Tichys Einblick
Ola Källenius zieht durch

Heißer Herbst zu erwarten: Daimler streicht Stellen und IG Metall will kämpfen

Das große Sparprogramm bei Daimler, das Ola Källenius durchziehen will, ist nur die Spitze des Eisberges an Jobverlusten, die in der Metallindustrie bevorstehen. Die IG Metall sorgt sich schon um die kommenden Bundestagswahlen und "die Rechten".

imago Images/Sven Simon

So fern lagen sich Finanz- und Arbeitsmarkt wohl selten. Während an der Börse nach vier Monaten wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht ist und aus China erste Zeichen einer Konjunkturerholung in der Automobilindustrie vernehmbar sind, scheint die Krise am Arbeitsmarkt in der Metall-Industrie scheint jetzt erst so richtig loszugehen.

Die größte Hiobsbotschaft kommt vom ältesten Automobilhersteller der Welt, Daimler. Der neue Konzernchef Ola Källenius will offenbar das härteste Sparprogramm der Konzerngeschichte durchziehen. Die Stellen von bis zu 30.000 Mitarbeitern sind bedroht, darunter nicht nur solche in den Werkshallen, sondern auch viele leitende Angestellte, wie das Manager-Magazin berichtet. Der Grund dafür ist längst nicht nur die Corona-Krise. 2019 sei ein verlorenes Jahr gewesen, hat laut MM der Chef der Lastwagen-Sparte schon im Juni intern verkündet. Darum müssten die Fixkosten in Europa um 22 Prozent gesenkt werden. Und weil Fixkosten vor allem Personalkosten sind und Manager am meisten verdienen, erfordert das im Management einen Personalabbau um 30 Prozent.

Källenius habe in kleinen Runden angekündigt, die Kosten soweit zu drücken, dass die Gewinnschwelle um 10 bis 15 Prozent sinkt. Das könnte die Schließung von Werken bedeuten. Global könnten inklusive nicht neu besetzter Stellen rund 30.000 Jobs wegfallen, berichtet das MM mit Berufung auf den Aufsichtsrat.

Daimler ist ein großer Konzern und ein großer Name in der deutschen Industrie. Aber was drohende Arbeitsplatzverluste angeht, wohl nur die sichtbare Spitze eines Eisberges. In der deutschen Industrie gehen jetzt gut bezahlte Arbeitsplätze verloren, von denen es sehr fragwürdig ist, dass sie in absehbarer Zeit nach Deutschland zurückkommen. Jüngstes Beispiel: Die Volkswagentochter MAN hat am Mittwoch den Beschäftigten mitgeteilt, dass 3000 Arbeitsplätze bei seiner Großmotoren-Sparte MAN Energy Solutions (ES) in Deutschland gestrichen werden, das sind 40 Prozent der Belegschaft. Die Unternehmensleitung plant, so berichtet die IG Metall, Arbeit an Fremdfirmen und in Billiglohnländer auszulagern und ganze Standortorte zu schließen. Auch betriebsbedingte Kündigungen sind nicht ausgeschlossen. Schon länger ist bekannt, dass VW am liebsten MAN Energy Solutions ganz verkaufen würde. Klar, mit Entlassungen macht es sich VW gerade bei seinem Großaktionär, dem Land Niedersachsen nicht gerade leichter.

Die IG Metall richtet sich offenbar auf einen kämpferischen Spätsommer und Herbst ein. Nachdem die Chefin des Automobilindustrieverbandes VDA, Hildegard Müller, schon vor einigen Tagen gesagt hatte, dass die staatlichen Hilfen den Abbau von Arbeitsstellen nicht verhindern könnten, schlägt IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner jetzt die ganz große Alarm-Trommel: Nicht nur wegen der Corona-Krise sondern auch wegen genereller Strukturanpassungen erwarte er, so berichtet die Welt aus einem Pressegespräch mit Kerner, dass rund 300.000 Arbeitsplätze allein in der Metallindustrie verloren gingen. Und auf der Website der Gewerkschaft heißt es schon im typischen Gewerkschafter-Jargon: „Wenn wir zusammenhalten, ist alles möglich“. Man werde im Herbst für jeden Arbeitsplatz kämpfen.

Darum will die IG Metall die Bundesregierung drängen die Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld auf 24 Monate zu verlängern. Die Gesellschaft, so Kerner, müsse den „Druck aufbauen, dass die Unternehmen auch ihren Beitrag leisten und die Menschen in den Betrieben halten“.

Argumentativ reicht Kerner dabei das Eigeninteresse der betroffenen Arbeitnehmer allerdings nicht mehr aus. Angesichts der steigenden Arbeitslosenzahlen werde das Thema sicher den kommenden Bundestagswahlkampf bestimmen, und da müsse man schließlich verhindern, „dass die Rechten gewinnen.“

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