Tichys Einblick
Trotz Niedrigzinsen und Inflation

Goldpreis unter Druck – Marktbeobachter wittert Manipulation

Der Goldpreis ist seit Jahresbeginn um rund 6 Prozent gefallen – und das trotz Niedrigzinsen, Inflation und explodierenden Staatsschulden. Ein bekannter Analyst hält Manipulation für wahrscheinlich.

IMAGO / Alexander Limbach

Eigentlich müssten gerade glänzende Zeiten für Edelmetalle anstehen. Das Wirtschaftswachstum fällt in diesem Jahr geringer aus als erwartet: Das ifo-Institut senkte am Dienstag seine Jahresprognose um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent. Grund sind die anhaltenden Lieferengpässe. Auch die Inflation zieht an – die Verbraucherpreise stiegen zuletzt um 3,9 Prozent und die Erzeugerpreise sogar um 12 Prozent. Gleichwohl profitiert Gold bislang nicht. Der Kurs liegt mehr als 100 US-Dollar tiefer als zu Jahresbeginn.

Der Edelmetallanalyst Dimitri Speck geht davon aus, dass der Preis auch aufgrund von Manipulationen gefallen ist. „Der Preis wird manipuliert, um angesichts steigender Inflationsraten die Sparer zu beruhigen”, erklärt er gegenüber TE. Dieses Motiv habe der ehemalige Fed-Chef Alan Greenspan bereits am 18. Mai 1993 in einer Sitzung der US-Notenbank genannt. „Damals sinnierte er, Gold zu verkaufen, damit das ‘Thermometer’ – also der Goldpreis – nicht ‘die zugrunde liegende Psychologie beeinflusst’ – und letztlich das Verhalten der Markteilnehmer ändert”, erklärt Speck. Heißt also: Wenn der Goldpreis zu kräftig steigt, geht die Inflationsangst um und die Menschen könnten Dollar, Euro und Co. das Vertrauen entziehen. Das wollen die Zentralbanken verhindern.

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Erst vor wenigen Wochen kam es zu einem auffälligen Kurssturz an asiatischen Börsen. Am 9. August fiel der Goldpreis zwischenzeitlich um rund 100 US-Dollar, wie die Großbank BNP Paribas berichtet. Anlass war eine Verkaufsorder mit einem Volumen von rund 4 Milliarden US-Dollar. Das sei für den Goldmarkt schon per se ein ungewöhnlich hoher Betrag, doch der Zeitpunkt an einem Montagmorgen habe die preisdämpfende Wirkung noch verstärkt, schreibt die Pariser Bank. An einem Montagmorgen seien die Orderbücher ohnehin ausgedünnt. Dazu komme, dass der Tag in Singapur und Japan ein Feiertag gewesen sei. Menschliches Versagen, etwa dass sich ein Händler bei der Order vertippt habe, sei „nahezu ausgeschlossen“, erklärt BNP Paribas. Ein solcher „fat finger trade“ mache normalerweise am Markt schnell die Runde.

Dimitri Speck geht von Manipulation aus – angesichts eines ungünstigen Verkaufszeitpunkts am Montagmorgen, an dem nicht viel Gold gehandelt werde. „Kein erfahrener Marktteilnehmer, der an einer guten Ausführung interessiert ist, tätigt zu solchen Zeiten eine größere Verkaufsorder, da er mit einer schlechten Ausführung rechnen müsste“, sagt Speck. Anders verhalte es sich bei jemandem, der den Kurs manipulieren wolle. In einem volumendünnen Markt lasse sich der Goldpreis am leichtesten drücken.

Auch inmitten der Zypernkrise am 15. August 2013 sei der Goldpreis in einem dünnen Markt abrupt eingebrochen. „Den Bankkunden sollte die Botschaft vermittelt werden, dass sie selbst bei Gold Verluste riskieren und sie ihr Geld auch auf den Banken belassen können“, sagt Speck. Ein Bankrun in anderen Ländern habe verhindert werden sollen. Damals enteignete der zypriotische Staat alle Sparer um einen höheren einstelligen Prozentteil ihres Kontoguthabens. Laut Medienberichten mussten manche Bankkunden sogar einen noch größeren Anteil abdrücken.
Dimitri Speck zufolge lassen sich Preisinterventionen auch statistisch nachweisen. Vom 5. August 1993 bis in die 2010er-Jahre hinein sei der Goldpreis im Mittel immer zu einer bestimmten Tageszeit gefallen, erklärt der Finanzanalytiker. Zwar zeige sich diese statistische Anomalie nicht mehr in den Daten der vergangenen Jahre, aber Speck geht von anhaltenden Eingriffen aus. Dennoch lasse sich der Goldpreis nicht auf Dauer drücken. „Die Notenbanken geben kein physisches Gold mehr in den Markt”, erklärt Speck. Außerdem rechnet er damit, dass die Banken weiter die Zinsen niedrig halten, damit Staaten und andere Schuldner ihre Zinsen bedienen könnten. Die Zinsen unter der Inflationsrate werden Sparer ins Gold treiben, prognostiziert Speck.

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Auch am 9. August verstärkten anfangs Stop-Loss-Aufträge den Preissturz des Goldes, wie es auf der Seite von BNP Paribas heißt. Damit sichern sich Anleger gegen Kursstürze ab: Fällt der Kurs unter eine vorher festgelegte Preisschwelle, wird der Vermögenswert verkauft. Das führte zu Kaskadeneffekten, weil mehr Verkaufsorders auf den Markt kamen. Dennoch zog der Preis rasch wieder an, weil andere Anleger zu dem gefallenen Kurs kauften.

Speck sieht in den manipulierten Preisen eine Chance. Zwar sei die Aussicht, dass sich der Goldpreis über die Terminmärkte manipulieren lasse, beunruhigend für Anleger. Aber fallende Preise machten es billiger, einzusteigen. „Anleger können die Kenntnis über diese Manipulationen nutzen und ihre Goldposition ausbauen.“

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