Tichys Einblick
Börsenausblick für die kommende Woche

US-Zinsen steigen – sinken die Börsenkurse?

Was bedeuten Fahrverbote für deutsche Autobauer? Neben den US-Leitzinsen ist das eines der Themen, die die Börsen kommende Woche bestimmen werden.

Traders work as a television monitor displays Federal Reserve Chair Janet Yellen announcing the Fed's decision to raise interest rates on the floor of the New York Stock Exchange (NYSE) June 14, 2017 in New York City

© Drew Angerer/Getty Images

Sie hat es getan. Janet Yellen, die Präsidentin der amerikanischen Notenbank, hat den Leitzins in den USA wie erwartet erhöht. Die unangenehme Nachricht: Steigende Zinsen sind schlecht für Aktienkurse, weil die Renditen von Anleihen steigen, die weniger Risiko bergen als Dividendentitel. Die angenehme Botschaft: Der Leitzinssatz ist immer noch sehr niedrig. Es bleibt Luft für die Börsen, auch wenn Yellen klargemacht hat, dass es nicht der letzte Schritt in diesem Jahr gewesen sein dürfte. Die amerikanischen Börsen gingen jedenfalls unbeeindruckt zur Tagesordnung über und kümmerten sich wieder um Übernahmen und Fusionen. Und da hielt der Wochenschluss noch einen Hammer bereit: Unter dem Eindruck der Amazon-Offerte für die Biosupermarkt-Kette Whole Foods mussten am Freitag vor allem die Aktien von Einzelhändlern große Verluste hinnehmen. Der weltgrößte Online-Händler versetzte mit dem geplanten Kauf die gesamte Branche in Aufruhr. Es geht die Furcht vor einer zu großen Marktmacht von Amazon um.

Der US-Leitindex Dow Jones Industrial beendete den Handel gleichwohl mit plus 0,11 Prozent auf 21 384,28 Punkten hauchdünn unter seinem Tageshoch. Er stand damit nur wenige Zähler unter seinem vor zwei Tagen erreichten Rekord von 21 391 Punkten. Auf Wochensicht verbuchte der Dow ein Kursplus von einem guten halben Prozent.

Der technologielastige Auswahlindex NASDAQ 100 verlor hingegen weitere 0,34 Prozent auf 5681,48 Punkte. Damit ist er ein gutes Stück von seinem vor einer Woche markierten Rekordhoch bei 5897 Zählern entfernt. Nach dem Erreichen dieser Bestmarke waren die Technologie-Werte stark unter Druck geraten. Viele Marktteilnehmer halten sie inzwischen für überbewertet. Die Wochenbilanz für den Nasdaq 100 fällt negativ aus: Das Minus beläuft sich auf 1,1 Prozent.

Hauptgesprächsthema war aber – wie schon gesagt – die geplante Übernahme von Whole Foods Market durch Amazon. Die Whole-Foods-Papiere wurden zunächst vom Handel ausgesetzt. Nach der Wiederaufnahme schossen sie direkt um rund 27 Prozent auf 42 Dollar hoch. Dies entspricht dem Preis, den Amazon je Aktie der Lebensmittelkette bezahlen will. Whole Foods wird entsprechend mit 13,7 Milliarden US-Dollar bewertet. Mit einem Plus von 29,10 Prozent kosteten die Whole-Foods-Anteile zum Handelsschluss 42,68 Dollar. Für die Amazon-Aktien ging es um 2,44 Prozent hoch.

Die Wettbewerber von Amazon könnten durch die Offerte nun weiter unter Zugzwang geraten. Die Aktien des weltgrößten Supermarkt-Betreibers Wal-Mart (Walmart) sackten als schwächster Dow-Wert um 4,65 Prozent ab, während die Anteile anderer großer US-Wettbewerber wie Kroger, Target und Costco Abschläge zwischen fünf und zehn Prozent verkraften mussten.

Weiteres Unheil für skandalgeplagte Dieselbesitzer droht durch die Entscheider in deutschen Großstädten: Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter denkt über ein flächendeckendes Fahrverbot nach. Die Stickoxidwerte sind dauerhaft zu hoch. Ein schrilles Alarmsignal für die deutsche Auto­industrie etwa am Sitz des Premiumherstellers BMW. In Stuttgart, der Heimat von Daimler, soll ein Verbot ab 2018 kommen. Auch in Städten wie Nürnberg sieht man die hohen Schadstoffniveaus mit Sorge. Folge: Weniger Nachfrage, sinkende Preise — und steigender Handlungs­druck für die Konzerne, alternative Antriebskonzepte in ihre Modellreihen zu bringen. Davon unbehelligt sind jene, die mit Diesel ohnehin nichts am Hut haben: hochprofitable Hersteller wie Ferrari oder Subaru, deren Motoren mit Benzin oder bald Strom angetrieben werden und deren Aktien nachhaltige Gewinne versprechen.

Am kommenden Dienstag ist es wieder so weit: MSCI, der weltweit wichtigste Index­anbieter, entscheidet, ob in seinem Schwellenländerindex künftig Aktien aus China vertreten sind, die an den Festlandbörsen der Volksrepublik gehandelt werden. Chinesische Firmen haben im MSCI Emerging Markets zwar jetzt schon das größte Gewicht aller Länder — dies sind aber in Hongkong gehandelte H-Shares oder in New York gelistete ADRs. Die anstehende Entscheidung über die Aufnahme der in Shanghai oder Shen­zhen gehandelten A-Shares ist indes beileibe keine Detailfrage nur für Index-Nerds. Es geht um Milliarden an Kapital. Denn die MSCI-Indizes sind Grundlage für viele ETFs und die Benchmark, an der sich aktive Fondsmanager messen. Entsprechend viel Geld muss umgeschichtet werden, wenn sich der Index ändert. In den vergangenen Jahren war im Vorfeld der Entscheidung deshalb stets heftig über die Aufnahme der A-Shares spekuliert worden. Vor allem 2015 hatten viele Anleger darauf gesetzt — nach der Absage sackten die Kurse damals deutlich ab. Um einen zu schnellen Kapitalzufluss zu vermeiden, will MSCI nun die A-Shares zunächst nur mit geringem Anteil aufnehmen, der dann steigen soll. Ob 2017 oder erst 2018? Das wird sich am Dienstag zeigen.

Bei der Entscheidung über die richtige Anlageform hinken die Deutschen anderen Ländern hinterher. So stieg das private Finanzvermögen (Bargeld, Aktien, Wertpapiere, Fonds) der Bundesbürger nach einer Studie der Boston Consulting Group 2016 lediglich um 3,7 Prozent auf 6,3 Billionen Dollar. „Nur eine Minderheit legt etwa in Aktien an“, sagt Autor Daniel Kessler. Das sorge zwar für Stabilität, führe aber dazu, dass sich Privatvermögen langsamer entwickelten. Weltweit stieg das Vermögen 2016 um 5,3 Prozent auf 166,5 Billionen Dollar. Am stärksten in Ländern, deren Bewohner sich für Aktien begeistern. Darum klettert auch die Zahl der Millionärshaushalte in Deutschland deutlich langsamer als in den USA oder in Asien. Hierzulande gibt es 473 000 Haushalte mit mindestens einer Million Dollar, in den USA sind es 7,1 Millionen. Somit sind 1,2 Prozent der deutschen Haus­halte Millionärs­haushalte gegenüber 5,7 Prozent in den USA.


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