Tichys Einblick
Inflation voraus

Die Erzeugerpreise steigen so stark wie seit 1974 nicht mehr

Die Verteuerung der Energie schlägt auf die Industrie durch: Bei den Erzeugerpreisen war die Teuerung im August so extrem wie zuletzt nach der ersten Ölkrise.

Drehstromzähler

IMAGO / CHROMORANGE

Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte waren im August 2021 um 12,0 Prozent höher als im August 2020. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, war dies der höchste Anstieg gegenüber dem Vorjahresmonat seit Dezember 1974 (+12,4 Prozent), als die Preise im Zusammenhang mit der ersten Ölkrise stark gestiegen waren. Im Juli 2021 hatte die Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahr noch bei 10,4 Prozent und im Juni 2021 bei 8,5 Prozent gelegen. Das ist ein deutliches Indiz dafür, dass die Inflation auch bei Konsumgütern bald deutlich anziehen wird.

Erzeugerpreise sind die statistisch „ab Fabrik“ berechneten Preise für Produkte von Unternehmen im Bergbau, im Verarbeitenden Gewerbe sowie in der Energie- und Wasserwirtschaft – also bevor die Produkte weiterverarbeitet werden oder in den Handel kommen. Berücksichtigt werden dabei alle Steuern und Abgaben auf die Produkte außer der Mehrwertsteuer. Er stellt damit die Preisveränderungen in einer frühen Phase des Wirtschaftsprozesses dar. Mit anderen Worten: Wenn heute die Erzeugerpreise stark steigen, werden morgen höchstwahrscheinlich auch die Preise für die Endkonsumenten stark steigen.

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„In den kommenden Monaten dürfte diese zumindest eine vier, vielleicht sogar eine fünf vor dem Komma haben“, sagte der Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, wie mehrere Medien berichten. Das Ifo-Institut rechnet 2021 mit drei Prozent Inflation. „Wir gehen davon aus, dass die aktuellen Versorgungsengpässe im Laufe des kommenden Jahres nach und nach überwunden werden und sich deshalb auch der Preisauftrieb bei den Vorprodukten merklich abschwächen wird“, sagte Solveen. Der Vorjahresvergleich der Teuerungsraten ist durch den coronabedingten Konjunktureinbruch und die dadurch gesunkenen Preise im Jahr 2020 verzerrt.

Hauptverantwortlich für den Anstieg der gewerblichen Erzeugerpreise gegenüber August 2020 war die Preisentwicklung bei Energie, gefolgt von der Preisentwicklung bei den Vorleistungsgütern.

Extreme Preissteigerungen bei allen Energieträgern

Die Energiepreise waren im August 2021 im Durchschnitt 24,0 Prozent höher als im Vorjahresmonat und 3,3 Prozent höher als im Vormonat Juli 2021. Den höchsten Einfluss auf die Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahr bei Energie hatte Erdgas in der Verteilung mit einem Plus von 44,2 Prozent.

Ohne Berücksichtigung von Energie waren die Erzeugerpreise 8,3 Prozent höher als im August 2020.

Hohe Preissteigerungen bei Holz und Metallen

Vorleistungsgüterwaren 17,1 Prozent teurer als im August 2020 und 1,4 Prozent teurer als im Vormonat Juli 2021. Besonders hoch waren die Preisanstiege gegenüber dem Vorjahr bei Nadelschnittholz (+124 Prozent) und bei Sekundärrohstoffen (+104 Prozent), aber auch bei Verpackungsmitteln aus Holz (+89,4 Prozent) und Betonstahl in Stäben (+87,2 Prozent). Metalle waren im Durchschnitt insgesamt 34,9 Prozent teurer als ein Jahr zuvor. Die Preise für Roheisen, Stahl und Ferrolegierungen waren 58,0 Prozent höher, Nichteisenmetalle und deren Halbzeug kosteten 23,0 Prozent mehr. Auch im August dürfte der starke Preisanstieg bei den Stahl- und Holzpreisen insbesondere in der hohen Nachfrage im In- und Ausland sowie in Problemen in der Versorgung mit Rohstoffen begründet sein, bei den Stahlpreisen zusätzlich in den kräftigen Preissteigerungen für Eisenerzimporte (+109 Prozent von Juli 2020 bis Juli 2021). Die Erzeugerpreise für chemische Grundstoffe wiesen ebenfalls ein starkes Plus gegenüber dem Vorjahresmonat auf (+20,0 Prozent). Nur sehr wenige Vorleistungsgüter kosteten weniger als im Vorjahresmonat. Hierzu gehörte vor allem Holz in Form von Plättchen oder Schnitzeln (-15,9 Prozent).

Der Marktausblick
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Die Preise für Gebrauchsgüter waren im August 2021 um 2,8 Prozent höher als ein Jahr zuvor, insbesondere durch die Preisentwicklung für Möbel (+3,9 Prozent). Investitionsgüter, wie beispielsweise Maschinen und Fahrzeuge, kosteten 2,4 Prozent mehr (+0,6 Prozent gegenüber Juli 2021). Besonders hoch war hier der Preisanstieg gegenüber August 2020 bei Metallkonstruktionen (+13,9 Prozent), aber auch bei Metallbehältern, Heizkörpern und Heizkesseln (+9,1 Prozent).

Die Preise für Verbrauchsgüter waren im August 2021 um 2,1 Prozent höher als im August 2020 und stiegen gegenüber Juli 2021 um 0,2 Prozent. Nahrungsmittel waren 2,6 Prozent teurer als im Vorjahr. Pflanzliche, nicht behandelte Öle kosteten 38,3 Prozent mehr als im August 2020, Butter 16,4 Prozent mehr. Weniger als im August 2020 kosteten vor allem Schweinefleisch (-3,1 Prozent) und verarbeitete Kartoffeln (-2,1 Prozent).

 

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