Tichys Einblick
Belehren, ausblenden, diffamieren: Wie Medien mit ihren Lesern umgehen

Pegida: Die Schweigsamen und das Lärmen der Medien

Am kommenden Montag werden es wohl ein Dutzend Städte sein, in denen eine vorwiegend schweigende Bevölkerung gegen irgendetwas mit Islam demonstriert. Es wird sich wiederholen, was zum Brauch wurde. Sie reden nicht mehr mit Journalisten. Der Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter, fasst die Stimmung zusammen: „Wir reden nicht mehr mit der Politik und den Medien“, so schilderte er die Überzeugung der Dresdner Demonstranten, „ihr hört uns doch sowieso nicht zu.“ Damit sei der „Tiefpunkt für unser politisches System erreicht“. Recht hat er. Ohne Kommunikation und Diskussion ist das Ende eines demokratischen Systems erreicht.

Es ist der Tiefpunkt des deutschen Journalismus. Die Medienverachtung führt zur totalen Verweigerung. Vorbei die Zeit, in der jeder Demonstrant seine Visage oder sein Plakat in jede Kamera hielt und auch noch Oma grüßte. Medien werden heute so wahrgenommen, wie wir es eigentlich nur noch aus der DDR kennen: „Ein Schni“ – das war die Zeiteinheit, die man brauchte um die Glotze auszuschalten, wenn Karl-Eduard von Schni——tzlers schwarzer Kanal auf den Schirm kam. Das NEUE DEUTSCHLAND wurde zum Fischeeinwickeln (wenn es welche gab) gekauft, aber nicht gelesen. (Lesen hierzu auch auf dieser Site: „Ukraine und Pegida – Vertrauen in Journalisten sinkt„)

Vertrauen ist ein wertvolles Gut. Verschweigen trägt dazu nicht bei.

Nachtrag:

N-tv bestätigt, wie unser Leserbrief behauptet, dass in einer Telefon-Umfrage 92 % der Befragten angaben, der Islam gehöre nicht zu Deutschland.

Die Umfrage sei weder valide noch repräsentativ und sei veröffentlicht worden. Aus Aktualitätsgründen habe sie anderen Informationsstücken weichen müssen. Der Leserbrief steht hier unter Kommentaren. Auch solche Verhaltensweisen werden heute kritisch verfolgt. 

Özdemir mit der Sprache der Un-Menschen

Nun kann man ja sagen, das sind halt Leser, die wir nicht wollen. Cem Özdemir, der Grünen-Chef, beschimpft diese aus seiner Sicht so minderbemittelten Demonstranten in Dresden pauschal als „Mischpoke“. Nun ja, das Wort kommt aus dem jiddischen und bezeichnet Familie, Gemeinschaft, Bande und wird in Deutschland abwertend für jüdische Familien gebraucht. Schon bezeichnend, dass der Grünen-Chef sich aus der Sprachkammer des Nationalsozialismus bedient, um Menschen zu entwerten, die nicht seines Glaubens sind. Man sieht förmlich seine Koteletten zittern, wenn jemand seine Bande mit diesem von den Nazis so infam benutzten Begriffen belegt hätte. Aber das ist ein Seitenast – und doch ein Hauptast.

Denn auch der NRW-Innenminister Jäger nennt die Demonstranten „Nazis in Nadelstreifen“. Nun habe ich bei den Demonstrationen abgetragene Wintermäntel wahrgenommen, Anoraks aus dem Billig-Kaufhaus, selbst gestrickte Wollmützen, dünne Fäustlinge, aber keine Nadelstreifen. Nicht einen. Aber Herr Jäger kümmert sich ja nicht um die Wirklichkeit, sondern um die Politur seiner Vorurteile und ist damit auch nicht allein. Alle sind sich einig: Da marschieren die Nazis.

