Tichys Einblick
Gedränge-Index, G7-Treffen

Börsenausblick: Gedränge bei Spitzenwerten

Alle auf einen Haufen - das ist auch an der Börse gefährlich. Und Bundesanleihe mit Negativzins.

AFP/Getty Images

Die US-Investmentbank Goldman Sachs warnt Anleger davor, dass außergewöhnlich viele Hedgefonds große Beträge auf die gleichen Aktien setzten. Damit verstärkten sie das Momentum für diese Titel. Sollte es zu einer Korrektur an den Börsen kommen, könnten die professionellen Investoren alle gleichzeitig versuchen, die Aktien loszuwerden und somit deren Kursrückgänge erheblich verstärken. In einer Analyse von 835 Hedgefonds, die zusammen 2,1 Billionen Dollar in Aktien angelegt haben, tauchen Amazon und Facebook am häufigsten unter den Topholdings auf. Der von Goldman Sachs berechnete „Gedränge-Index“ steht auf dem höchsten Stand seit zwei Jahren, wenn auch deutlich unter dem Niveau von 2016. Goldman macht auch darauf aufmerksam, dass Hedgefonds in großem Stil von Technologie- in Healthcare-Aktien umschichteten. Gesundheit sei nun der gegenüber dem Russell 3000 Index am stärksten übergewichtete Sektor.

Zum ersten Mal hat Deutschland in dieser Woche eine Bundesanleihe mit 30 Jahren Laufzeit zu einem Zinssatz von null begeben. Derzeit liegen die Renditen sämtlicher Schuldtitel des Bundes im negativen Bereich. Spiegelbildlich zu den Renditen schwingen sich die Kurse zu immer neuen Höchstständen auf. Der Bloomberg Barclays Global Aggregate Bond Index, der den breiten Anleihemarkt abdeckt, hat seit Beginn des Jahres über sieben Prozent zugelegt. 30-jährige Bundesanleihen stiegen um fast 30 Prozent, eine 100-jährige Anleihe Österreichs sogar um 66 Prozent. Großen Investoren wie Pimco, Allianz Global Investors, Barings oder Fidelity wird die Bondrally langsam unheimlich. Sie nehmen Gewinne mit und fahren ihr Engagement in Staatsanleihen zurück, vor allem bei europäischen Titeln. Auch der deutsche Null-Kupon-Bond fand weniger Abnehmer als geplant. Andere Markt­beobachter glauben indes nicht, dass die Luft bei Bonds raus ist. Martin Hüfner, Chefvolkswirt bei Assenagon, sieht gute Gründe dafür, dass die Zinsen noch weiter fallen könnten. Zum Beispiel die Zinssenkungswelle bei den Zentralbanken oder die Verlangsamung der Weltkonjunktur. Weniger Wachstum sollte auch die Inflation drücken, was für niedrigere Zinsen spreche, so Hüfner.

Immer wenn sich die Staats- und Regierungschefs der sieben größten westlichen Industrienationen zum G7-Treffen versammeln, wird ausgelotet, wie eng sie in einer sich verändernden Welt noch zusammenstehen. Im französischen Biarritz wird nun an diesem Wochenende nach Einschätzung von diplomatischer Beobachter intensiver als bislang geprüft, ob der Puls überhaupt noch fühlbar ist. Denn seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump wird wieder Klartext gesprochen und nicht mehr jede Differenz weggekuschelt. Gastgeber Emmanuel Macron hat deshalb vorsorglich angekündigt, dass es diesmal keine gemeinsame Abschlusserklärung zu den Themen Weltwirtschaft und Außenpolitik geben werde – das vermeidet offensichtlichen Streit.

