Tichys Einblick
Deutsche Bank im Zentrum:

FinCEN-Files: Die Empörung über die Geldwäsche-Verdachtsmeldungen ist fragwürdig

Mit Hilfe der FinCEN-Files, einem Datenleck aus dem US-Finanzministerium, beklagt ein Journalisten-Konsortium Mängel bei der internationalen Bekämpfung von Geldwäsche. Aber es gibt gute Gründe dafür, dass es seinerseits illegal ist, Verdachtsmeldungen öffentlich zu machen.

Christian Sewing, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank

imago images / Rainer Unkel

Wieder ein sogenanntes Datenleck. Diesmal aus dem US-Finanzministerium. Die FinCen-Files, die das Netzwerk International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) jetzt präsentiert, bestehen aus mehr als 2.100 Geldwäscheverdachtsmeldungen und zahlreichen internen Berichten des US-Finanzministeriums. Es sind Meldungen der Banken an das Financial Crimes Enforcement Network, das diese dann wiederum an FBI, Steuerfahndung und andere Strafverfolgungsbehörden weiterleitet.

Der Ton, in dem die Süddeutsche Zeitung zum Beispiel, die ein Teil des Recherchenetzwerkes ist, berichtet, ist aber selbst fragwürdig. „Auch deutsche Banken transferieren regelmäßig Geld verdächtiger Kunden – offenbar nicht selten, ohne wirklich zu wissen, was der Zweck der Überweisung ist,“ heißt es da etwa. Aber soll wirklich schon ein Verdacht, Anlass und Grund genug sein, eine Überweisung nicht auszuführen? Der zweite Teilsatz offenbart erst recht ein höchst fragwürdiges Verständnis von der Funktion eines Finanzdienstleisters. Muss und soll die Bank wirklich immer wissen, was der Zweck einer Überweisung ist? Die Süddeutsche Zeitung zumindest scheint das zu wollen. 

Aber grundsätzlich ist es nicht die primäre Aufgabe von Banken, Kriminelle zu überführen und zu bekämpfen. Wenn hier ein Versagen öffentlich wird, dann ist es in allererster Linie ein Versagen der Behörden und nicht der Banken, die ihren Verdacht schließlich offen geäußert haben. Jeder Fall, der in den Akten auftaucht, ist immerhin ein Fall von Kooperation der Banken mit den Behörden – auch wenn diese bisweilen höchst unvollkommen sein mag.

Was man den Banken zu Recht vorwirft, ist, dass sie offenbar oft viel zu viel Zeit verstreichen lassen, bevor sie verdächtige Transfers melden. Eigentlich sollen Finanzinstitute „unverzüglich“ – in den USA: spätestens 30 Tage – nach Entdecken einer verdächtigen Transaktion den Behörden Bescheid geben, damit diese den Vorgang ebenso unverzüglich prüfen und mögliche illegale Geldflüsse stoppen können. Eine Analyse der FinCEN-Files offenbart, dass die Banken im Schnitt 166 Tage – also fast ein halbes Jahr – verstreichen lassen, bis sie nach einer verdächtigen Überweisung auch eine Meldung abgeben.

Die Empörung, die Journalisten durch diese Offendeckung beim Publikum auslösen, ist letztlich ein eher populistischer Effekt. Es ist die Empörung, die man als ehrlicher Geschäftsmann und Bürger leicht empfinden kann, wenn man den Eindruck hat, dass da irgendwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Es ist dieselbe Empörung, die man vielleicht auch gegen den Autohändler empfindet, der dem Goldkettchen tragenden Zuhälter einen sündhaft teuren Ferrari verkauft. Sollte sich der Autohändler nicht weigern, so einem zwielichtigen Kerl ein Auto zu verkaufen? Natürlich kann man da zornig werden, wenn Schwerkriminelle ungehindert Finanz- oder sonstige Geschäfte machen können. 

Aber sind diese Empörung und dieser Traum wirklich sinnvolle Ratgeber? Sollte die Konsequenz aus den hier von Journalisten bekannt gemachten Verdachtsfällen sein, dass nur noch derjenige Geld überweisen oder große Barzahlungen vornehmen darf, der einen moralisch einwandfreien Zweck dafür nachweisen kann? Hätten die Banken jede der gemeldeten verdächtigen Überweisungen vorsorglich stoppen sollen?

Eine Kommentatorin der Süddeutschen imaginiert solch eine Geschäftswelt der moralisch sauberen Entsagung: „Was aber wäre, wenn die Scheine kaum jemand annähme? Allenfalls die Eisdiele um die Ecke. Aber kein Immobilienverkäufer, kein Schmuckhändler und schon gar keine Bank? Wenn die Verbrecher die Bündel verstecken müssten, wo sie geklaut oder zerstört werden könnten. Dann wären Verbrechen weniger rentabel.“

Eine solche totale (moralische) Transparenzpflicht wäre jedenfalls das Ende der freien Wirtschaft und das Ende der freien Gesellschaft – zumal wenn gleichzeitig auch noch Bargeldzahlungen immer weitere erschwert werden. Freiheit ist immer auch die Freiheit, mit seinem Geld oder anderem Eigentum zu tun, was man möchte (sofern es nicht verboten ist), auch wenn das anderen Menschen nicht gefällt oder man es aus welchem Grund auch immer im Verborgenen tun will.  