Unerlaubte Sorgen

An diesem Punkt versteht man die Demonstranten, wenn sie nichts mehr mit Medien, und schon gar nichts mehr mit der Politik zu tun haben wollen. Vielleicht sind es einfach Menschen, die sich Sorgen machen?

Zählen wir ein paar Themen auf, die da so formuliert werden; und man sollte sie sich anhören, auch wenn man nicht immer dieser Meinung ist.

Viele fürchten um ihre Altersversorgung – weil ihre Riesterrente und ihre Lebensversicherung durch die manipulative Zinspolitik der Europäischen Zentralbank faktisch weitgehend wertlos wurde.

Viele verstehen nicht, warum auf den Sozialämtern Bedienungsanleitungen für den staatlichen Geldautomat in 10 Sprachen angeschlagen werden – wäre es nicht Anreiz und Aufgabe der Immigranten, wenigstens so viel Deutsch zu lernen, um die Formulare ausfüllen zu können?

Viele leben von einer einfachen Rente und haben entsprechende Zukunftsangst, und verstehen nicht, dass sie durch niedrigere Renten die großen Geschenke bezahlen müssen, die diese Bundesregierung ihren Lieblingswählern macht.

Viele verstehen nicht, warum hier von der großen Not der nordafrikanischen Flüchtlinge geredet wird – aber die Mehrheit der schon vor Jahren abgelehnten Asylbewerber weiter in Deutschland lebt.

Viele Menschen helfen Flüchtlingen. Aber sie fragen auch: Was geschieht auf Dauer mit den traumarisierten Menschen, die ihr nacktes Leben nach Deutschland retteten? Haben wir einen Plan, wie und wo wir sie integrieren? Bislang schweigt die Politik dazu.

Viele verstehen nicht, warum zwar in Deutschland die Gleichstellung der Frau unter großem Getöse weitergetrieben wird – aber islamische Frauen hinter Schleiern und Burkas verschwinden; Zwangsehen üblich sind und Parallelkulturen entstehen. Schwimmbäder werden geschlossen, aber an manchen Nachmittagen für einzelne Musliminnen freigehalten, denen nicht zugemutet werden kann, mit anderen Menschen gemeinsam zu schwimmen. Übrigens: Viele der gut integrierten Einwanderer teilen diese Befürchtungen über einen ausufernden Islam, vor dem sie ja eigentlich davon gelaufen sind. Jetzt holt sie der radikale Islam ein.

Viele verstehen nicht, dass den Deutschen in den Medien ständig Ausländerfeindlichkeit vorgeworfen wird und Integrationsverweigerung – aber es offenkundig die Migranten sind, die weder deutsch lernen, noch sich in die hiesigen Sitten und Kulturen eingliedern wollen. Wer integriert hier eigentlich wen? Wie gehen wir mit der verbreiteten, aber tabuisierten Deutschenfeindlichkeit um?

Viele verstehen nicht, wie es zugelassen werden kann, dass wie in Offenbach eine junge Migrantin von einem aus Serbien stammenden Schläger umgebracht wird, über den bereits eine dicke einschlägige Akte vorliegt. Ist Gewalt bei Migranten eine tolerierte Angelegenheit, die nur in Extremfällen geahndet wird? Warum lassen wir No-Go-Areas zu.

Diese und andere Teile der Debatte sind auch für mich als liberalen Ökonomen nicht einfach zu führen: Wer sich an den Rand gedrängt fühlt, wird nicht mit der gleichen Überzeugung für das Transatlantische Freihandelsabkommen kämpfen wie ich. Was ich darauf antworten soll, dass viele fürchten, dem Konkurrenz- und Leistungsdruck einer durchökonomisierten, durch- und durch auf Effizienz getrimmten Wirtschaft nicht mehr standhalten zu können.

Es ist das, was man in den 80er Jahren als „Neue Unübersichtlichkeit“ bezeichnet hat. Es ist seither alles noch unübersichtlicher geworden – nur die Medien machen es sich einfach in ihrer einfachen Schwarz-Weißmalerei: Dafür – oder dagegen?

