Tichys Einblick
Der Marktausblick

Die Party geht weiter

„Die Erholung ist weit davon entfernt, vollständig zu sein“, warnt Jerome Powell vor Ökonomen. Das Fazit des Präsidenten der US-Notenbank: Schon ein zu schwaches Hilfsprogramm für die US-Wirtschaft könne zu „unnötigen Härten“ führen. Was also, wenn die US-Politik das avisierte Konjunkturprogramm in Billionenhöhe zu spät oder gar nicht auf den Weg brächte?

© Getty Images

US-Präsident Trump, erst gerade aus dem Corona-bedingten Klinikaufenthalt entlassen, hatte just mit Letzterem gedroht, nur um die Drohung sodann per Twitter teils zurückzunehmen. Die Wall Street reagierte prompt auf die News, zunächst mit harschen Verlusten, hernach mit Erleichterung und Kursgewinnen. Die Börse als Anhängsel von Trumps Twitter-Daumen? Anleger müssen sich in den Wochen bis zur US-Wahl am 3. November also auf Turbulenzen gefasst machen. Der DAX erreichte gleichwohl 13.000  Punkte und schloss am Freitag 0,1 Prozent im Plus bei 13.051,23 Punkten. Auf Wochensicht bedeutet das aber immer noch einen Gewinn von rund drei Prozent.

Gewinner im deutschen Leitindex war am Freitag die Delivery Hero-Aktie mit mehr als 3,5 Prozent im Plus. Gefolgt von der Infineon-Aktie mit 2,7 Prozent im Plus. Die Aussicht auf Übernahmen und Fusionen in der Halbleiterindustrie trieb generell die Kurse von Unternehmen aus der Chipbranche weiter nach oben. Schlusslicht im DAX waren die BASF-Anteile mit mehr als vier Prozent im Minus. Der Chemiekonzern schreibt infolge der Belastungen auch wegen der Corona-Krise einen Milliardenbetrag ab.

Der Kunststoffkonzern Covestro kommt dagegen besser durch die Corona-Krise als noch im Sommer befürchtet. Angesichts anziehender Verkaufsmengen und höheren Kosteneinsparungen dürfte 2020 ein Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von ungefähr 1,2 Milliarden Euro erzielt werden und damit mehr als von Analysten im Durchschnitt aktuell erwartet, wie das Unternehmen am Freitagnachmittag überraschend in Leverkusen mitteilte. Bislang ging Konzernchef Markus Steilemann von 0,7 bis 1,2 Milliarden Euro operativem Ergebnis aus.
Gestiegene Chancen auf neue Konjunkturhilfen zur Abfederung der Corona-Krise ließen die Kurse am US-Aktienmarkt am Freitag weiter steigen. US-Präsident Donald Trump sprach sich laut seinem Wirtschaftsberater Larry Kudlow nun für ein überarbeitetes Konjunkturpaket aus. Dieses werde relativ breit aufgestellt sein, hieß es. Der Dow Jones Industrial ging mit plus 0,6 Prozent auf 28.587 Punkten aus dem Handel. Damit legte der US-Leitindex auf Wochensicht um 3,3 Prozent zu.

Der breit gefasste S&P 500 gewann am Freitag 0,9 Prozent auf 3.477 Punkte. Noch besser sah es für den NASDAQ 100 aus mit plus 1,5 Prozent auf 11.726 Punkte, die Aussicht auf eine milliardenschwere Übernahme in der Chipbranche wirkte hier als Kurstreiber. So bläst der Chipkonzern Advanced Micro Devices laut Insidern mit einem möglichen Kauf von Xilinx zum Angriff auf den großen Rivalen Intel. Ein Deal, der Xilinx mit rund 30 Milliarden US-Dollar bewerten würde, könnte bereits in der kommenden Woche angekündigt werden, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg. Xilinx schnellten um mehr als 14 Prozent nach oben, die AMD-Aktien hingegen verloren knapp vier Prozent. Intel-Papiere gaben um gut ein Prozent nach. Ihren hohen Kursaufschlägen vom Vortag zollten die Anteile des IT-Konzerns IBM Tribut und landeten mit minus 2,8 Prozent am Dow-Ende. Vorne im Leitindex waren Microsoft mit einem Aufschlag von 2,5 Prozent.

