Tichys Einblick
Wirklichkeitsverdrängung

Landtagswahl Thüringen: Schon wieder die AfD

Was immer passiert in diesem Land - die AfD ist schuld. Es wird Zeit, dass die anderen Parteien ihre Trotzhaltung aufgeben und sich mal den Bürgern nähern. Diese Landtagswahl ist eine zu viel für einfach weiter so.

Screenprint ARD Wahl 19

Die Wähler haben entschieden; und ohne AfD oder die LINKE ist kein Staat in Thüringen zu machen. Die Prognosen von 18.00 wie auch die 1. Hochrechnung zeigen katastrophale Verluste für CDU und SPD, beide vom Thron der Volkspartei verstoßen; FDP und Grüne zittern um den Einzug wegen der 5-Prozent-Hürde.

LINKE, Grüne, FDP und SchrumpfPD könnten mit einer Stimme Mehrheit regieren – wenn es klappt mit der 5-Prozent-Hürde. Das wird eng. Klar, LINKE und CDU könnten es zusammen schaffen – aber das hat die CDU ausgeschlossen, aus gutem Grund. Sie würde ihre Seele verlieren. Und deshalb die langen Gesichter bei der Union: Die rote Kröte ist zu viel oder zumindest unverdaulich. Ohne AfD läuft keine solide Regierungsbildung, man kann es drehen und wenden. Ramelow braucht angesichts der Thüringischen Verfassung allerdings keine Mehrheit. Er kann bleiben, da die CDU unter Mike Mohring keine eigene Mehrheit zusammenbringt. Es gibt also keine so oft beschworene Unregierbarkeit, die CDU muss sich auch keine Gedanken machen, doch mit der Linkspartei zu koalieren. Sie ist draußen, und Ramelow regiert weiter. Einen Haushalt hat er sich schon genehmigt.

Vorwurfsvoll gucken die Kommentatoren und die Politiker in die Röhre. SPD-Scholz spricht von einem „bedrückenden“ Wahlergebnis; dabei verschiebt er die Bedrückung weg vom Komplettversagen hin zur AfD. Er plädiert für Alle gegen die AfD, klar, eine 8-Prozent-SPD braucht sonst ja auch keiner. Wie schön wäre es doch, wenn es keine AfD gäbe. Dann wäre es so einfach zu regieren. Oder wenn wenigstens die Wähler so wählten, dass nichts passiert. Dann wäre die Welt auch gut für die herkömmlichen Parteien.

Aber leider gibt es ja die AfD, und vermutlich gibt es sie genau deswegen: Weil es sie nicht geben dürfen soll.

Die Bauern protestieren gegen eine Agrarpolitik, die ihnen die letzte Kuh aus dem Stall treibt? Alle AfD.

Die Leute wollen keine Windräder, die Landschaft, Gesundheit und Natur zerstören? Da steckt die AfD dahinter.

Schon wieder ein Mord und die Polizei schweigt? Da schlägt doch die AfD Profit draus.

Die Leute meckern, weil ihre Arbeitsplätze verschwinden? Das muss doch die AfD sein.

Wer als Handwerker seinen alten Diesel weiterfahren will – geh doch zur AfD!

Wer meckert verliert seinen Job – der war sicher in der AfD.

Der Bischof war bei einer schlagenden Verbindung – haut ihn zum Teufel, der ist AfD (der Bischof wie der Teufel).

Was immer passiert im Land, an Missstand und offenkundigem Regierungsversagen und nicht trotzdem und sofort mit Jubel und Trubel beklatscht wird – das muss die AfD sein. Jede Kritik wird pauschal dadurch entwertet, dass sie angeblich von der AfD stammt.