Die kranke Mehrheitsgesellschaft

Schon allein diese Fragen, die ich da von Demonstranten gestellt bekommen habe,  rechtfertigen, dass die Frager von Pegida in den Medien als ausländerfeindlich abgestempelt werden. Außerdem sind sie rassistisch, homophob und Frauenhasser, an der Grenze zur Krankheit. Das sind die Kampfbegriffe, die derzeit in den Medien benutzt werden, um nicht hinschauen zu müssen, was geschieht und um nicht hinhören zu müssen, was die Menschen bewegt.

Viele, ach ja: fast alle Medien haben die Rolle der Gesellschaftsveränderer und gesamtgesellschaftlichen Lehrmeister übernommen. Sie schreiben und senden nicht, was ist und die Menschen bewegt, sondern als gelte es die jeweils neueste Vorschrift aus dem Handbuch für Umerziehung zu befolgen. Offensichtlich sind die meisten Journalisten heute die Herolde einiger aggressiver Minderheiten, die mit ihrem Meinungsterror schon die Benennung von Sachverhalten verbieten.

Wir benennen Konflikte nicht mehr, wir verschleiern sie. Kürzlich hörte ich in Köln folgende Durchsage in der S-Bahn: „Wenn ihnen Kinder einer ….äh, wie darf man das sagen? Wenn ihnen Kinder einer Volksgruppe Zeitungen anbieten, bitte denken sie daran: Es sind Taschendiebe.“

So weit hat Newspeak schon Platz gegriffen, dass ein Lokführer der S-Bahn nicht mehr sagt, was jeder weiß: Es sind minderjährige Kinder eines großen Zigeunerclans, die zum Klauen angestiftet werden, weil sie noch strafunmündig sind. Und es ist nicht Fremdenfeindlichkeit, sich dagegen zu wehren, sondern Selbstschutz. Aber die Polizei in NRW darf ja auf die ethnische Herkunft von Tätern hinweisende Merkmale nicht mehr zur Fahndung einsetzen. Das hat die Aufklärungsquoten gesenkt, das gute Gefühl der Gutmenschen optimiert und die Opfer allein gelassen.

Der Glaubwürdigkeitsverlust der Medien

Die Wahrheit steht nirgends mehr, denn sie wird als rassistisch und ausländerfeindlich interpretiert. Aber wenn die Welt der Medien nun nicht mehr mit der Lebenswirklichkeit der Menschen übereinstimmt – so wie die Funktionärswelt der DDR-Medien nicht mehr mit der der eingesperrten und drangsalierten Menschen harmonierte? Denn die Menschen wissen, dass sie keine Nazis sind, und sehen bei ihren Nachbarn, dass diese auch keine Ausländerfeinde sind. Wenn aber erlebte Wirklichkeit und die fiktionale Wirklichkeit der Medien nicht mehr zueinanderpassen, und zwar für jeden erkennbar und nachprüfbar, dann führt dies zu einem krachenden Glaubwürdigkeitsverlust der Medien. Was in der Causa Wulff noch ein Unbehagen an den Jagdszenen war, die da täglich geboten wurde, entwickelt sich zur Gewissheit: die Medien lügen und die Journalisten sind Erfüllungsgehilfen der fernen Eliten in Berlin, die ja doch machen was sie wollen. Aber lesen – lesen muss man das dann nicht mehr. Viele Menschen helfen heute Flüchtlingen, das war nicht immer so. Wer wie ich in der Ausländerarbeit der 80er Jahre aktiv war, der weiß was Fremdenfeindlichkeit ist. Die Deutschen gehen im Großen und Ganzen sehr offen mit Migration um. Aber warum wird ihnen ständig Fremdenfeindlichkeit vorgeworfen und eine „Kultur des Willkommens“ abverlangt, die sie längst eingelöst haben – während viele Migrationsgruppen sich weigern, ihren Beitrag zur Integration zu leisten und wenigstens die hier noch gängige Sprache zu sprechen? Warum reden wir auf Integrationsgipfeln immer nur von Diskriminierung – aber nicht von der Selbst-Ausschließung und Abschottung mancher, allerdings nicht aller Migranten-Organisationen? Ich habe mir viele Prügel abgeholt für mein Buch „Ausländer rein. Warum es kein Ausländerproblem gibt.“ Ich stehe noch immer für die Aussage, dass wir Zuzug brauchen. Aber von bedingungslos war nicht die Rede. Ohnehin ist die Integration erstaunlich gut gelungen. Ohne die Türken der zweiten und dritten Generation wäre dieses Land nicht mehr betriebsfähig. Geradezu lautlos verfolgen Polen und Zuwanderer aus dem Baltikum ihren Weg zum kleinen Glück. Doch die Islamisierung droht diese Erfolge zu zerstören. Neue Ghettos entstehen. Wenn die Situation außer Kontrolle gerät, ist niemandem gedient. Hört den Leute zu. Nehmt sie ernst und schreit sie nicht nieder.

