Tichys Einblick
Der Marktausblickk

Shutdown zwingt Kurse in die Knie, erste Insider kaufen

Die Wochenverluste betragen bis zu 15 Prozent und das obwohl Notenbanken und Regierungen in aller Welt gewaltige Stimulierungsprogramme beschlossen haben oder darüber reden.

imago Images

Was für eine Woche. Sie hat an der Wall Street zu weiteren, deutlichen Kursverlusten geführt. Nach zum Teil gewaltigen Kursschwankungen hat der Dow Jones Industrial am Freitag um weitere 4,6 Prozent nachgegeben auf 19.174 Punkte, der S&P 500 hat um 4,3 Prozent nachgegeben und der Nasdaq Composite um 3,8 Prozent auf 6.880 Zähler. Die Wochenverluste betragen bis zu 15 Prozent und das obwohl Notenbanken und Regierungen in aller Welt gewaltige Stimulierungsprogramme beschlossen haben oder darüber reden. Tatsächlich geht die Nervosität unter anderem von der Ankündigung harter Restriktionen in Kalifornien und New York aus. Immerhin konnten sich am Freitag aufgrund der Interventionen und angekündigten Stützungsmassnahmen einige der Werte erholen, die in den vergangenen Tagen stark unter Druck geraten waren. Dazu zählten die Papiere der Kreuzfahrt-, Spielkasino-, der Luftfahrt- und der Energiebranche. Die Aktien von Carnival, MGM Resorts, United Airlines, Marathon Petroleum, Marriott und Wynn Resorts legten um bis zu 20 Prozent zu. Auf der anderen Seite verbuchten viele Aktien wie zum Beispiel Harley Davidson Einbussen von bis zu 20 Prozent.

Der Absturz des Erdölpreises um bis zu 60 Prozent lässt sich in diesem Zusammenhang positiv sehen. Denn er bedeutet niedrigere Kosten und diese Entwicklung würde die Konjunktur beleben. Abgesehen von der amerikanischen Schieferölindustrie natürlich. Dort würde es aufgrund der hohen Verschuldung der in diesem Bereich tätigen Firmen wohl zu einer Insolvenzwelle kommen, wenn der Erdölpreise über längere Zeit auf dem niedrigen Niveau bleiben sollte. In den vergangenen Tagen haben die Renditen der von amerikanischen Unternehmen ausgegebenen Hochzinsanleihen deutlich angezogen. Der Renditeaufschlag ist inzwischen so hoch, wie zuletzt im Rahmen der Lehman-Finanzkrise.

Die Regierungen und Notenbanken waren mit ihren Rettungsschirmen bei der Hand. Allerdings helfen die nur bedingt. Denn die Anleger an den Finanzmärkten sind weiterhin verunsichert von den enormen Kursturbulenzen der vergangenen Tage. Der wirtschaftliche Stillstand, der Ölpreiskrieg, aufkommende Panik und vor allem auch die voraussehbar schwache Liquidität in bestimmten Bereichen hat zu einer toxischen Kettenreaktion. Viele Unternehmen Bunkern flüssige Mittel und stellen sich so auf die kargen Tage ein. In diesem Zusammenhang nehmen sie die von ihren Hausbanken eingeräumten Kreditlinien in Anspruch und horten das Geld. Die Finanzinstitute wiederum müssen die sprunghafte Ausweitung des Kreditgeschäfts bilanzieren und lösen im Gegenzug Wertpapierpositionen auf. So führt die allgemeine Nervosität zu weiteren Verwerfungen an den Bondmärkten.

