelspreise für die Abschätzung der künftigen Verbraucherpreis-Entwicklung sind die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise, zu denen Obst, Gemüse und Milch zählen. Laut Statistischem Bundesamt bleiben Nahrungsmittel Preistreiber. Die Preise für Nahrungsmittel erhöhten sich im September 2023 um 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Der Preisauftrieb für Nahrungsmittel verlangsamte sich damit zwar erneut (August 2023: +9,0 Prozent, Juli 2023: +11,0 Prozent), für viele Nahrungsmittelgruppen lag die Preiserhöhung aber dennoch weiterhin deutlich über der Gesamtteuerung (+4,5 Prozent).

Der Marktausblick
Inflation zwingt Notenbanken weiter zum Gegensteuern – IWF-Ökonomen erwarten dennoch Wirtschaftswachstum
Frühstücksfreaks und Vegetarier waren besonders betroffen: Vor allem für Zucker, Marmelade, Honig und andere Süßwaren (+15,3 Prozent) sowie für Brot und Getreideerzeugnisse (+12,0 Prozent) mussten die Verbraucherinnen und Verbraucher spürbar mehr bezahlen. Deutlich teurer wurden auch Fisch, Fischwaren und Meeresfrüchte (+9,6 Prozent) sowie Gemüse (+8,4 Prozent) und Obst (+7,5 Prozent). Dagegen waren Speisefette und Speiseöle um 14,2 Prozent günstiger als ein Jahr zuvor, vor allem durch die merklichen Preisrückgänge bei Butter (-29,0 Prozent) und Sonnenblumenöl, Rapsöl und Ähnlichem (-16,6 Prozent).

Alles in allem kann man also feststellen, dass sich die Inflation im Abwärtstrend befindet. Allerdings zeichnet sich ab, dass dieser Trend in den restlichen Monaten 2023 nicht weiter sinkt, sondern sich um eine monatliche Rate von 4,1 Prozent einpendelt. Dies jedoch bei starken Schwankungen von Monat zu Monat, je nachdem, wie sich die Vergleichsbasis in den Vorjahresmonaten verändert hat.

Unterstellt man, dass sich der Anstieg des Verbraucherpreisindex nicht erneut beschleunigt, sondern er sich wie seit den Sommermonaten von Monat zu Monat bis Januar 2024 jeweils um 0,3 Prozentpunkte erhöht, zeigt sich bei den Inflationsraten in den Restmonaten 2023 folgendes verwirrendes Bild:

  • September 2023: + 4,5 Prozent (laut Statistischem Bundesamt)
  • Oktober 2023: + 4,1 Prozent (Rechenbeispiel)
  • November 2023: +4,1 Prozent (dito)
  • Dezember 2023: +4,9 Prozent (dito)
  • Januar 2024: + 4,1 Prozent (dito)

Der abrupte Wiederanstieg der Inflationsrate im Dezember 2023 auf 4,9 Prozent signalisiert also kein neuerliches Wiedererstarken inflationärer Kräfte. Vielmehr erklärt er sich durch staatliche Dezember-Soforthilfe vor einem Jahr, die den Verbraucherindex im Dezember 2022 um 0,5 Indexpunkte nach unten drückte, und die Inflationsrate auf „nur“ 8,1 Prozent absenkte. Im Vormonat November lag sie damals noch bei 8,8 Prozent, und im nachfolgenden Januar 2023 schnellte sie dann wieder auf 8,7 Prozent hoch.

Festzuhalten bleibt: Der seit Sommer 2023 erkennbare rückläufige Inflationstrend kommt in den nächsten Monaten zum Stillstand. Die Inflationsrate pendelt sich trotz aller erratischen Auf und Abs absehbar bei rund 4 Prozent ein.

Anzeige