Die Strafverfolgungsbehörden in freiheitlichen Rechtsstaaten müssen in ihrem Kampf gegen Kriminalität stets im Rahmen dieser grundlegenden Freiheitsrechte und des Grundsatzes der Unschuld bis zum Beweis der Schuld („In dubio pro reo“) bleiben. Das fällt oft schwer und macht auch die Öffentlichkeit zornig, aber die Alternative ist letztlich das Ende der freien Gesellschaft.

Die Gefahr hinter der Veröffentlichung und Skandalisierung der FinCENFiles und vor allem des empörten Tons der beteiligten Medien dazu besteht in der Tendenz zur vorausschauenden Hypermoralisierung des Geschäftslebens. Wenn Banken oder andere Unternehmen unter dem öffentlichen Druck, der aus solchen Veröffentlichungen entsteht, künftig auch schon ohne Beweise Geschäfte mit verdächtigten Personen ablehnen, dann entsteht daraus schnell ein pseudomoralisches Geschäftsgebaren, dessen Leidtragende längst nicht nur Kriminelle, Terroristen oder das sanktionierte Regime im Iran sind. Dann ist es nämlich nur noch ein kleiner Schritt, bis jedem die Kontoeröffnung verweigert oder der Mietvertrag gekündigt wird, der den moralischen Vorstellungen der Leitmedien oder auch irgendwelchen anderen mächtigen Interessen im Wege steht. 

Es bezeugt ein tiefes Verständnis für diesen Wert der Freiheit in den USA – und durchaus keine Schikane gegen aufdeckende Journalisten -, dass dort die unautorisierte Weitergabe von Geldwäscheverdachtsmeldungen mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet wird. Denn die Schädigung des Rufes der so Verdächtigten ist keine Lappalie. Für die Deutsche Bank, die die große Mehrheit der durchgespielten Verdachtsmeldungen abgab, sind die FinCEN-Files schon jetzt eine Image-Katastrophe. Wie kommt es, dass ausgerechnet sie hier so überrepräsentiert ist?

Die Süddeutsche Zeitung gibt selbst zu: „Die Deutsche Bank ist in dem Leak mit Abstand die Bank mit den meisten verdächtigen Überweisungen. Dies muss allerdings nicht heißen, dass die Deutsche Bank insgesamt die meisten Meldungen abgibt, sondern kann auch an der Zusammensetzung der geleakten Daten liegen, die womöglich nicht repräsentativ sind.“ War die Deutsche Bank wirklich besonders aktiv bei der Geldwäsche? Könnte sein. Oder will hier womöglich jemand speziell der Deutschen Bank und ihrem neuen Chef Christian Sewing – zuvor Chef der Revisionsabteilung – schaden? Könnte auch sein.

Die Vorstellung, dass hier Journalisten aus reinem Idealismus gegen unermesslich mächtige Finanzinstitute stehen, ist jedenfalls durchaus auch zu bezweifeln angesichts der hinter dem ICIJ stehenden, finanziell hoch potenten Geldgeber. Die Süddeutsche Zeitung stellt das ICIJ so vor: „… eine gemeinnützige Organisation, die wie eine Art internationaler Verein für investigative Journalisten zu verstehen ist. Ihm gehören mehr als 250 Journalistinnen und Journalisten aus rund 100 Ländern an, darunter auch vier SüZ-Reporter (Frederik Obermaier, Bastian Obermayer, Georg Mascolo sowie Hans Leyendecker). Das ICIJ wird über Spenden finanziert, unter anderem von Stiftungen aus Australien, Großbritannien, den Niederlanden und den USA – darunter die Ford Foundation, die Adessium Foundation, die von George Soros gegründete Open Society Foundation –, sowie von Luminate, einer philanthropischen Organisation von Ebay-Gründer Pierre Omidyar.“

Das International Consortium of Investigative Journalists, das die Dokumente beschaffte, analysiert und präsentiert, ist also selbst auch eine Veranstaltung, die Fragen aufwirft. Nicht zuletzt da hier private Zeitungsverlage mit öffentlich-rechtlichen Sendern (NDR und WDR) kooperieren, worauf Bild-Chefredakteur Julian Reichelt hinweist: „Die SZ ist eine gute Zeitung. Aber ich werde nie verstehen, mit welcher Rechtfertigung sie von öffentlich-rechlich finanzierten Recherchen profitiert. Journalisten aller privaten Medien werden so gezwungen, die private Konkurrenz zu finanzieren.“

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