Und die Liste der Streitthemen ist lang. Zuallererst steht da die Debatte über die Einführung einer Digitalsteuer – in der Gastgeber Macron der Anheizer des transatlantischen Konfliktes ist. Im Alleingang hat er eine dreiprozentige französische Digitalsteuer beschlossen, die vor allem US-Internet-Konzerne wie Apple, Google und Facebook belasten dürfte. Das wiederum bringt Trump auf die Barrikaden, der mit Strafzöllen gegen französische Produkte droht – damit aber wiederum die für Handel zuständige EU insgesamt treffen könnte. Nun drohen die Bemühungen der Industriestaaten gestört zu werden, weltweit eine Mindestbesteuerung von Unternehmen zu verabreden. Deutschland steht in dem Streit etwas zwischen den Fronten, weil es zwar die Besteuerung will und Frankreichs Ziele teilt, aber keinen nationalen Weg gehen möchte.

Differenzen gibt es auch im Umgang mit der schwächelnden Weltwirtschaft und einer in Deutschland drohenden Rezession in diesem Jahr, die die gesamte Euro-Zone belasten würde. Sollte etwa Trump auf Konjunkturspritzen zur Ankurbelung der Wirtschaft pochen, werde die Bundesregierung deutlich machen, dass sie weiter zur schwarzen Null – also einem ausgeglichenen Haushalt – stehe, heißt es in Regierungskreisen in Berlin. Merkel dürfte dem US-Präsidenten auch in dem geplanten bilateralen Gespräch sagen, dass er selbst mit einer Beilegung der Handelskonflikte den größten Beitrag zu einem Aufschwung leisten könnte.

Auch über außenpolitische Themen wird gestritten – etwa über den Umgang mit dem Iran. Während die USA eine harte Haltung der Partner fordern, hat das britische Gibraltar gerade einen beschlagnahmten iranischen Tanker freigegeben. In der China-Politik ist man sich zwar einig, dass die Regierung in Peking keine Gewalt gegen die Demonstranten in Hongkong anwenden sollte. Aber während Trump auch hier einen Konfrontationskurs mit Peking fördert, setzen die Europäer auf sanftere Töne – auch, weil China anders als die USA Partner im Atomabkommen mit dem Iran oder auch bei den Klimaschutzzielen ist. Gastgeber Macron hat auch eine Reihe anderer Staaten wie Indien, Chile, Australien oder einige afrikanische Länder eingeladen, um über Themen wie Ungleichheit, Digitalisierung und das Klima zu reden.

Wie schwierig das Lavieren zwischen den Positionen wird, zeigt sich vor allem am britischen Premier Johnson. Einerseits wendet er sich von den EU-Partnern mit dem Brexit ab und hofft auf Sonderbeziehungen zu den USA. Andererseits stehe er bei Themen wie Klima, Iran oder Russland eng an der Seite der (Nicht)EU-Partner, wird in London betont.

Unverblümt, wenn nicht schon unverschämt wirken die offen formulierten Forderungen des US-Präsidenten gegenüber der US-Notenbank. Eine Zinssenkung um 100 Basispunkte fordert Trump von Fed-Chef Jerome Powell, der am internationalen Zen­tralbanker-Symposium in Jackson Hole teilnimmt. In seiner Eröffnungsrede am Freitag betonte Powell einerseits die Unabhängigkeit der Fed, anderseits wies er auf die gute Verfassung der US-Wirtschaft hin. Weitere Zinssenkungen werden damit wieder weniger wahrscheinlich, woraufhin die Börsen in aller Welt am Freitagnachmittag verschnupft reagierten. Trump wird indes weiter Druck machen, der US-Präsident fürchtet um den US-Aufschwung, der ihm im kommenden Jahr die Wiederwahl sichern soll.
Neben den verringerten Zinshoffnungen trieb auch die jüngste Eskalation des Handelskonflikts zwischen den USA und China die Anleger aus dem Aktienmarkt. China kündigte neue Vergeltungszölle auf US-Importe an, nachdem die USA Anfang August ähnliche Maßnahmen beschlossen hatten. US-Präsident Donald Trump reagierte kurz darauf mit Verbaltattacken.

