Tichys Einblick
Der Marktausblick

Schwache Autoindustrie belastet deutsche Konjunktur

Wir schaffen das! Die deutsche Wirtschaft leidet jetzt spürbar unter der populistischen Politik Merkels. Die Weltwirtschaft verschafft keine Erleichterung.

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War’s das jetzt? Die Erholung des DAX während der Woche machte Börsianern wieder Mut. Die Korrektur hat ja auch bereits stattliche Ausmaße erreicht: Seit dem Hoch Ende Januar hat der Leitindex in der Spitze über 20 Prozent verloren.  Früher hätte man das einen Crash genannt; aber auch in der Wirtschaft greift die übliche Regierungslobhudelei um sich. Das Umfeld wird jedoch nicht besser. Die Konjunkturabschwächung in Europa fällt umso gravierender aus, je härter der Zollkonflikt wird. Und Pessimisten blicken ängstlich nach Frankfurt, wo die Europäische Zentralbank mit dem soeben beschlossenen Ende des Anleiheaufkaufprogramms ein Lebenserhaltungssystem abgestellt hat, das in den vergangenen Jahren öffentliche Haushalte de facto versorgte und Bankbilanzen stützte. Was jetzt passiert? Erst mal nicht viel. Der europäische Patient atmet inzwischen selbstständig. Aber leider gerade mal so. Börsianer drücken die Daumen, dass er sich nicht ausgerechnet jetzt eine Grippe einfängt. Sie sind schon gespannt auf die Quartalsergebnisse, die Europas Unternehmen ab Mitte Januar liefern. Doch das dauert noch. Die Wall Street bleibt somit einstweilen der wichtigste Taktgeber für den DAX.

Es ging weiter bergab

Und da ging es am Freitag wieder einmal bergab. Diesmal setzten Sorgen um die Weltwirtschaft der Wall Street zu. Ebenfalls für Druck auf die Kurse sorgten einige negative Unternehmensnachrichten. Der Dow Jones Industrial weitete seine Verluste im Handelsverlauf zusehends aus und schloss zwei Prozent im Minus bei 24.101 Punkten. Auf Wochensicht verbuchte das Börsenbarometer damit nach dem Erholungsversuch zur Wochenmitte einen Rückgang von 1,2 Prozent. Bereits in der vergangenen Woche hatte der Dow mit minus viereinhalb Prozent so deutlich wie seit März nicht mehr an Wert eingebüßt.
Auch die anderen US-Indizes standen am Freitag unter Feuer: Der marktbreite S&P 500 verlor letztlich 1,9 Prozent auf 2.600 Punkte und der technologielastige Auswahlindex NASDAQ 100 büßte 2,6 Prozent auf 6.595 Zähler ein.

Schwache Konjunkturdaten aus China und maue Einkaufsmanagerindizes aus Europa untermauerten die Befürchtungen der Anleger, dass sich die Weltwirtschaft abkühlt, hieß es von Analysten. Die jüngsten, besser als erwartet ausgefallenen Wirtschaftskennziffern aus den USA konnten dies ebenso wenig kompensieren wie erste Fortschritte im US-chinesischen Handelsstreit.

Die Regierung in Peking kündigte am Freitag an, die hohen Sonderabgaben auf Importe von in den USA gefertigten Autos und Autoteilen für drei Monate auszusetzen. Die Zurückhaltung chinesischer Autokäufer wegen des Zollstreits war ein Grund für die schwachen China-Wirtschaftsdaten. Die jetzige Entscheidung erfolgt angesichts des 90-tägigen „Waffenstillstands“ im Handelskrieg, auf den sich US-Präsident Donald Trump und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am 1. Dezember in Buenos Aires geeinigt hatten.

Die Aktien der amerikanischen Autobauer General Motors und Ford wurden davon etwas gestützt: Mit einem geringen Minus von 0,03 Prozent (GM) beziehungsweise plus 0,24 Prozent (Ford) schlugen sie sich im sehr schwachen Markt noch recht wacker. Die Experten der Deutschen Bank bescheinigen beiden Papieren in einer aktuellen Studie hohes Kurspotenzial. Während die Autoindustrie vor einem Richtungswechsel und womöglich einer Konsolidierung stehe, traut Analyst Emmanuel Rosner beiden US-Herstellern kräftig anziehende Ergebnisse zu. Auslöser hierfür sieht er in der Restrukturierung der Hersteller mit Änderungen im Portfolio und neuen Partnerschaften.

Nachrichten aus der Pharmabranche stießen dagegen auf ein negatives Echo am Markt. Für Titel von Merck & Co ging es um über drei Prozent bergab, nachdem der Konzern einen Ausbau seines Geschäfts mit Tiergesundheit bekannt gegeben hatte. Dazu kaufen die Amerikaner die französische Antelliq für bis zu 2,1 Milliarden Euro in bar. Außerdem übernehmen sie die Verschuldung von 1,15 Milliarden Euro, welche kurz nach der Transaktion zurückgezahlt werden soll. Der Anbieter von digitalen Lösungen für Tierärzte und Bauern zur Identifikation und Überwachung von Tierbeständen gehörte bislang dem Finanzinvestor BC Partners.

