Tichys Einblick
Inflation im Galopp

33,6 Prozent: Erzeugerpreise steigen seit Dezember in Rekordtempo

Die hohen Energiepreise treiben die Erzeugerpreise – besonders Erdgas verteuert sich. Für Mai ist der höchste Anstieg gegenüber einem Vorjahresmonat seit Beginn der Erhebung im Jahr 1949 zu verzeichnen.

IMAGO / Bihlmayerfotografie

Die deutschen Hersteller haben ihre Preise im Mai abermals extrem erhöht. Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte waren im Mai 2022 um 33,6 Prozent höher als im Mai 2021. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, war dies der höchste Anstieg gegenüber einem Vorjahresmonat seit Beginn der Erhebung im Jahr 1949. Die gewerblichen Erzeugerpreise verzeichnen seit Dezember 2021 jeden Monat neue Rekordanstiege im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat – also nicht erst seit dem russischen Angriff auf die Ukraine.

Im April 2022 hatte die Veränderungsrate bei +33,5 und im März bei +30,9 Prozent gelegen. Im Vormonatsvergleich stiegen die Erzeugerpreise im Mai 2022 um 1,6 Prozent. Von Reuters befragte Ökonomen hatten einen ähnlichen Wert (33,5 Prozent) erwartet.

Erzeugerpreise gelten als Indikatoren für die Entwicklung der Preise von Konsumgütern, also der allgemeinen Inflation. In der Statistik werden die Preise „ab Fabriktor“ geführt – also noch bevor die Produkte weiterverarbeitet werden oder in den Handel kommen. Aktuell ist die Inflationsrate (gemessen von Destatis anhand des Verbraucherpreisindex) mit 7,9 Prozent so hoch wie seit dem Winter 1973/1974 nicht mehr.

Starke Preissteigerungen bei allen Energieträgern

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Besonders stark stiegen die Erzeugerpreise für Energie: Sie lagen im Mai 2022 im Durchschnitt 87,1 Prozent höher als im Vorjahresmonat. Gegenüber April 2022 stiegen diese Preise um 2,5 Prozent. Den höchsten Einfluss auf die Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahr bei Energie hatte Erdgas in der Verteilung mit einem Plus gegenüber Mai 2021 von 148,1 Prozent. Kraftwerke zahlten für Erdgas 241,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Für Industrieabnehmer war Erdgas 210,7 Prozent teurer und für Wiederverkäufer 168,3 Prozent. Während Endabnehmer mit höheren Abnahmemengen, deren Preise sich häufig an den Börsennotierungen orientieren, niedrigere Preise als im Vormonat zahlen mussten, stiegen die Preise für Abnehmer kleinerer Abnahmemengen auch im Vormonatsvergleich weiter an. Gegenüber April 2022 wurde Erdgas über alle Abnehmergruppen hinweg 2,5 Prozent teurer.

Die Preise für elektrischen Strom waren im Mai 2022 um 90,4 Prozent höher als im Mai 2021 (+4,0 Prozent gegenüber April 2022). Für Weiterverteiler kostete Strom 165,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, für Sondervertragskunden 83,2 Prozent. Für gewerbliche Anlagen stiegen die Preise um 16,8 Prozent.

Mineralölerzeugnisse waren 55,8 Prozent teurer als im Mai 2021 und kosteten 2,5 Prozent mehr als im April 2022. Leichtes Heizöl war fast doppelt so teuer wie ein Jahr zuvor (+96,0 Prozent), Kraftstoffe kosteten 49,4 Prozent mehr. Während die Preise gegenüber April 2022 für Motorenbenzin um 6,5 Prozent und für Dieselkraftstoff um 0,5 Prozent stiegen, war leichtes Heizöl geringfügig billiger (-0,5 Prozent).

Ohne Berücksichtigung von Energie waren die Erzeugerpreise nur 16,5 Prozent höher als im Mai 2021 (+1,2 Prozent gegenüber April 2022).

Vorleistungsgüter waren im Mai 2022 um 25,1 Prozent teurer als ein Jahr zuvor. Gegenüber April 2022 stiegen diese Preise um 1,5 Prozent. Den höchsten Einfluss auf die Veränderungsrate für Vorleistungsgüter gegenüber dem Vorjahr hatte die Veränderungsrate für Metalle mit einem Plus von 38,1 Prozent.

Besonders hoch waren die Preisanstiege gegenüber dem Vorjahr bei Düngemitteln und Stickstoffverbindungen mit +110,9 Prozent. Industriegase kosteten binnen Jahresfrist 68,8 Prozent mehr, Verpackungsmittel aus Holz 67,4 Prozent. Die Preise für Futtermittel für Nutztiere stiegen um 48,7 Prozent. Nadelschnittholz war 41,9 Prozent teurer als im Mai 2021.

Papier und Pappe waren 52,3 Prozent teurer als ein Jahr zuvor. Papierherstellung ist besonders energieintensiv. Hier stiegen insbesondere die Preise für Zeitungsdruckpapier (+111,3 Prozent). Wellpapier und Wellpappe, die für die Verpackungsindustrie wichtig sind, kosteten 42,4 Prozent mehr.

Die Preise für Getreidemehl waren 44,8 Prozent höher als im Mai 2021. Gegenüber April 2022 stiegen diese Preise um 5,1 Prozent.

Preisanstieg bei Verbrauchsgütern vor allem durch gestiegene Preise für Fleisch und Fleischerzeugnisse

Die Preise für Verbrauchsgüter waren im Mai 2022 um 14,7 Prozent höher als im Mai 2021 und stiegen gegenüber April 2022 um 1,3 Prozent. Nahrungsmittel waren 19,2 Prozent teurer als im Vorjahr. Besonders stark stiegen die Preise für Butter (+80,2 Prozent gegenüber Mai 2021, +7,2 Prozent gegenüber April 2022). Rindfleisch war 42,9 Prozent teurer als ein Jahr zuvor, Kaffee 33,6 Prozent, Milch und Milcherzeugnisse 24,1 Prozent. Die Preise für Schweinefleisch waren 24,1 Prozent höher als im Mai 2021, sie sanken jedoch gegenüber April um 2,6 Prozent.

Die Preise für Gebrauchsgüter waren im Mai 2022 „nur“ um 9,4 Prozent höher als ein Jahr zuvor, insbesondere bedingt durch die Preisentwicklung bei Möbeln (+11,9 Prozent).

Unterdurchschnittlich auch die Teuerung von Investitionsgütern, die „nur“ 7,1 Prozent  mehr kosteten als im Vorjahr. Eine höhere Veränderung im Vorjahresvergleich hatte es letztmalig im September 1975 gegeben (+7,4 Prozent). Den höchsten Einfluss auf die Veränderungsrate für Investitionsgüter gegenüber Mai 2021 hatten die Preissteigerungen für Maschinen mit einem Plus von 8,3 Prozent und für Kraftwagen und Kraftwagenteile (+4,9 Prozent).

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