Das „Wie Du mir, so ich Dir“ im internationalen Handelskonflikt schürte bei den Anlegern einmal mehr die Furcht vor einer Abkühlung der Weltwirtschaft. Insofern knickte der Dow Jones Industrial um 1,9 Prozent auf 25.752 Punkte ein. Der marktbreite S&P 500 sackte um zwei Prozent auf 2.863 Punkte ab. Für den technologieorientierten NASDAQ 100 ging es um 2,7 Prozent auf 7.496 Zähler nach unten.

China will im Handelsstreit mit den USA zusätzliche Zölle in Höhe von 5 bis 10 Prozent auf Waren mit einem Volumen von 75 Milliarden US-Dollar erheben. Die Zölle sollen in zwei Schritten am 1. September und 15. Dezember angehoben werden. Auf Sojabohnen und Erdölimporte ist ab September ein Zusatzzoll von fünf Prozent vorgesehen. Autozölle in Höhe von 25 Prozent sollen am 15. Dezember wieder aufgenommen werden. Die US-Regierung hatte Anfang August neue Strafzölle von zehn Prozent auf chinesische Importe im Wert von rund 300 Milliarden US-Dollar angekündigt.

Unter den Einzelwerten zogen die Aktien von Software-Anbietern besonders deutlich an. Die Papiere von Intuit zum Beispiel stiegen um rund drei Prozent. Das Unternehmen hatte mit seinen jüngsten Quartalszahlen positiv überrascht. Auch die Anteilscheine von Salesforce verzeichneten ein Plus von rund drei Prozent. Der Konzern hatte die Experten mit seinem Optimismus überrascht: Nach starken Quartalszahlen hob das Unternehmen seine Jahresziele an. Im zweiten Geschäftsquartal war der Umsatz um gut ein Fünftel gestiegen.

Beim Computerkonzern HP hingegen war der Umsatz im dritten Geschäftsquartal nahezu unverändert geblieben und lag damit unter der Durchschnittsprognose der Analysten. Zudem steht beim Unternehmen ein Chefwechsel bevor. Dion Weisler, der den PC-Riesen seit der Trennung von der Unternehmenssparte im Jahr 2015 leitete, wird von Enrique Lores abgelöst, der zuletzt unter anderem die Druckersparte führte. Die Aktien sackten um mehr als sechs Prozent ab. Um rund 17 Prozent ging es für die Papiere von Foot Locker abwärts. Der Sportartikelhändler hatte mit seinen Umsatz- und Ergebniszahlen zum zweiten Quartal die Konsensschätzungen verfehlt.

Zuvor hatte sich auch der Wind in Frankfurt schon gedreht. Nach einem optimistischen Vormittag drehte der Dax am frühen Nachmittag ins Negative und schloss mit 1,2 Prozent im Minus bei 11.612 Punkten. An der Dax-Spitze schloss am Freitagnachmittag Wirecard. Im Stahlsektor sorgten zudem Berichte über Gespräche zwischen Thyssenkrupp und Klöckner & Co für Antrieb. Die Schlusslichter bildeten Daimler und BMW.

Auch wenn die japanischen Exporte im Juli zum achten Mal in Folge gefallen sind, geht es vielen Unternehmen im Land der aufgehenden Sonne überdurchschnittlich gut. Sie erzielen aktuell historisch hohe Gewinne und Margen. Das verschafft den Vorständen erheblichen Spielraum für Investitionen, um das zukünftige Wachstum anzukurbeln, und für Ausschüttungen an die Aktionäre, meinen Ernst Glanzmann und Reiko Mito von GAM Investments. Der leer gefegte Arbeitsmarkt verspreche zudem ein gutes Einkommenswachstum, das den Konsum weiter ankurbeln sollte.
Das zeigt sich auch in der Performance vieler Japan-Fonds: Seit Jahresanfang liegen die Top-Portfolios — zugegeben mit Rückenwind durch den starken Yen — zwischen 15 und 20 Prozent im Plus. Gleichzeitig sind japanische Aktien den GAM-Managern zufolge im Durchschnitt günstiger bewertet als zur Zeit der Finanzkrise.


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