Das gespaltene Land

Und es ist bezeichnend, dass die Dresdner Oberbürgermeisterin zum Protest gegen den Protest aufruft. Hat sie wirklich vor, die Stadt zu spalten? Wollen wir das wirklich, dass die Demo-Züge aufeinanderprallen wie einst in der Weimarer Republik die Schläger der braunen Nazis auf die Rotfront-Kämpfer der rotlackierten Nazis trafen? Können wir es wirklich zulassen, dass immer mehr Menschen mit ihren Sorgen und Nöten als Nazis diskreditiert werden, bis der braune Rand allmählich zur Mitte wird?

Gregor Gysis neue Volksfront

Am Anfang steht ja ein Trick, der historisch Verwüstung angerichtet hat. Es geht um die Volksfrontbündnisse der kommunistischen Parteien. Hier bezieht sich Volksfront insbesondere auf die Volksfrontbündnisse der in der Kommunistischen Internationale (Komintern) organisierten Kommunistischen Parteien (KPs) mit anderen Parteien und Organisationen im Europa der Zwischenkriegszeit in den 1930er Jahren. Ziel war es, mit anderen Gruppen, Kirchen und Verbänden eine gemeinsame Front herzustellen, um die eigentlich Absicht der Kommunisten zu verschleiern und ihnen mehr Durchschlagskraft mit Hilfe auch bürgerlicher Gruppen zu verschaffen. Die LINKE hat sich auf diese Tradition rückbezogen und agiert als Volksfront gegen Faschismus. Das verschafft ihr die moralische Überlegenheit, mit der sie von ihren eigenen Verbrechen gegen jede Form von Menschlichkeit und Menschenrechte ablenken kann. Das verschafft ihr Bündnispartner, die für den Kampf gegen den Faschismus alle sonstigen Vorbehalte aufgeben und sich einreihen in die Front der Kämpfer für das Gute.

Seither breitet sich der Faschismusverdacht in Deutschland immer weiter aus. Es wird nicht mehr differenziert zwischen liberal, neoliberal, konservativ, rechts und rechtsradikal bis nazistisch – es sind alle eben Nazis. Die CDU hat sich dagegen nicht gewehrt. Sie macht mit und diffamiert als unfreiwilliger Partner der Volksfront die AfD als „rechtsradikal“, hat sogar eine Art Kontaktsperre verhängt. Das führt dazu, das der Stadtrat der CDU, ein Elektromeister, nicht mehr mit seinem alten Kumpel reden darf, der Bäckermeister ist und für die AfD in den Rat gewählt wurde. Es ist die Volksfront gegen die AfD eben; wobei klar ist: Im nächsten Zug ist auch die CDU dran und wird als nazistisch diffamiert. Schon jetzt reden ja CDU-Politiker in allen Fragen so windelweich daher, weil sie genau dies Guillotine der Sprach-Richter indem Medien kennen, die jederzeit niedersausen kann. Wer auch nur auf das Geringfügigste gegen die Sprachregelungen des großen Verschweigens verstößt, den die neue Volksfront aus Linken und organisierten Minderheiten verfügt hat, ist politisch diskreditiert. Dafür feiert eine seltsame virtuelle Nazijägerei Erfolge, die im krassen Gegensatz zu der Tatsache steht, dass die Stimmenergebnisse für rechtsradikale Parteien im zählbaren Minimalbereich liegen und vermutlich die Hälfte der NPD-Mitglieder ohnehin beim Verfassungsschutz in Lohn und Pension stehen.