Nach dem Einbruch im Zuge des Lockdowns erwarten Finanzexperten wieder einen globalen wirtschaftlichen Aufschwung. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Meinungsklimas in internationalen Finanzleitmedien wie dem „Wall Street Journal“ durch das Züricher Inhaltsanalyseinstitut Media Tenor. Das Analystensentiment mit Bezug auf Deutschland ist inzwischen ebenso positiv wie für die im Wahlkampf befindlichen Länder USA, China und Japan. Der Gesamttrend aller Analystenzitate über alle Asset-Klassen hat sich ebenfalls erholt. Es gibt aber auch Länder und Regionen, bei denen kein Aufwärtstrend in Sicht scheint. So sank das Klimabarometer für Großbritannien angesichts der anhaltenden Brexit-Unsicherheit von minus 15 im zweiten Quartal auf minus 21. Andere Trends werden deutlich, wenn man statt der Quartals- auf die Jahreswerte schaut: „Für die reichen Ölstaaten wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate ist vor allem der Langfristtrend besorgniserregend: Seit dem Höhepunkt von plus 35 im Jahr 2012 hat sich der Saldo von positiven und negativen Wertungen auf zuletzt minus 55 verschlechtert“, so Matthias Vollbracht, Research-Leiter bei Media Tenor. Die Finanzanalysten sehen in absehbarer Zukunft offenbar keine wachsende Nachfrage nach Öl, auch weil der Trend in Richtung erneuerbare Energien geht. Insgesamt wurden über 647.000 Aussagen ausgewertet.

Im US-Kongress verdichten sich die Pläne, die großen Techkonzerne zu einem faireren Wettbewerb zu zwingen. In einem Untersuchungsbericht bringen die Abgeordneten auch eine Zerschlagung „bestimmter dominierender Plattformen“ ins Gespräch. Der Wettbewerbsunterausschuss im Repräsentantenhaus kam in dem am Dienstag veröffentlichten Bericht zu dem Schluss, dass Amazon, Apple, Facebook und Google ihre Marktmacht missbraucht hätten. Unternehmen, die einst selbst „rauflustige Start-ups“ gewesen seien, „haben sich in jene Art von Monopolen verwandelt, wie wir sie zuletzt in der Ära der Ölbarone und Eisenbahnmagnaten gesehen haben“, heißt es. „Diese Firmen haben zu viel Macht“ — und diese Macht müsse eingeschränkt und einer angemessenen Aufsicht unterstellt werden. Die Republikaner stimmen weitgehend mit der Schlussfolgerung der Demokraten überein, dass die vier großen Techkonzerne zu viel Macht angehäuft haben. Im Gegensatz zu den Demokraten wollen sie aber keine neuen Kartellgesetze verabschieden.

0ffene Immobilienfonds sind insbesondere bei Sicherheit suchenden Anlegern ein Renner. Nun hat Scope die Renditeentwicklung von 16 Offenen Immobilienfonds untersucht, deren Portfolios überwiegend aus Gewerbe-immobilien bestehen und die vor 2019 aufgelegt wurden. Zusammen verwalten die Fonds aktuell rund 100 Milliarden Euro. Ergebnis: Nach Abzug der Fondskosten blieb Anlegern im Jahr 2019 eine durchschnittliche Performance von 3,0 Prozent. Doch für das Gesamtjahr 2020 erwartet Scope nur noch eine Durchschnittsrendite von 1,5 bis 2,0 Prozent. Einzelne Fonds können auch negative Renditen ausweisen.​


Weitere Meldungen und Kommentare zu Wirtschaft und Börse lesen Sie auf unserer Partner-Site

www.boerse-online.de

Anzeige