Papiere des Merck-Konkurrenten Johnson & Johnson sackten nach einem kritischen Medienbericht zu Inhaltsstoffen in Babypuder um rund zehn Prozent ab – damit lagen sie abgeschlagen am Dow-Ende. Dass der Konzern in Reaktion auf den Bericht beteuerte, sein Babypuder sei sicher und asbestfrei, half dem Kurs der Aktie nicht, die zuletzt noch nahe ihres Rekordhochs notiert hatte. Analyst Chris Schott von der Investmentbank JPMorgan hielt die negative Kursentwicklung indes für übertrieben. Der Inhalt des Berichts sei bereits bekannt und die finanziellen Risiken in dieser Angelegenheit dürften kaum in die Nähe der rund 40 Milliarden US-Dollar rücken, welche das Unternehmen dadurch an Börsenwert verloren habe, so der Experte.

Die Konjunktur macht es nicht besser

Nun bestätigt auch das Ifo-Institut, dass die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr eine Abkühlung der Konjunktur zu erwarten hat. „Die durch die Autoindustrie ausgelöste Schwächeperiode zieht sich noch bis 2019 hin. Zudem dämpfen mannigfache Unsicherheiten die Weltkonjunktur, vor allem Brexit, Italien und die US-Handelspolitik“, erklärte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Der Ifo-Winterprognose 2018 zufolge wird das Wirtschaftswachstum in Deutschland daher von 1,5 Prozent in diesem Jahr auf 1,1 Prozent 2019 zurückgehen. Für 2020 erwartet das Ifo-Institut dann ein Anziehen auf 1,6 Prozent. Zuvor hatte das Ifo-Institut noch mit 1,9 Prozent für 2018 und 2019 gerechnet und mit 1,7 Prozent für 2020.

Ein negatives Bild zeichnet auch das Analystenklima in den internationalen Finanzleitmedien. Für Deutschland fällt der Rückgang des Klimabarometers im Vergleich zum Vorjahr besonders stark aus: von plus 30 auf minus sieben (Überhang positiver über die negativen Wertungen in Prozent). „Die Analysteneinschätzungen lassen für Deutschland von der Exportseite für 2019 nicht viel Gutes erwarten“, so Matthias Vollbracht, Leiter Wirtschaftsanalyse bei Media Tenor International in Zürich. „Nach Jahren des ungebremsten Wachstums könnte das Klima im kommenden Jahr zu einer starken Bremse für Wachstum und Investitionen werden“, so Vollbracht. Denn zu wichtigen Handelspartnern Deutschlands waren die Finanzexperten deutlich negativ gestimmt. In Zahlen: Für die USA verringert sich das Klimabarometer von plus 24 auf minus neun. Zu China fällt der Wert von plus 22 auf minus 16, zu Frankreich von plus 33 auf plus fünf, zur Eurozone von plus 15 auf minus vier. Bei einigen Märkten zeigen die Einschätzungen der Analysten allerdings auch leicht nach oben: Das Sentiment für Mexiko verbessert sich nach dem Zollabkommen von minus 24 auf minus drei. „Und mit einem harten Brexit scheinen die Analysten auch nicht mehr zu rechnen: Für Großbritannien verbesserte sich das Klima von minus 17 auf nur noch minus zehn, also eher kein Worst-Case-Szenario“, so Vollbracht. Für die Untersuchung wurden insgesamt 11.820 Analystenzitate wie etwa aus dem „Wall Street Journal“ ausgewertet.

Urjit Patel sorgte als Notenbankpräsident der Reserve Bank of India (RBI) vergangene Woche für viel Aufsehen. Nach einem Streit mit der Regierung über eine Lockerung der Bankenregulierung ist Patel zurückgetreten. „Der plötzliche Rücktritt des indischen Notenbankchefs Urjit Patel hat die Börse schockiert. Es wächst die Sorge über die Unabhängigkeit der Zentralbank und die Stärke des Finanzsystems“, erklärt Paul Flood, Portfoliomanager des BNY Mellon Global Multi-Asset Income Fund. „Nachdem die Anleger die Nachricht zunächst schlecht aufgenommen hatten, erholte sich der Markt mit Blick auf die indischen Parlamentswahlen im Mai wieder. Während Patel eine eher falkenhafte Haltung vertreten hatte, dürfte die Zentralbank nun zu einer ausgewogeneren Sichtweise kommen.“ Und eine etwas lockerere Geldpolitik ist bei Aktienanlegern ja durchaus willkommen.


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