Tichys Einblick
Der Marktausblick

Erster Optimismus im unsicheren Umfeld

Viele wollen wissen, wie und wann Strom und Gas wieder günstiger werden, aber kaum jemand in der Politik interessiert sich für die Funktion des Energiemarktes. „Das ist extrem technisch“, sagte Ministerpräsident Mark Rutte am Rande des EU-Gipfels. Kanzler Olaf Scholz will keine Beschlüsse, die zwar theoretisch gut seien, aber deretwegen es hinterher in der Praxis kein Gas gebe.

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Gleichwohl ist die nun am Gipfel gefundene Beschlusslage ein großer Murks. Sie hat vier zentrale Elemente. Die Kommission soll einen Preis-„Korridor“ entwickeln, der die Volatilität der Preise dämpfen soll. Der französische Präsident Emmanuel Macron sprach davon, dass im kurzfristigen Gasgroßhandel der Preis nur noch eine maximale Abweichung von den Preisen des Vortages aufweisen dürfe. Man wolle „Episoden überhöhter Gaspreise begrenzen“, heißt es in den Schlussfolgerungen.

Mit Marktwirtschaft hat das alles nichts zu tun und wird eher dazu führen, dass Energie rationiert werden muss, als die Preisbewegungen zu stoppen. Auch die Erlaubnis, Einkaufskartelle unter den Gasimporteuren für die gemeinsame Beschaffung einer bestimmten Menge Erdgas zuzulassen, wird nichts nützen. Für niedrigere Preise – da führt kein Weg dran vorbei – braucht es eine Ausweitung des Angebots. Je schneller wir das Fracking erlauben, desto eher gibt es eine Entlastung an der Preisfront.

Bis es soweit ist, wird es an den Finanzmärkten weiter turbulent zugehen. Dazu trug in der vergangenen Woche auch die Regierungskrise in Großbritannien bei. Manche Marktteilnehmer wie der frühere US-Finanzminister Larry Summers fürchten, dass sich die Verwerfungen an der Londoner Börse ausbreiten könnten: „Was im Vereinigten Königreich passiert ist, ist zum Teil eine selbst zugefügte Wunde, zum Teil aber auch eine Folge dessen, was im globalen System passiert“, wie er am letzten Freitag auf der Jahrestagung des Institute of International Finance meinte. „Und wenn man Erschütterungen hat, muss der Grund nicht unbedingt ein Erdbeben sein, aber man sollte wahrscheinlich über Erdbebenschutz nachdenken.“ Auch JP Morgan-CEO Jamie Dimon ist vorsichtig geworden: „Der wahrscheinliche Ort, an dem wir einen stärkeren Einbruch und vielleicht auch ein wenig mehr Panik erleben werden, sind die Kreditmärkte. Dabei kann es sich um börsengehandelte Fonds, um ein spezifisches Land oder um etwas handeln, was man gar nicht vermuten würde.“

Zum Wochenschluss wollten die Anleger aber von Problemen nichts wissen. Schwächelnde Anleiherenditen ließen den Dow Jones Industrial am Freitag erstmals seit vier Wochen über 31.000 Punkte steigen lassen. Zum Handelsschluss gewann der US-Leitindex 2,5 Prozent auf 31.083 Punkte. Für die Woche verbuchte er damit – auch dank der deutlichen Gewinne am Montag und Dienstag – ein Plus von 4,9 Prozent.

Der marktbreite S&P 500 legte zu Handelsende am Freitag um 2,4 Prozent auf 3.753 Punkte zu, während es für den mit Technologietiteln gespickten Auswahlindex Nasdaq 100 um 2,4 Prozent auf 11.310 Zähler bergauf ging. Die Wochengewinne der beiden Indizes waren mit 4,7 beziehungsweise 5,8 Prozent die höchsten seit Juni.