Eigentlich braucht die AfD gar nichts zu tun. Sie braucht bloß herumsitzen und von den Missständen profitieren. Sie braucht nichts besser machen. Sie muss nichts beweisen. Sie muss nur da sein, und dann werden ihr die Wähler zugetrieben, die sich über Murks und Tollerei einer durchgeknallten Politik ärgern. Die Wälder haben wollen ohne Betonpisten und heulende Windmonster, dafür aber mit Viechern und Vögeln. Die ihr Leben leben wollen und es in kleinen Schritten verbessern, die blöde Frage stellen, wie sie zu Hause heizen sollen, wenn es weit und breit keine Gasleitung gibt und Öl als Brennstoff verboten wird: Da guckt der Politiker in Berlin-Mitte kurz und weiß Bescheid: Nicht sein Ölheizungsverbot ist beknackt, sondern der Wähler, und deswegen muss man ihm das Maul stopfen. Ihm frech kommen, ihn zwangsbeglücken mit einem TV, das das Krumme gerade senden soll und das Gerade schief redet. Damit man den ungezogenen Wähler „mitnimmt“.

Politik bemüht sich nicht mehr um die Verbesserung der Lebensumstände, so weit sie überhaupt dazu beitragen kann – sie beschimpft nur noch die Wähler. Und macht dadurch die AfD noch größer.

Und die wird weiter wachsen. Immer weitere Landstriche und Wahlkreise fallen an die AfD, aber ein paar sind ja noch einmal davongekommen und haben ihre Pfründe gerettet.

Bei der SPD sind es jämmerlich wenig, aber das macht nicht einmal der SPD Sorgen. Schuld haben ja andere, Sie wissen schon. Nur nicht Fehler bei sich selbst suchen. Nur nicht überlegen, ob Masseneinwanderung, Überlastung der Sozialsysteme, Rentner die Flaschen sammeln, weil es vorne und hinten nicht reicht, ob das vielleicht ein Grund sein könnte, die Traumtänzer abzuwählen, die Gutgemeintes mit Gutgemachtem verwechseln. Nur nicht darüber nachdenken, dass die Energiewende die Preise treibt und die Stromkosten unerträglich macht und deswegen noch eine CO2-Steuer draufgepackt. Nur nicht nachdenken, immer nur weiter den Esel prügeln, und wehe er sch***t keine Goldtaler mehr, die sie für ihre Regierungsbespaßung untereinander brauchen: 400 neue Beamte für die neue Ölheizungs-Erneuerungs-Bewilligungsbehörde? Kein Problem, die Ölheizungsbesitzer zahlen schon und der Amtsleiter wird ein Parteibuch haben, das mit dem des Staatssekretärs und des Ministers identisch ist, es lohnt sich also für die SPD, auch wenn vor Ort die Stimmen schwinden. Arbeitsplätze in der Lausitz schon mal vorab vernichtet, aber das Ausgleichsgesetz liegt noch rum in einem Riesenparlament, in dem 111 Abgeordnete herumsitzen, die im Grundgesetz nicht vorgesehen sind? Wer unfähig ist zur Reform in eigener Sache, soll nicht von Bürgern Reformbereitschaft und Opfer verlangen, die sich nicht wehren können.

Nein, zuletzt in Thüringen wurden CDU, SPD und Grüne abgestraft für ihr komplettes Versagen, Politik an den Bedürfnissen der Bürger und Wähler auszurichten. Zum jetzigen Zeitpunkt darf sich die FDP zu den Siegern zählen – wenn sie noch reinrutscht. Aber es ist ein Tiefschlag insbesondere für die Grünen, deren Siegesstraße plötzlich eine Sackgasse ist. Da können sie jetzt Koalitionsspielchen betreiben, wie sie es in ihren Parteischulen gelernt haben – es wird nicht helfen. Die Lebenswirklichkeit sucht sich ihre Politik dann eben selbst, wenn sie nicht mehr berücksichtigt wird. Da können alle Zeigefinger auf Björn Höcke und seine Umtriebe deuten – für jeden Zeigefinger deuten 4 Finger auf die Ursachen zurück, und das ist die Weigerung, die Lebenswirklichkeit anzunehmen.

Nun ist Thüringen ein kleines Land. Es wird irgendwie weiterverwaltet werden; Landespolitik wird ohnehin überschätzt. Und in Berlin werden sie bei den Parteivorstandssitzungen am Montag ein bisschen jammern und wehklagen über die dummen Wähler. Und dann wieder weitermachen. Immer weiter, während das Land verfällt, politisch isoliert ist und sich immer weitere Bereiche des öffentlichen Versagens ausdehnen. Gott sei Dank gibt es ja die AfD. Die hat Schuld.

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