Auf dem linken Auge blind

Denn links darf man ja wie Blinzel-Özdemir die Sprache der Nazis einsetzen – stellen Sie sich vor, ein „Rechter“ hätte Mischpoke über die vielen vermummten schwarzen Schläger gesagt, die regelmäßig unter dem Deckmantel antikapitalistischer Demos verwüstend durch deutsche Städte ziehen? Dass die Demonstranten, die gegen „Rechte“ auf die Straßen sind, erkennbar gewalttätig sind und doch als Helden hochgejubelt werden? So angeleitet macht sich jeder Volontär virtuell auf die Jagd nach einem vermeintlichen Nazi, der irgendwo sein Unwesen treibt oder nach einem Versprecher in einem genuschelten Nebensatz, aus dem sich die direkte Verbindung zu Adolf Hitler ableiten lässt. Dass die Menschen das als unlautere Wortverdreherei empfinden, ist den Wortverdrehern noch nicht in den Sinn gekommen. Sie merken auch längst nicht mehr, dass sie auf dem linken Auge blind sind und nicht  recherchieren oder berichten, dass die neue Regierung Ramelow in Thüringen von ungefähr 6 Stasi-Spitzeln die Mehrheit geliehen erhält. Aber das ist ja gerade der Trick der Volksfront – eigene Vergehen werden tabuiisiert, die der anderen skandalisiert. Die Gutwilligen auf der Seite des Guten erkennen nicht die Strategie. Die neue Koalition unter der Führung der alten SED in Thüringen will in Zukunft nur noch Rechtsradikale vom Verfassungsschutz beobachten lassen, natürlich nicht mehr sich selbst. Ach ja, und es ist ja klar, das ist kein Modell für Berlin und die Erde eine Scheibe.

Der Konformitätsdruck in den Köpfen

Wie auch? Kontrolle durch eine kritische Öffentlichkeit findet nicht mehr statt. Vom „ungeheuren Konformitätsdruck“, der in den Redaktionen herrscht, berichtet selbst Frank-Walter Steinmeier, als SPD-Politiker eigentlich über Zweifel erhaben, die ja nur den „Rechten“ zu gelten haben.

Denn offenkundig haben sich viele Journalisten vor den Stürmen der Medienkrise in ihre sicheren Redaktionsstuben hinter die fahl flimmernden Bildschirme zurückgezogen; und von dort aus berichten sie konform das, was sie meinen, dass irgendwelche Role-Models oder Alpha-Journalisten von ihnen verlangen. Jede Abweichung wird als Gefahr abgelehnt; im Rudel jagen sie und hoffen, als Einzelne nicht identifizierbar zu sein. Zum Ausbruch aus dem Rudel fehlt der Mut und so paddeln sie in der lauen Brühe des Gender-Mainstreaming dem eigenen Abgrund entgegen. Denn während ARD und ZDF ja noch rechtzeitig ihre Einnahmen durch die Wohnungs-Rundfunkssteuer gesichert haben – für Zeitungen und Zeitschriften gilt das nicht. Aus den Anstalten senden Rundfunk-Beamte, was von ihnen erwartet wird: erwartbare Staatsnähe, rundfunkratskonform und unbeirrt von der Realität auf der Straße.

