Tichys Einblick
E-Auto Markt:

Das Ende der Verbrenner wird sichtbar – und die Elektro-Probleme offensichtlicher

Die Nachfrage nach E-Autos steigt wegen staatlicher Prämien immer weiter. Doch mit ihrer Bedeutung wachsen auch die Hindernisse gegen die Elektromobilität.

Autobahnraststätte Autohof Wertheim an der BAB 3

IMAGO / MiS

Das Kaufinteresse an elektrifizierten Automobilen, sei es solchen auf Batteriebasis (BEV) oder solchen als Plug-In-Hybride (PHEV), hat im ersten Quartal 2021 kräftig weiter zugenommen. Mit verantwortlich für die starke Nachfrage sind weiterhin die hohen Kaufprämien für Batterie-Elektroautos und Plug-In-Hybride. Im ersten Quartal 2021 wurde laut einer DPA-Meldung die Rekordsumme von 765 Millionen Euro Fördermittel für 128.000 Elektroautos abgerufen, deren Volumen höher lag als im gesamten Jahr 2020 (652 Millionen Euro). Memo:

  • Die Bundesregierung hatte die staatlichen Zuschüsse im Zuge des Konjunkturpakets im vergangenen Sommer deutlich angehoben, um die Nachfrage anzukurbeln.
  • Für reine E-Autos unter einem Nettolistenpreis von 40.000 Euro sind seitdem bis zu 9000 Euro Prämie möglich. Der staatliche Anteil liegt bei 6000 Euro, die Hersteller geben 3000 Euro.

Trotz wachsender Bedeutung gibt es bei der fortschreitenden Elektromobilität zunehmende Hindernisse:

  • Trotz aller Zuwachsraten-Euphorie dominieren mit 90 Prozent bei den  Neuzulassungen immer noch die Verbrenner  (Benziner und Diesel-Autos) vor den reinen Elektroautos.  Sehr zum Leidwesen der Herstelle, die zur Vermeidung hoher, gewinnzehrender Strafzahlungen wegen Emissionsüberschreitung ihrer Flotten massiv auf mehr E-Autos im Markt angewiesen sind, um die EU-Emissions-Grenzwerte und Klimavorgaben erreichen zu können. 
  • Zudem bestehen weiterhin Engpässe bei der Ladeinfrastruktur und Schwächen bei der Ladeabrechnung/-handhabung. 
  • Die Versorgung der wachsenden Flotte mit E-Autos mit „grünem“ Strom ist als Folge der deutschen Energiepolitik auf absehbare Zeit ausgeschlossen, bei der Versorgung mit Kohlestrom beschwören Fachleute drohende Engpässe. 
Aktuelle Marktentwicklung 
  • Im März 2021 wurden 30.101 Batterie-Elektro-Pkw (BEV) neu zugelassen (+191,4 Prozent). Mit einem Anteil am Gesamtmarkt von 10,3 vH konnte damit in Deutschland bereits jeder 10 Neuwagen mit Strom aus der Batterie betrieben werden.
  • Noch beeindruckender war mit + 277,5 Prozent der Verkaufszuwachs bei Plug-In-Hybrid-Pkw (35.580 E), die damit einen Gesamtmarktanteil von  12,2 vH erreichten.
  • Insgesamt war im März 2021 in Deutschland bereits jedes vierte Neufahrzeug mit einem alternativen Antrieb ausgestattet. Die Corona Pandemie mag dabei insofern hilfreich gewesen sein, als die Notwendigkeit großer Reichweiten der Fahrzeugnutzung deutlich gesunken ist. Vorerst!
  • Der durchschnittliche CO2-Ausstoß der neu zugelassenen Pkw verringerte sich um 15,3 Prozent und lag bei 126,2 g/km.
Verbrenner-Ende schneller als gedacht?

