Tichys Einblick
Der Marktausblick

Fulminanter Jahresauftakt und die Angst vor Brexit-Abstimmung

Vor drei Wochen klang Fed-Chef Jerome Powell noch deutlich unnachgiebiger und schickt die Wall Street damals auf Talfahrt. Umgekehrt gelingt dem breiten US-Index S & P 500 mit der Kursänderung ein fulminanter Jahresauftakt und mit knapp zehn Prozent Plus die beste Zehn-Tages-Performance seit Juli 2009.

Bryan R. Smith/AFP/Getty Images

Was vor dem Jahreswechsel noch für einen Absturz sorgte, wirkt jetzt als Treiber für die Börsen: Die US-Zentralbank signalisiert Flexibilität auf ihrem Zinserhöhungskurs in Abhängigkeit von der Wirtschafts- und Inflationsentwicklung. Vor drei Wochen klangen Äußerungen von Fed-Chef Jerome Powell noch deutlich unnachgiebiger, und sie schickten die Wall Street damals auf Talfahrt. Umgekehrt gelingt dem breiten US-Index S & P 500 mit der Kursänderung ein fulminanter Jahresauftakt und mit knapp zehn Prozent Plus die beste Zehn-Tages-Performance seit Juli 2009. Dank der jüngsten Kursgewinne liegt der US-Index auch innerhalb der ersten fünf Handelstage des Jahres im grünen Bereich. Statistisch gesehen erhöht das die Wahrscheinlichkeit für eine positive Performance der US-Börse im laufenden Jahr signifikant. Die Erholungsrallye setzte sich in Frankfurt fort, auch der DAX liegt seit Jahresanfang inzwischen im Plus. Das beruhigt die zuletzt arg strapazierten Nerven.

Der Dow Jones Industrial schloss am Freitag zwar mit einem Minus von 0,02 Prozent bei 23.996 Punkten, nachdem er am Vortag erstmals seit rund drei Wochen die Marke von 24.000 Punkten knapp übersprungen hatte. Auf Wochensicht ergab sich für den US-Leitindex indes ein Gewinn von fast 2,5 Prozent. Der marktbreite S&P 500 schloss praktisch unverändert bei 2.596 Zählern. Der technologielastige NASDAQ 100 verlor leicht 0,3 Prozent auf 6601 Punkte.

Unternehmensseitig standen die Aktien von General Motors mit einem Kursgewinn von gut sieben Prozent im Anlegerfokus. Der größte US-Autobauer blickt überraschend zuversichtlich ins neue Geschäftsjahr. GM stellte den Investoren für 2019 ein bereinigtes Ergebnis von 6,5 bis sieben Dollar pro Aktie in Aussicht und übertraf damit die Erwartungen der Wall Street deutlich. Zudem gab GM bekannt, im abgelaufenen Geschäftsjahr besser als angenommen abgeschnitten zu haben.

Die beiden Flugzeughersteller Boeing und Embraer sind ihrem geplanten Zusammenschluss näher gekommen. Brasilien will kein Veto gegen das Geschäft einlegen. Im Zuge des Deals soll Boeing für 4,2 Milliarden US-Dollar 80 Prozent am Verkehrsflugzeug- und Service-Geschäft von Embraer übernehmen. Allerdings müssen noch die Aktionäre und diverse Behörden dem Deal zustimmen. Die Boeing-Papiere, die seit Weihnachten um satte 20 Prozent nach oben geschnellt sind, notierten am Freitag kaum verändert.

Die A-Aktien von Alphabet verloren 1,3 Prozent. Der Verwaltungsrat des Google-Mutterkonzerns ist wegen seines Umgangs mit sexueller Belästigung im Unternehmen und mit einem Datenleck von Aktionären verklagt worden. Dem Online-Riesen wird eine „Kultur der Verheimlichung“ vorgeworfen, wie aus der am Donnerstag bei einem Gericht im kalifornischen San Mateo eingereichten Klageschrift hervorgeht.

Immer noch belastend wirkt der Haushaltsstreit in den USA, der für 800.000  Angestellte des öffentlichen Diensts unangenehme Folgen hat, weil sie auf ihre Gehaltschecks warten. Warten müssen in den USA auch Politiker wie Analysten auf belastbare Wirtschafts- und Konjunkturdaten der von der Schließung („Shutdown“) betroffenen Behörden. So veröffentlichen weder das Handels- noch das Landwirtschaftsministerium derzeit wichtige Statistiken. „Für die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger und nicht zuletzt für die Fed heißt dies, dass sie gegenwärtig im Blindflug unterwegs sind“, so Commerzbank-Analyst Bernd Weidensteiner. Der Finanzdienstleister S & P schätzt derweil, dass der US-Wirtschaft durch den Shutdown bereits 2,5 Milliarden Dollar entgangen seien.

Die italienische TV-Gruppe Mediaset unter Kontrolle des Ex-Premiers Silvio Berlusconi will internationaler werden. So plant das an der Mailänder Börse notierte Unternehmen laut Insiderkreisen ein europäisches TV-Netzwerk mit Verzweigungen in Deutschland, Spanien und Frankreich. In Spanien besitzt Mediaset eine 51,6-prozentige Beteiligung an Mediaset España, der stärksten privaten TV-Gesellschaft im Land mit einer Kapitalisierung von 1,9 Milliarden Euro. In Deutschland und Frankreich ist der von Berlusconis Sohn Piersilvio geführte Konzern auf der Suche nach einem Partner. Medien spekulieren über eine Allianz mit ProSiebenSat.1. In Frankreich käme TF1 infrage. Nach dem Bruch der Partnerschaft mit dem französischen Medienkonzern Vivendi 2016 sucht Mediaset nach neuen Wegen zu internationalem Wachstum, um der Konkurrenz von Netflix standhalten zu können. Inzwischen will Mediaset im neuen Jahr seine Position im Radiogeschäft konsolidieren. Im September hatte die TV-Gruppe das komplette Aktienpaket an RMC Italia, Eigentümer von Radio Monte Carlo, erworben. Berlusconis Mediaset rechnet im laufenden Jahr mit wachsenden Werbeeinnahmen. Der Konzern kooperiert seit Kurzem auf seinem Heimatmarkt Italien mit dem bisherigen Konkurrenten Sky. Wie Mediaset mitteilte, werden künftig mehrere Bezahlsender auf dem Sky-Satelliten-system zu empfangen sein. Im Gegenzug darf Sky Italia das Pay-TV-System von Mediaset nutzen, um eigene Angebote ans Publikum zu bringen.

Kommenden Dienstag wird sich zeigen, ob das britische Unterhaus die Brexit-Pläne von Premier Theresa May tatsächlich ablehnt. Deutschen Firmen schätzen die Wahrscheinlichkeit für einen harten Brexit jedenfalls auf durchschnittlich 43 Prozent. Das ergab eine Umfrage des Ifo Instituts im Dezember unter rund 1.300 Industrieunternehmen. Genau 60 Prozent der Unternehmen gaben an, dass ihr Umsatz von einem harten Brexit betroffen wäre, das Ausmaß aber beherrschbar sei: Nur auf sechs Prozent des Umsatzes würde sich ein harter Brexit überhaupt auswirken. Von den vermutlich betroffenen Unternehmen gaben 70 Prozent an, der Umsatz würde von einem harten Brexit negativ beeinflusst, 28 Prozent erwarten keine Auswirkungen auf den Umsatz, und zwei Prozent sehen sogar positive Auswirkungen.