Erneut standen die Quartalsberichte im Blick. Das Geschäft der einst explosiv wachsenden Foto-App Snapchat legte kaum noch zu und der Quartalsverlust weitete sich aus. Entsprechend brachen die Aktien des dahinter stehenden Unternehmens Snap um 28 Prozent ein. Seit Jahresbeginn hat das Papier damit bereits über 80 Prozent eingebüßt.

Die Anteile des Mobilfunkanbieters Verizon verloren nach der Bekanntgabe von Geschäftszahlen am Dow-Ende 4,5 Prozent. Das Unternehmen gewann im abgelaufenen Quartal noch weniger neue Mobilfunkkunden als von Analysten erwartet. Zudem belasteten hohe Kosten den Nettogewinn deutlich. Die besser als erwartete Umsatzentwicklung konnte das bei den Anlegern nicht wettmachen.

Für die Titel des Kreditkartenanbieters American Express ging es um 1,7 Prozent bergab. Amex schnitt zwar besser ab als am Markt befürchtet. Allerdings rüstete sich American Express mit überraschend hohen Rückstellungen für Kreditausfälle, die bei einem stärkeren Konjunkturabschwung drohen.

Negative Neuigkeiten gab es auch bei Twitter. Die US-Regierung erwägt Kreisen zufolge, einige Geschäfte des Tesla-Chefs Elon Musk einer Prüfung auf nationale Sicherheitsaspekte zu unterziehen. Dazu soll auch die geplante Übernahme des Kurznachrichtendienstes gehören, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen berichtete. Zudem schrieb die Washington Post unter Berufung auf Insider und vertrauliche Dokumente, dass Musk einen Kahlschlag bei Twitter plane und rund 75 Prozent der Stellen abbauen wolle. Die Aktien sackten daraufhin um 4,9 Prozent ab. Der Ölfeld-Dienstleister Schlumberger überzeugte die Anleger mit einer deutlichen Gewinnsteigerung im vergangenen Quartal, wie der Kurssprung von 10,3 Prozent zeigte.

Am Ende einer überwiegend freundlichen Handelswoche hatte zuvor der Dax noch einen Teil seiner Gewinne wieder abgegeben. Den Markt belastete vor allem die inzwischen dritte Senkung der Jahresziele durch den Sportartikelhersteller Adidas. Stützend wirkten im späteren Verlauf dann die freundliche Wall Street. Der deutsche Leitindex verlor letztlich 0,3 Prozent auf 12.731 Punkte und verbuchte im Wochenverlauf ein Plus von 2,4 Prozent. Der MDax verlor am Freitag 1,5 Prozent auf 22.918 Zähler.

Zu den am stärksten beachteten Aktien zählten Adidas mit einem Kurseinbruch von 9,5 Prozent. Auch die Aktien von Konkurrent Puma wurden in Mitleidenschaft gezogen und büßten 7,3 Prozent ein. Spitzenwert im Dax waren die Anteile von Munich Re, die nach vorgelegten Eckzahlen zum dritten Quartal ins Plus drehten und letztlich um 3,7 Prozent stiegen. Dass der Rückversicherer positiv überraschte und trotz hoher Hurrikan-Schäden an seinem Gewinnziel festhält, gab Auftrieb.

Von der US-Bank JPMorgan auf „Übergewichten“ hochgestuft, legten die Papiere von SAP um 1,8 Prozent zu. Analyst Toby Ogg bezeichnete den Softwarekonzern als Favorit im europäischen Branchenumfeld. Der Kurs spiegelt seiner Ansicht nach zu stark die konjunkturelle Unsicherheit wider, während der laufende Wandel zur Cloud nicht ausreichend wertgeschätzt werde.

Im MDax litten die Aktien von Scout24 unter einem negativen Analystenkommentar und büßten 7,3 Prozent ein. Warburg Research strich, besorgt über das Immobilienumfeld, die Kaufempfehlung für den Online-Portalbetreiber.

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