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Legt man die aktuelle Marktentwicklung zugrunde, muss man den Eindruck gewinnen, dass die Käufer das Ende des Verbrennermotor eingeläutet haben. Zwar hat die EU in dem jüngsten vorgelegten Entwurf einer verschärften Abgasnorm Euro 7 von unerfüllbaren Grenzwerten Abschied genommen (Anmerkung: die Forderung, Verbrennautos müssten beim Anfahren mit Anhänger am Berg oder bei Kaltstarts die gleichen niedrigen Grenzwerte einhalten wie im Normalbetrieb ist der wirksamen Überzeugungsarbeit des VDA et. al. vom Tisch).  Eine Überlebensgarantie hat das Meisterstück deutscher Motorenbaus damit allerdings nicht. Alle Autohersteller beschleunigen ihre Elektro-Flottenpläne.
Fahrpläne zum Verbrenner-Abschied

Die bislang veröffentlichten Fahrpläne von Regierungen und Autoherstellern für den Abschied vom Verbrennungsmotor im Pkw (mit fossilen Kraftstoffen!!!) sehen folgendes vor (Quelle: Automobilwoche 2021):

Länder

  • Deutschland: bislang kein Verbrennerverbot geplant 
  • Audi: ab sofort keine Neuentwicklung von Verbrennern mehr
  • Stellantis: kein Ausstiegsdatum, aber Vorrang Elektrifizierung
  • Renault: kein Ausstiegsdatum
  • Frankreich: Ausstieg 2040
  • Norwegen: Ausstieg 2025
  • Ausstieg 2030: Großbritannien, Schweden, Niederlande, Belgien, Dänemark

Hersteller 

  • Toyota: kein Ausstiegsdatum
  • BMW: kein Ausstiegsdatum
  • VW: kein Ausstiegsdatum
  • Jaguar: ab 2025 rein elektrisch (gilt nicht für Land Rover)
  • Mini: letztes Verbrennermodell 2025; ab 2030 rein elektrisch
  • Volvo Cars: 2025 zu 50 Prozent rein elektrisch
  • Renault: 2025 zu 50 Prozent rein elektrisch; ab 2026 für jedes Modell mindestens eine BEV- oder PHEV-Lösung
  • Ford: ab 2026 für jedes Modell mindestens eine BEV- oder PHEV-Lösung; ab 2030 rein elektrisch
  • Volkswagen-Konzern: rein elektrische Pkw sollen 2030 70 Prozent des Europa-Absatzes ausmachen, Rest PHEV
  • Toyota: ab 2030 jährlich 5,5 Millionen elektrifizierte Fahrzeuge geplant (ca. 50 Prozent aller Einheiten)
  • BMW: ab 2030 sollen 50 Prozent aller Modelle rein elektrisch sein, Strategie „E-Mobility first“
  • General Motors: ab 2035 rein elektrisch
  • Mercedes: Ausstieg bislang für 2039 geplant; Strategie „Electric First“

Folgt man dieser Liste, so verliert der Verbrenner eine Bastion nach der anderen, nach Meinung der Automobilwoche “ein Rückzugsgefecht von historischem Ausmaß“.  

Doch anders als im Mittelalter ist hier die Wirksamkeit der Waffentechnik auf den Kopf gestellt. Während damals die mittelalterlichen Ritter umweltfreundlich aber vergeblich hoch zu Ross mit Schwert und Rüstung gegen weitreichende Feuerwaffen und Pulverdampf antraten – und verloren –, scheint heute die alte Elektrotechnik aus den Anfängen des Automobilzeitalters die Oberhand zu gewinnen. Und das, wie die Automobilwoche bedauernd bemerkt, „ ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem der Otto- und Dieselmotor, betrieben mit fossilen Kraftstoffen, so effizient, sauber und kraftvoll ist wie nie zuvor….!“

Für alle Gefolgsleute und Fans des klassischen Verbrennungsmotors, die angesichts dieser Drohliste ihre ganze Hoffnung auf synthetischen, fossilfreien Treibstoff zur Rettung des Verbrenners setzen, sei zum Trost an den Schluss-Auftritt von Paulchen (Pink-)Panter erinnert: „Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder, keine Frage!“

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