Tichys Einblick
Der Marktausblick

Börsen: Indizes, Inflation, Inhaftierung

Das Hin und Her im Handelskonflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China drückte zunehmend auf die Stimmung. Vor dem Wochenende suchten Anleger daher lieber sicherere Häfen.

© Drew Angerer/Getty Images

Nach drei Erholungstagen gingen die US-Börsen am Freitag wieder auf Talfahrt. Der US-Leitindex Dow Jones Industrial fiel wieder unter die Marke von 24.000 Punkten. Das Hin und Her im Handelskonflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China drückte zunehmend auf die Stimmung. Vor dem Wochenende suchten Anleger daher lieber sicherere Häfen.

Der teils enttäuschende Arbeitsmarktbericht für März hingegen hatte Marktbeobachtern zufolge keine größere Auswirkung. Auch die Rede des US-Notenbank-Präsidenten Jerome Powell in Chicago ergab nichts Neues hinsichtlich des künftigen geldpolitischen Vorgehens der Fed.

Der Dow ging mit einem Abschlag von 2,3 Prozent auf 23.933 Punkte ins Wochenende, was auf Sicht der vergangenen fünf Handelstage ein Minus von 0,7 Prozent bedeutet. Für den breit gefassten S&P 500 ging es am Freitag um 2,2 Prozent auf 2.604 Punkte abwärts. Der NASDAQ 100 verlor 2,5 Prozent auf 6.433 Punkte. Er büßte damit im Wochenverlauf 2,2 Prozent ein.

Am Arbeitsmarkt war der Beschäftigungszuwachs zwar hinter den Prognosen zurückgeblieben, doch zugleich entwickelte sich der Lohnanstieg wie erwartet. Thomas Altmann von QC Partners sprach daher von einer Entwicklung, die „den Geschmack vieler Anleger genau trifft“. Denn „diese Kombination nimmt Druck von der Fed“, sagte der Portfoliomanager mit Blick auf den Zinsanhebungskurs der US-Notenbank.

Blickt man auf die Wochenbilanz des DAX, so sieht erst mal alles gut aus. Dabei brodelt es in zweierlei Hinsicht: Die Schwankungen sind erheblich, vor allem der dramatische Umschwung im Mittwochshandel an der Wall Street sorgte für einigen Wirbel in Frankfurt. Die Sorgen wegen des sich abzeichnenden Handelskrieg drückten den Dow zunächst tief ins Minus. Die Äußerungen aus dem Umfeld von Präsident Trump, man wolle bloß mit den Chinesen verhandeln, ließen die Kurse dann kräftig steigen — nur um durch neuerliche Drohgebärden gleich wieder einen Dämpfer zu erhalten. Der DAX folgt wie immer den Bewegungen der Wall Street, bloß etwas hektischer. Darüber hinaus ist ein Blick auf die Liste der Wochengewinner interessant: Darin tauchen einige Werte auf, die auf Sicht der vergangenen zwölf Monate zu den schlechtesten Titeln im Leitindex zählten. Defensive Aktien wie die des Pharmakonzerns Merck etwa, auch der Gesundheitskonzern Fresenius oder die Deutsche Telekom. Investoren bekommen offenbar Lust auf vermeintliche Langweiler. Kein Wunder, schließlich verderben die Kursverluste bei den Techs sowie die Achterbahnfahrt an den Märkten den Appetit auf hohes Risiko.

Auf den ersten Blick hat sich der Preisanstieg in der Eurozone deutlich beschleunigt. Beim zweiten Hinschauen wird klar, dass ein Sondereffekt zu berücksichtigen ist. Die Verbraucherpreise stiegen im März um 1,4 Prozent verglichen mit dem Vorjahresmonat, nach einer Inflationsrate von nur 1,1 Prozent im Februar. Allerdings lagen die Osterfeiertage dieses Jahr früher, in Deutschland haben die Ferien schon im März begonnen. 2017 war Ostern erst Mitte April. Weil Reisen in der ­Osterzeit teurer sind, ergibt sich im ­Jahresvergleich eine Verzerrung der Daten. Dies dürfte sich dann entsprechend in der Teuerungsrate für April 2018 zeigen. Der Handlungsdruck der EZB, die Geldpolitik zu straffen, hat sich durch die von Eurostat am Mittwoch veröffentlichten Zahlen also nicht erhöht. Das belegt auch die von der EZB besonders beachtete Kernrate, bei der Energie- und Lebensmittelpreise herausgerechnet werden — sie verharrte im März bei 1,0 Prozent.

Überraschungen gibt es in Saudi-­Arabien zurzeit zuhauf. Kronprinz Mohammed bin Salman spricht den Israelis das Recht auf ihr Land zu. Er will die Kleiderordnung für Frauen im ultrakonservativen Königreich ­ändern. Und Mitte April soll in der Hauptstadt Riad ein von der US-Firma AMC Entertainment betriebenes Kino eröffnen, das erste nach 35 Jahren Verbot. Auch dies gilt als Teil der ­„Vision 2030“, mit der die Wirtschaft modernisiert und die Abhängigkeit vom Öl verringert werden soll. Folgen für die Einordnung des Landes bei Aktienindizes gibt es bereits: Ende März hat der britische Anbieter FTSE Russell angekündigt, Saudi-Arabien im März 2019 in den FTSE Russell Emerging Markets Index aufzunehmen. „Saudi-Arabien ist zum Tempo der jüngsten Marktreformen zu beglückwünschen“, sagt FTSE-Russell-Chef Mark Makepeace. Die neue Bewertung könnte Saudi-­Arabien helfen, zusätzliche Milliarden an Kapital von Aktieninvestoren ins Land zu holen. Im Juni wird zudem der Anbieter MSCI bekannt geben, ob Saudi-Arabien auch in den MSCI Emerging Markets Index aufsteigen wird. „Eine positive Entscheidung würde die Zuflüsse von passiven sowie indexnahen Strategien nochmals signifikant erhöhen“, sagt Dominic Bokor-Ingram, der zusammen mit Stefan Böttcher den
auf Frontier Markets spezialisierten Magna Mena Fund lenkt.

In Brasilien rückt die Inhaftierung von Luiz Inácio Lula da Silva näher. Der ehemalige Präsident des Landes wurde wegen Korruption zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Dagegen hat Lula Berufung eingelegt — und beim Obersten Gerichtshof den Antrag gestellt, bis zum Ende seines Berufungsverfahrens auf freiem Fuß zu bleiben. Dieser Antrag wurde von den Richtern nun abgewiesen, in einer sehr knappen Entscheidung mit sechs zu fünf Stimmen. Wenn die Staatsanwaltschaft wie erwartet Lulas Inhaftierung beantragt, kann dieser noch einmal Einspruch einlegen. Der 72-jährige Politiker will bei der Präsidentenwahl im Oktober für die linke Arbeiterpartei ins Rennen gehen. In den Umfragen liegt Lula zurzeit deutlich vorne — obwohl er möglicherweise gar nicht antreten kann.


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