Tichys Einblick

Dramatische Entwicklung bei Arbeitsplätzen in der Autoindustrie

Die Zeiten des ungebremsten Wachstums in der Autoindustrie scheinen vorbei. Die Umsätze werden in den nächsten zwei bis drei Jahren rückläufig sein, prognostiziert das Beratungsunternehmen Alix Partners in seiner neuen Studie »Global Automotive Outlook 2019«.

Christof Sache/AFP/Getty Images

Klima- und Abgashysterie sowie Fahrverbote hinterlassen immer deutlichere Spuren in der deutschen Autoindustrie. Jetzt schlug Audi Alarm. Audi hat einen »schlechten Wirkungsgrad«, formulierte Audi-Finanzvorstand Alexander Seitz auf einer Betriebsversammlung in der vergangenen Woche. Er schwor die Belegschaft auf einen harten Sparkurs ein, wie es in der entsprechenden Nachricht hieß. Deutlicher wurden Insider, die schätzen, dass bis 2025 bis zu 10.000 der derzeit 60.000 Arbeitsplätze an den Standorten Ingolstadt und Neckarsulm wegfallen dürften.

Die Produktionsauslastung liege nur noch bei 64 Prozent und die Kapitalrendite bei 10 Prozent. Die habe vor wenigen Jahren noch bei 35 Prozent gelegen. Seitz: »Das, was wir reinstecken und das, was wir rauskriegen, passt nicht mehr!« Betriebsbedingte Kündigungen solle es nicht geben, eine Beschäftigungsgarantie solle bis 2025 gelten. Freiwerdende Stellen würden nicht mehr besetzt. Der Betriebsrat forderte eine Verlängerung der Beschäftigungssicherung bis zum Jahre 2030.

Im benachbarten Autoland Baden-Württemberg sieht es ähnlich bedrohlich aus. »Jeder zweite Arbeitsplatz im produzierenden Bereich ist gefährdet«. Das verkündete ziemlich ungerührt Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Die bekleidet gerade den Posten der Wirtschaftsministerin des Autolandes Baden-Württemberg und kritisiert nicht etwa jene Politik der Wende zu mehr Elektroautos, sondern dass die Autohersteller nicht schon mehr Elektroautos anbieten. Dann wäre die Verkehrswende schon deutlich weiter.

In einem Interview antwortet sie ziemlich mystisch auf die entscheidende Frage, was passiere, wenn sie den Umstieg aufs Auto nicht hinbekommen: »Wir können den Wandel erfolgreich gestalten, das hat unsere Industrie in der Vergangenheit schon bewiesen. Je schneller die Transformation erfolgt, umso ambitionierter wird das. Wenn 2030 jedes zweite verkaufte Auto ein reines E-Auto sein sollte, ist laut einer Studie jeder zweite Arbeitsplatz im produzierenden Bereich gefährdet.«

Ihr kommen bereits mühelos jene Narreteibegriffe von der »Transformation der Autoindustrie« über die Lippen, wenn sie kritisiert, dass die Autoländer Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen nicht bei jenem ominösen neuerlichen Autogipfel im Kanzleramt vergangener Woche dabei waren: »Denn die Länder wissen sehr genau, worauf es bei der Transformation der Autoindustrie ankommt.«
Es kommt also auf mehr Kohle vom Steuerzahler an: »Die Transformation erfordert erhebliche Investitionen.« Hoffmeister-Kraut sieht die Forderungen der IG Metall nach milliardenschweren Zuschüssen für Autozulieferer jedoch kritisch: »Wer jetzt schon über Rettungsfonds für Zulieferer redet, verschlimmert die Lage eher.«
Launig die weitere Frage des Reporters der Wirtschaftswoche: »Die Autoindustrie gerade auch in Baden-Württemberg ist geschockt vom schnellen Vormarsch des E-Autos. Dabei beraten Politik und Industrie seit 2008 in der Nationalen Plattform Elektromobilität und anderen Gremien den Umstieg. Wer hat tiefer geschlafen – die Industrie oder die Politik?«

Selten sieht man so viel Entrücktheit. Gestandenen Autoingenieuren ist klar, dass das mit der Elektromobilität nix wird. Sie fürchten eher den Absturz des Autolandes Baden-Württemberg und ihrer Unternehmen. Und vermutlich auch die entsetzlichen Phrasen einer Frau, die immerhin Wirtschaftsministerin dieses Landes ist: »Wir brauchen für alles viel zu lange, während andere Staaten Fakten schaffen. Es geht im Moment auch um einen Wettbewerb der Systeme und es wird Zeit, dass wir zeigen, dass wir die Zukunft kraftvoll gestalten.«

Nach solcherlei Unsinn der finale Firlefanz: »Erschwerend kommt hinzu, dass die Kunden die neue Technologie nur zögerlich annehmen, weil sie darin offenbar noch Nachteile sehen.« Das verwundert, zumal Hoffmeister-Kraut Diplomkauffrau und Gesellschafterin des Waagenherstellers Bizerba ist. Von daher müsste sie eigentlich wissen, dass Hersteller das produzieren, was Kunden wollen und auch kaufen.

Sie hat jedenfalls den Eindruck, dass die Autobauer versuchen, die Dinge ins Lot zu bringen: »Da ist auch ein bisschen Demut zu spüren.«

Gediegener hören sich die Warnsignale aus dem Mund von Unternehmensberatern an: »Die Zeiten des ungebremsten Wachstums in der Autoindustrie scheinen vorbei zu sein. Die Umsätze werden in den nächsten zwei bis drei Jahren rückläufig sein, prognostiziert das Beratungsunternehmen Alix Partners in seiner neuen Studie »Global Automotive Outlook 2019«.

Für die Studie haben die Berater in den vergangenen Monaten die Bilanzen von mehr als 300 Autoherstellern und -zulieferern ausgewertet sowie eine Vielzahl von Experten-Interviews und Verbraucher-Umfragen durchgeführt. Wichtige Märkte wie Europa sollen demnach mit einem prognostizierten jährlichen Wachstum von 1,0 Prozent bis 2026 in den »Leerlauf« schalten.

Gleichzeitig wollen Autohersteller in den kommenden fünf Jahren die gewaltige Summe von 202 Milliarden Euro in Entwicklung, Produktion und Vermarktung der Elektroautos investieren. Etwa 43 Milliarden sollen in die Entwicklung von autonomen Systemen fließen. Doch nicht jeder Hersteller wird das leisten können, zumal der E-Antrieb ein erhebliches Risiko biegt: Was, wenn die gepriesene Kundschaft so weiter macht wie bisher und keines dieser e-Autos kaufen will?

Auch in der Stahlindustrie sind künftige Verwerfungen bereits spürbar. Der Betriebsrat von ThyssenKrupp warnt vor Einschnitten beim Stahl: 6.000 Stellen drohen beim Konzernumbau verloren zu gehen. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Thyssenkrupp Steel Europe, Tekin Nasikkol, sagte nach einer Betriebsversammlung in Duisburg: »Wer jetzt den Rotstift ansetzt und dabei unsere Beschäftigten, unsere Anlagen oder gar Standorte im Fokus hat, wird auf deutliche Ablehnung stoßen«.

Ford streicht 12.000 Stellen in Europa, schließt fünf Fabriken und verpasst sich neue Strukturen. Ziel: eine höhere Rentabilität.


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