Auch die Politik fühlt sich sicher; schließlich ist Wahlenthaltung gleichgültig, seit die Wahlkampfkostenerstattung nicht mehr an den tatsächlich von einer Partei erhaltenen Stimmen abhängt, sondern vom hochgerechneten Anteil an den Wahlberechtigten. Damit geht von Wahlenthaltung keine Drohung mehr aus. Dass die AfD viele Stimmen auch von SPD und der Linken erhält, führt nur dazu, dass alle diese Alt-Parteien eng zusammenrückt in der gemeinsamen Verteufelung der neuen Konkurrenz und gemeinsam durch das Bedienen der Nazikeule mittlerweile jedenfalls diese Gefahr neutralisiert haben. Dabei habe ich sogar Respekt vor vielen Politikern. Sie sind ja die ersten Opfer der „freiwilligen Gleichschaltung“, von der selbstkritisch sogar die Süddeutsche Zeitung schrieb.

Ein Präsident beschimpft sein Volk

Wer mit den Menschen auch nur sprechen will, wie Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, wird von der Medienmeute sofort angegriffen – und wehe, die CSU macht sich für das Erlernen der deutschen Sprache stark! Dann fällt das Beil der Scharfrichter, auch in der kleinsten Zeitung. Allerdings geht es auch anders. Bundespräsident Gauck spricht von  „Chaoten und Strömungen, die wenig hilfreich sind“ und daher weniger Beachtung finden sollten. Alles Chaoten? Es ist eine bemerkenswerte Verachtung für das Volk, die da aus dem Bundespräsidenten spricht. Aber er besucht ja auch nur Flüchtlinge. Sie wohnen nicht bei ihm, nicht im Schloß Bellevue und nicht mal im Schlosspark. Das Aufeinandertreffen mit mittellosen, verzweifelten, entwurzelten Menschen findet ja nur am Stadtrand statt. Flüchtlingslager entstehen meist da, wo Menschen ohnehin in prekären Lebenssituationen finden. Es sind nicht die Schulen in den feinen Vierteln, sondern in den Industriegebieten, die kollabieren, weil zu viele Kinder ohne Sprach- und sonstige notwendige Kulturtechniken aufgenommen werden müssen. Es sind meist die Kinder von Migranten, die durch die nächste Welle daran gehindert werden, wenigstens bescheidene Integrations-und Lernerfolge zu erzielen. Es ist ihr Rücken, auf dem sich das Flüchtlingsdrama abspielt. Antworten dazu? Keine. Lösungen? Keine. Beschimpfungen? Billig.

Wir suchen uns neue Leser, die alten sind reaktionär

Für die gedruckte Presse aber beschleunigt das ganze den eigenen Untergang. Denn sollen die Leute wirklich lesen, dass sie alle Volltrottel im harmlosesten Sinn oder aber sogar bösartige Nazis sind? Das Verhalten vieler meiner Kollegen erinnert an die bitterböse Parabel, die Bert Brecht nach dem Niederschlagen des Volksaufstands in der DDR in seinem wunderschönen Band „Buckower Elegien“geschrieben hat: „Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“ 

Die Zeitungen haben offensichtlich beschlossen, sich neue Leser zu wählen, weil ihnen die noch vorhandenen nicht klug, nicht links, nicht grün und überhaupt nicht modern genug sind. Dazu passt, dass die Süddeutsche ihre Kommentarfunktion im Internet schließt und die ARD dies für die Tagesschau erwägt. Lesermeinungen sind einfach zu dumm für die Inhaber des erhobenen Zeigefingers. Alle fürchten sich vor dem Internet. Aber es ist die Verachtung der Leser, die zur Kündigung des Abos führt.

Die einzige Frage, die notorisch unbeantwortet bleibt: Wo findet man die bloß, diese neuen Leser, die sich ständig belehren und beschimpfen lassen und die demütig konsumieren, was ihnen als Schreibeintopf tagtäglich vorgesetzt wird. Wo?