Wie geht es weiter an der Börse? Was auf der Hand liegt: Gelingt die Eindämmung der Pandemie innerhalb der nächsten Wochen in Europa und den USA, gehen die Neuinfektionen rasch zurück, so werden Anleger wieder Hoffnung schöpfen und in den Markt zurückkehren. Das könnte im optimistischen Szenario in einer fulminanten Rally münden. Noch heißt es jedoch, Geduld bewahren, bis ein Boden gefunden ist. Die ernüchternde Bilanz bisher: Der DAX liegt gegenüber seinem Hoch von Mitte Februar rund 40 Prozent im Minus, beim breiten US-Index S & P 500 sind es etwas über 30 Prozent. Das ist einiges. Doch Börsianer haben in der jüngeren Vergangenheit schon gravierendere Abstürze erlebt. Nach der -Finanzkrise fiel der S & P 500 um fast 60 Prozent gegenüber dem Hoch, der DAX um 55 Prozent. Ähnelte die Corona- der Finanzkrise, so läge das Gröbste hinter uns. Nach Platzen der Dotcom-Hausse stürzte der DAX über 70 Prozent ab. Hoffen wir, dass es so dick nicht kommt. Positiv: Gegen Ende der vierten schmerzhaften Börsen-woche in Folge trug der DAX wieder einmal grüne statt rote Farbe.​

Die Krisenstimmung hat den Edelmetallhändlern zuletzt ein exzellentes Geschäft bereitet. So meldeten sowohl Degussa als auch Pro Aurum vergangene Woche lange Schlangen vor ihren Geschäften. Wer aber auf einen Preisanstieg von Gold gesetzt hatte, dürfte enttäuscht sein. Denn die Notierung rutschte vergangene Woche trotz der Turbulenzen pro Feinunze auf 1480 US-Dollar ab. Die Gründe für die unerwartete Entwicklung sind vielfältig. So ist die Nachfrage nach Goldschmuck in Asien eingebrochen. Zudem bremst die Angst vor einer Rezession die Käufer, die das Edelmetall industriell nutzen wollen. Am stärksten auf den Preis gedrückt haben dürfte aber ein weiterer Faktor. Viele Investoren haben ihre Goldbestände zuletzt am Markt verkauft, um sich die nötige Liquidität zu sichern. Denn viele der Geldprofis müssen derzeit gezwungenermaßen Cash generieren, da bei stark fallenden Börsenkursen viele Banken und Broker von ihren Kunden zusätzliche Bargeldreserven verlangen. Das gilt vor allem dann, wenn sich die Kunden zuvor bei der Bank viel Geld geliehen haben. Zudem mussten zuletzt auch diejenigen Fondsmanager ihre Goldbestände versilbern, deren Edelmetallquote in ihrem Portfolio wegen der fallenden Aktienbewertung über das erlaubte Maß von zehn Prozent angestiegen war.

Die Nerven liegen blank bei den Profifußballern in Deutschland. Denn sollte die Bundesligasaison vorzeitig beendet sein, dürften den 36 deutschen Profivereinen knapp 750 Millionen Euro fehlen. Wie groß die Probleme sind, zeigt sich an den gefallenen Kursen der Anleihen, die einige deutsche Profiklubs ausgegeben haben. Die Bonds von Schalke 04, Hertha BSC und des Zweitligaklubs HSV notieren zuletzt weit unter ihren Emissionspreisen. Für die Fan-Papiere werden aufgrund der Insolvenzgefahr inzwischen nur noch zwischen 70 (Hertha) und 90 Prozent (HSV) ihres Nominalwerts bezahlt. Doch auch wirtschaftlich erfolgreichere Klubs wie der BVB spüren die Folgen des Shutdowns. Die einzige Fußballaktie in Deutschlands ist in den vergangenen vier Wochen um rund 50 Prozent in die Tiefe gerauscht.

Die fallenden Aktienkurse haben weltweit eine gut informierte Käuferschicht angelockt — die Insider. Soll heißen: Führungskräfte in Unternehmen greifen bei Aktien der eigenen Konzerne derzeit so kräftig zu wie seit 1999 nicht mehr. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung vom Datenanbieter 2iQ Research. Vorstände und Aufsichtsräte haben demnach im März 4,5 mal so viele eigene Aktien gekauft als veräußert. „Insider kaufen massiv und hatten in der Vergangenheit ein recht gutes Händchen, beim Tiefstand des Markts zuzugreifen“, sagte Patrick Hable, geschäftsführender Gesellschafter bei 2iQ Research. Besonders viele eigene Aktien wurden in Italien und Spanien erworben, europaweit waren Energie- und Finanztitel sehr gefragt. Insiderkäufe gelten als Top-Indikator für die Unterbewertung von Aktien, da Führungskräfte dank ihres Know-hows erkennen, ob die Anteilsscheine zu günstig gehandelt werden.


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